Die Angst der Telcos: VoIP auf dem Handy

07.12.2006
Nach dem Angriff auf das Festnetz ziehen VoIP-Anbieter in den nächsten lukrativen Markt weiter - Mobilfunk-Provider müssen sich auf einiges gefasst machen.

Das Telefonieren über das Internet, vor einigen Jahren noch als skurriles Hobby von Online-Geeks abgetan, hat auch in Deutschland längst ein breites Publikum erreicht. Anbieter von "VoIP"-Diensten (Voice over IP) wie Skype, Vonage oder Sipgate hatten in den vergangenen Monaten einen erheblichen Anteil daran, dass die großen Telekommunikationskonzerne in Europa und dem Rest der Welt ihre Festnetztarife ständig senken mussten. Nun soll VoIP auch die Welt des Mobilfunks umkrempeln. "Insbesondere bei Mobilfunk-Gesprächen ins Ausland werden die Handy-Besitzer derzeit gnadenlos abgezockt", sagt Hjalmar Winbladh, Gründer der schwedischen Firma Rebtel. Um den zum Teil horrenden Auslandsgebühren aus dem Weg zu gehen, nutzt Rebtel das Internet, um die digitalisierten Sprachpakete von einem Land ins andere zu transportieren. Die Infrastruktur der Mobilfunkanbieter wie T-Mobile oder Vodafone wird nur für die letzte Meile genutzt.

"Um ihren Umsatz pro Kunde zu retten, bieten die Mobilfunkfirmen inzwischen Inlandstarife an, bei denen man für einen festen Betrag eine Unmenge von Freiminuten bekommt", erläutert Marketing-Chef Greg Spector eine Voraussetzung für das Rebtel-Modell. Durch eine Internet-Verbindung ermögliche Rebtel nun, auch Freunde und Geschäftspartner im Ausland zum günstigen Inlandstarif anzurufen. Zuvor muss man sich allerdings auf der Website von Rebtel eine lokale Nummer einrichten lassen. Damit kann etwa ein Berliner seinen Geschäftspartner in Peru unter der Vorwahl 030 in Deutschland erreichen - und das Handy des Berliner klingelt, wenn der Partner eine bestimmte Nummer in Peru anwählt. Rebtel verlangt für jede Woche, die dieser Dienst genutzt wird, einen Dollar, umgerechnet etwa 0,75 Euro.

Rebtel - Auslandstelefonate über die Inlands-Flatrate.

Für die Anrufe via Internet benötigen die Rebtel-Kunden kein modernes Mobiltelefon, sondern können auch mit einem Uralt-Handy via VoIP telefonieren. "Wir müssen nicht auf die nächste Generation der Smartphones warten", sagt Winbladh. Populär sei der Dienst derzeit vor allem in Polen, wo Rebtel-Kunden den Dienst nutzen, um Angehörige und Freunde anzurufen, die als Gastarbeiter in Großbritannien, den USA oder Deutschland untergekommen sind. "Wir bieten unseren Dienst inzwischen in 36 Ländern an, darunter Deutschland und fast die ganze EU, aber auch USA, Brasilien, Japan, Australien und Neuseeland." Und gerade in Deutschland erlebe Rebtel ein besonders starkes Wachstum. Hinter Rebtel stehen Wagniskapitalgeber aus Genf (Index Ventures) und dem kalifonischen Menlo Park (Benchmark Capital). Gründer Winbladh hat außerdem einen Teil der 150 Millionen Dollar in Rebtel investiert, die der Schwede vor einigen Jahren von Microsoft für seine damalige Startup-Firma Sendit erhalten hatte.

Jajah - zwei Österreicher in Kalifornien.

Rebtel ist aber nicht der einzige Anbieter für mobile VoIP-Lösungen. In Moutain View hat sich Jajah niedergelassen, ein von den Österreichern Roman Scharf und Daniel Mattes gegründetes Unternehmen. Jajah offeriert die Gesprächsvermittlung über eine Website. Dabei werden die Nummern in den Browser eingetippt und die Verbindung über das Internet zu beiden Apparaten hergestellt - egal ob Festnetz-Telefon oder Handy. Allerdings muss mindestens ein Teilnehmer am Computer sitzen, um die Vermittlung einzuleiten. Bei einigen neuen Handys funktioniert das VoIP-Telefonat auch ohne einen PC. Auch Jajah kann auf einen einflussreichen Wagniskapitalgeber verweisen, nämlich Sequoia Capital. Sequoia hat schätzungsweise jedes zehnte Unternehmen an der New Yorker Technologiebörse NASDAQ finanziert, darunter auch Apple Computer und Google.

Doch nicht nur im kalifornischen Silicon Valley hat man die Attraktivität der Internet-Technologie für den Mobilfunk entdeckt. In Berlin sitzt die Firma AtelPlus GmbH, die über die Website www.Smart2Talk.com die Handysoftware "Tarifjäger" anbietet. Das Programm, das je nach Variante einmalig 30 Euro (Java) oder 40 Euro (Symbian) kostet, spürt die preiswerteste Verbindungsmöglichkeit als so genannter Least-Cost-Router auf und leitet die Telefonate insbesondere bei Auslandsgesprächen ebenfalls preisgünstig als Datenpakete über das Internet weiter. Experten haben unterdessen schon die nächste Ära des Mobilfunks im Blick, in der nicht nur Billigst-Telefonate gefragt sind: "Die (VoIP)-Firmen stehen vor der Herausforderung, ihre Dienste für die Kunden wertvoll zu machen, wenn der Preiskampf mal zu Ende ist", sagt William A. Stofega, Marktforscher von IDC. Sie müssten sich die Frage stellen: "Wie kann man sich zu einem Provider entwickeln, der nicht nur einen Billigtarif offeriert?" (dpa/ajf)

CW-Links zum Thema VoIP

Portrait Jajah

Portrait Rebtel

Knowledge-Center VoIP