Quereinsteiger haben es schwerer als noch vor einem Jahr

"Die Anforderungen werden immer höher"

22.06.2001
Die Nürnberger Fullserviceagentur Eskatoo verdreifachte im Jahr 2000 ihre Mitarbeiterzahl im Vergleich zum Vorjahr. Auch heuer will das Unternehmen weiter wachsen. Michael Franz* befragte Personalchefin Christiane Holstegge und Michael Hut, Leiter der Abteilung "Web Maintenance Center", zu den Chancen der Nicht-IT-Profis.

CW: Wie sieht Ihre derzeitige Personalplanung aus?

Holstegge: Wir suchen technische Projekt-Manager, die mit ihren sozialen Fähigkeiten in der Lage sind, professionelles Consulting zu betreiben und andererseits Softwareentwickler, die sowohl das technologische Know-how besitzen als auch soziale Kompetenz hinsichtlich Kundenführung mitbringen. Außerdem suchen wirSoftwareentwickler, die sich mit Java, Javascript, HTML, XML oder Perl auskennen, Grafikdesigner sowie Account- und Projekt-Manager.

CW: Finden Sie die Mitarbeiter, die Sie suchen?

Holstegge: Es ist sicher sehr schwer, einen gut ausgebildeten Grafikdesigner zu finden, der anspruchsvolles Screendesign beherrscht. Wir warten dann lieber drei Wochen und suchen länger. Gleiches gilt für das technische Projekt-Management und für die Softwareentwicklung. Am leichtesten finden wir Hochschulabsolventen, die als Junior-Projekt-Manager einsteigen.

CW: Welche Qualifikationen erwarten Sie von den Bewerbern?

Holstegge: Bei den Grafikdesignern suchen wir Leute mit einer kreativen Grundausbildung, also Kunststudium oder auch Grafikdesign-Abschluss. Was die technischen Projekt-Manager angeht, so kommen für uns die unterschiedlichsten Studienabschlüsse in Frage, wobei Informatiker, Wirtschaftsinformatiker, Betriebswirtschaftler und Mathematiker bevorzugt sind. Allerdings reichen die Qualifikationen der Bewerber vom promovierten Chemiker bis zum Psychologen. Quereinstieg mit entsprechender Berufserfahrung ist nach wie vor möglich, wobei wir in Zukunft allerdings mehr qualitativ wachsen möchten und weniger quantitativ.

CW: Unter welchen Voraussetzungen ist der Quereinstieg möglich?

Holstegge: Zum Beispiel kommen Bewerber zu uns, die haben eine zwölfmonatige Umschulung absolviert und dort Java gelernt. Die lassen sich sehr gut integrieren. Momentan ist der Quereinstieg schwieriger geworden, weil wir ein qualitatives Wachstum anstreben. Es gibt immer wieder die Chance, mit einem Praktikum bei uns zu starten. Aber die Schwelle liegt etwas höher als vor ein oder zwei Jahren. Im Zweifelsfall entscheidet auch die sechsmonatige Probezeit. Wobei wir in der Regel keine Mitarbeiter einstellen, bei denen wir uns nicht sicher sind. Falls wir ein Experiment wagen, ist es dem potenziellen Kollegen bekannt.

CW: Sagen Sie das den Bewerbern so deutlich?

Holstegge: Wir spielen mit offenen Karten, weil wir auch unsere soziale Verantwortung sehen. Wir möchten niemanden in unser Unternehmen holen und dann sagen: "Mein Gott, es hat halt doch nicht geklappt", sondern wir zeichnen ein realistisches Bild von den Aufgaben. Manche sagen dann von sich aus: "Ich glaub, ich bin dem Ganzen wohl doch weniger gewachsen."

CW: Herr Hut, Sie sind einer dieser Quereinsteiger. Als studierter Geologe kamen Sie vor dreieinhalb Jahren zu Eskatoo und arbeiteten hier zunächst als Softwareentwickler und Web-Programmierer. Hätten Sie nach Ihrer eigenen Einschätzung mit der Qualifikation, die Sie damals mitbrachten, heute als Bewerber eine Chance?

Hut: Eher weniger. Die Qualifikationsanforderungen werden immer höher geschraubt. Ich hatte damals das Glück, über ein Praktikum reinzukommen. Das, was ich bei Eskatoo mache, wurde nur zu einem Bruchteil durch die Inhalte des Kurses "Online-Marketing-Kommunikations-Management" abgedeckt, an dem ich zuvor teilgenommen hatte. Die Inhalte der Weiterbildung waren sehr breit angelegt, weil man versuchen wollte, alle Absolventen irgendwo unterzukriegen. Diese Weiterbildungsmaßnahme war damals nur für Natur- und Geisteswissenschaftler angelegt, die anschließend alle in sehr guten Stellungen untergekommen sind. Es war der erste Kurs vor vier Jahren im Nürnberger Raum. Inzwischen gibt es die siebte Auflage, und die Leute tun sich schon wesentlich schwerer. Ich habe hier auch immer wieder Bewerber sitzen, denen ich klipp und klar sage: Dieses und jenes reicht uns nicht. Es ist wirklich so, dass inzwischen mehr Qualität als Quantität zählt. Die geringen Kenntnisse, die ich damals hatte - speziell im Programmierbereich - würden heute nicht mehr ausreichen. Das genügt vielleicht gerade noch als Freelancer.

CW: Allein der Leistungswille und die Bereitschaft, schnell hinzuzulernen, reichen also nicht?

Hut: So ist es auch nicht: Wir haben erst kürzlich wieder Leute eingestellt, die sogar Gehaltseinbußen in Kauf nahmen, die unbedingt aus ihrem alten Betrieb weg wollten, jedoch nicht über optimale Qualifikationen verfügten. Sie wussten zwar nicht alles, aber wir erkannten ihre Leistungsbereitschaft. Das Potenzial war ersichtlich. Wir haben aber ganz klar gesagt: "Wenn du zu uns kommst, dann werden die ersten paar Monate ein verdammt hartes Brot."

CW: Suchen Sie nur die Besten?

Hut: Nein, nein. Wir sind nicht so hochnäsig und sagen: "Du hast diese oder jene Qualifikation nicht, wir stellen dich nicht ein." Wenn wir die Wahl haben, nehmen wir natürlich denjenigen mit der besseren Qualifikation. Wir müssen die Mitarbeiter ja erst schulen. Das dauert in der Regel die ganze Probezeit, bis die Neuen integriert sind, die Abläufe kennen und selbständig arbeiten.

*Michael Franz ist freier Journalist in Rothenfels.