Interview/

Die Basistechnologien sind längst vorhanden

28.06.1996

CW: Herr Garmhausen, Sie waren in der Vergangenheit als Vorreiter offener Systeme bekannt, nun gehören Sie zu den Promotern des Intranet. Woher kommt dieser Sinneswandel?

Garmhausen: Das hängt mit meinem Ausstieg aus der Firma Garmhausen & Partner zusammen. Danach mußte ich mich neu orientieren und suchte auf dem Markt nach geeigneten Geschäftsfeldern. Da bot sich das Thema Online-Dienste im weitesten Sinne an. Jedoch mit einer Einschränkung: Wir haben die Services erst einmal im Firmenumfeld gesehen.

CW: Online-Dienste im Firmenumfeld, sind das Alternativen zum Internet?

Garmhausen: Ja. Bis September letzten Jahres war es nicht klar, wo der Weg hingeht. Microsoft Network hätte das Rennen machen können oder auch America Online. Zum damaligen Zeitpunkt war alles noch offen. Mit einem Schlag kam dann aber der eindeutige Umschwung in Richtung Internet.

CW: Wie haben Sie mit Ihrem Unternehmen darauf reagiert?

Garmhausen: Da wir von Beginn an auf offene Lösungen wie beispielsweise Hypertext Markup Language (HTML) gesetzt hatten, war die Umstellung nicht sonderlich groß. Ansonsten konzentrierte ich mich auf das Projektgeschäft im Umfeld des Intranet. Basierend auf der Erfahrung, die wir bereits gesammelt haben, wollen wir jetzt die Distribution hochziehen. Der Start gestaltet sich so ähnlich wie damals mit Unix.

CW: Also Garmhausen als Systemintegrator in Sachen Intranet?

Garmhausen: Momentan auf jeden Fall. Es muß nicht so bleiben, aber im Moment brauchen wir die Felderfahrung und Partner. Allerdings wird die Distribution im Internet-Zeitalter nicht lange ein Geschäftsfeld bleiben. Irgendwann muß aus dem Distributor ein Promoter werden, der für ein neues Produkt das Marketing übernimmt. Der Händler kann schließlich nur überleben, wenn er sein Geld mit Dienstleistungen verdient, denn im globalen Netz findet der Handel in naher Zukunft direkt zwischen Hersteller und Endkunde statt.

CW: Sie verstehen sich als Systemintegrator in Sachen Intranet. Welchen Vorteil hat der Anwender bei einer solchen Lösung gegenüber den klassischen Client-Server-Strukturen?

Garmhausen: Das liegt doch auf der Hand - er hat die Möglichkeit, weltweit in einem Format zu kommunizieren. Hinzu kommen die internen Vorteile des World Wide Web (WWW), wie Links zwischen unterschiedli-chen Dokumenten. Das Workflow-Tool "Lifelink" nutzt das bereits. Letztlich kann ich den gesamten Bereich der DV, Telekommunikation und Multimedia integrieren. Die Basistechnologien dafür sind alle längst vorhanden, sie müssen nur genutzt werden.

CW: Können Internet oder Intranet klassische Groupware-Produkte vom Markt verdrängen?

Garmhausen: Diese Möglichkeit besteht durchaus. Nicht umsonst bekommen Groupware-Plattformen wie Notes Internet-Anbindungen implementiert, um zu überleben. Es bleibt allerdings die Frage, ob Applikationen, die ursprünglich auf diesen Plattformen aufsetzten, irgendwann vorbeiziehen und als reine Internet-Anwendungen existieren.

CW: Sehen Sie schon entsprechende Killerapplikationen?

Garmhausen: Nein. Momentan ist WWW noch State of the art. Ich sehe noch nichts, das dies ändern könnte.

CW: Und wie sieht es mit den darunterliegenden Netzwerk- Betriebssystemen aus?

Garmhausen: Sicherlich brauchen wir auch in Zukunft entsprechende Systeme. Doch das werden nicht mehr die Betriebssysteme sein, wie wir sie heute kennen. Diese verschwinden vom Markt, wenn sich ein Standard durchsetzt, der weltweit identisch ist. CW: Also bedeutet es das Aus für klassische File-and-Print-Netzwerk-Betriebssysteme wie Netware? Garmhausen: In ihrer heutigen Form sicherlich ja. Das zeigt auch die schnelle Reaktion Novells, mit der sich das Unternehmen Intranet auf die Fahnen geschrieben hat. Letztlich sind das alles Überlebensversuche, ob die klappen, zeigt der Markt.

CW: Sie bewerten die Internet-Entwicklung sehr optimistisch, sehen Sie auch irgendwo Probleme?

Garmhausen: Schwierigkeiten, die etwas unter den Tisch gekehrt wurden, gibt es im Abrechnungsbereich. Die Sicherheitsfragen dürften bald gelöst sein, es arbeiten ja bereits viele daran. Ein anderes Problem ist das juristische Umfeld. Was passiert, wenn ein Verkaufs-Server außerhalb der 13-Meilen-Zone mitten im Meer steht? Wer bekommt dann die Steuern?