CIO-Agenda 2022

Die 8 wichtigsten IT-Trends für 2022

30.12.2021 von Heiko  Henkes  IDG ExpertenNetzwerk
Lesen Sie, welche IT-Trends CIOs 2022 im Auge behalten sollten, um gestärkt aus der Corona-Krise zu kommen.
Cloud-first-Strategien und Cloud-native-Szenarien stehen 2022 auf der Agenda vieler CIOs.
Foto: Dmitry Demidovich - shutterstock.com

Die COVID19-Pandemie unterscheidet sich in vielerlei Hinsicht von anderen Krisen. Sie stellt die Belastbarkeit von Unternehmen auf die Probe: Angefangen bei der finanziellen Stabilität über die organisatorische und technologische Resilienz bis hin zu ganz Grundsätzlichem wie der Tragfähigkeit des Geschäftsmodells. Mit Blick auf IT und Technologie im Allgemeinen hat sich in der Pandemie erwiesen: Je fortgeschrittener ein Unternehmen diesbezüglich aufgestellt ist, desto besser kam und kommt es durch die aktuelle Krise.

Mit neuen Technologien sind aber auch neue Risiken verbunden, etwa das zunehmende Bedrohungspotenzial von Cyber-Angriffen. Und es deutet viel darauf hin, dass das Fahrwasser für Unternehmen auch nach der Pandemie nicht ruhiger werden wird. Die IT-Trends für 2022 offenbaren nicht nur technische Aspekte. Sie geben auch Aufschluss darüber, wie sich Unternehmen zum einen organisatorisch und zum anderen von ihrem Business her zukunftsfähig und robust aufstellen können.

Trend 1: Public Cloud (Native) First Strategy

Der Fokus im Cloud Computing liegt eindeutig nicht mehr auf der technologischen Ebene, sondern auf dem Business und seinen Applikationen. Unternehmenskunden wollen ihre Strategien zur digitalen Transformation beschleunigen, ihre Legacy-Umgebungen modernisieren und in die Cloud wechseln. Dies umfasst mittlerweile auch Legacy-Systeme aus dem Mainframe-Umfeld.

Unternehmen profitieren deshalb von immer ausgereifteren Migrationskonzepten und -hilfen. Diese kommen sowohl von den IT-Dienstleistern beziehungsweise den Partnern der Hyperscaler als auch von den Hyperscalern selbst. Im Mittelpunkt stehen die Bewertung der individuellen Unternehmenssituation sowie die Analyse der damit verbundenen Anwendungslandschaft. In diesem Kontext ist zu erwähnen, dass Cloud-Programmierschnittstellen und Analytics-Funktionen an Bedeutung gewinnen. Auch richten Firmen ihre Migrationsstrategien stärker an Geschäftsszenarien aus und suchen nach differenzierten Deployment-Modellen.

ISG verzeichnete zuletzt eine deutlich wachsende Nachfrage nach Multi-Cloud-Diensten, und dies weitgehend unabhängig von der Unternehmensgröße. Zwar operieren viele Firmen schon länger mit mehreren Cloud-Lösungen. Doch laufen diese meistens noch unabhängig voneinander. Dementsprechend rücken die Integration und die gemeinsame Verwaltung dieser Einzellösungen nun in den Blickpunkt. Ziel ist es, die Systeme und ihre Daten so weit zu integrieren, dass sich ihr Nutzungsverhalten und die damit verbundenen Kosten prognostizieren (und optimieren) lassen.

Spätestens mit der Pandemie sind zudem die Flexibilität der Lösungen und ihre Anpassungsfähigkeit an sich ändernde Marktverhältnisse wichtig oder erfolgskritisch geworden. Deshalb spielen die Qualität der Daten und ihre Auswertbarkeit eine wesentliche Rolle, wenn Unternehmen faktenbasierte Entscheidungen treffen wollen.

Immer mehr Unternehmen setzen Cloud-native-Modelle konsequent um. Gepaart mit Hyperscaler-Verträgen und DevOps-Teams wird damit ein so hoher Automatisierungsgrad erreicht, dass einige IT-Dienstleister mit ihren bisherigen vorgefertigten Cloud-Managed-Service-Angeboten Schwierigkeiten haben, im Wettbewerb zu bestehen.

So nimmt der Markt für Cloud-native-Lösungen derzeit schnell Fahrt auf, auch im Mittelstand. Eine Umfrage, die ISG gemeinsam mit EuroCloud Native (ECN) im September 2021 unter 200 deutschen IT-Entscheidern mittelständischer Unternehmen durchgeführt hat, zeigt: 22 Prozent der Befragten arbeiten bereits mit Cloud-native-Ansätzen. 27 Prozent planen den Einstieg in den nächsten zwölf Monaten und weitere 23 Prozent berichten über konkrete Pläne. Dementsprechend überzeugen vor allem solche IT-Serviceanbieter, die eine Spezialisierung auf "Cloud Native" vorweisen können. Für 57 Prozent der Befragten ist dies ein wichtiges Merkmal, für weitere 28 Prozent sogar sehr wichtig.

Trend 2: AI Driven Automation & Autonomous Services

Laut ISG Research befinden sich die meisten Unternehmen weiterhin in den frühen Phasen der Automatisierung. Nur sieben Prozent weltweit reichern die einfache Robotic Process Automation (RPA) mit intelligenter Automatisierung an, die sich unter anderem künstlicher Intelligenz (KI) bedient. Häufig fehlt das Know-how, mit unstrukturierten Daten umgehen zu können. Aber auch unzureichende KI-Kenntnisse und zu wenig interne Weiterbildung behindern solche Vorhaben. Das treibt Unternehmenskunden dazu, nach transformativen Sourcing-Optionen zu suchen, die intelligente Automatisierung beinhalten.

Dazu gehören etwa Software-Bots, die auch mit unstrukturierten Daten interagieren können und zudem die folgenden Fähigkeiten mitbringen: Bilderkennung, die Verarbeitung von gesprochener Sprache (Natural Language Processing, NLP), kognitive Fähigkeiten sowie automatisierte (Kunden-)Dialogsysteme (Conversational AI). Dank solcher Automatisierungstechnologien und in Kombination mit Fortschritten etwa beim Process Mining lassen sich inzwischen Prozesse automatisieren, die bislang als nicht automatisierbar galten.

Trend 3: Trusted Cyber Security Mesh

Der aktuelle Cyber-Security-Markt wird 2022 erneut zweistellig wachsen. Er ist weiter geprägt von vielen Allianzen, Partnerschaften und Co-Innovationen unter Sicherheitsanbietern: hier die Beratungs-, Implementierungs- und Management-Provider, dort die Technologie- und Lösungsanbieter. Auf dem Vormarsch sind dabei "Zero Trust"-Architekturen, die dem Ansatz "vertrauen, aber überprüfen" folgen. Insofern verlassen sich Unternehmen nicht mehr vorrangig auf reaktive, sondern auf proaktive und präventive Maßnahmen, um ihre Datenbestände vor Angreifern zu schützen.

Security-Frameworks sind jedoch nur so gut wie die IT-Mitarbeiter, die sie umsetzen. Zudem müssen Cybersicherheits-Experten mit neuen Ansätzen wie "Cybersecurity Mesh" vertraut sein. Dazu werden mobile Sicherheitszonen um die einzelnen Anwender herum errichtet, die auch außerhalb der herkömmlichen Sicherheitszonen im Unternehmensnetzwerk funktionieren. Zudem verbreitet sich der DataSecOps-Ansatz immer weiter, bei dem IT- und Datenwissenschaftler von Anfang an bei der Integration von Sicherheitsmaßnahmen in die Infrastruktur zusammenarbeiten. Dies stellt sicher, dass Anwendungen transparent in das Sicherheitsnetz eingebunden werden, um die Integration aller relevanten Systeme und Geräte zu verbessern.

Trend 4: Embedded Data Science Factory & Resilience

Data Analytics gehört mittlerweile zu den Schlüsselfaktoren, die über die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen entscheiden. Doch wird Data Science oft nur isoliert in Laboren betrieben, die sich ausschließlich mit Modellen für maschinelles Lernen beschäftigen, anstatt aussagekräftige Erkenntnisse für das Business zu gewinnen. Abhilfe schaffen hier sogenannte "Embedded Data Science Factories". Sie sind in die Gesamtorganisation eingebettet und nicht von ihr isoliert. Sie arbeiten mit den Daten, die ihr Unternehmen tagtäglich generiert. Und sie folgen dem Grundprinzip der "Fabrik", die konkreten Mehrwert produziert, anstatt Wissenschaft nur um der Wissenschaft willen zu betreiben.

Erfolgreiche Embedded Data Science Factories ruhen vor allem auf zwei Säulen: erstens brauchen sie passende Strukturen und eine Unternehmenskultur, die die Datenfabrik in den täglichen Geschäftsbetrieb integrieren. Dazu gehört auch die Weiterbildung aller Mitarbeiter, nicht nur der Datenwissenschaftler. Ein Kompetenzzentrum kann etwa sicherstellen, dass die Prozesse kontinuierlich verbessert werden. Zweitens benötigen alle Beteiligten die richtigen Werkzeuge, die sowohl von den Fachexperten als auch von den Datenwissenschaftlern bedient werden können.

Data Analytics spielt auch deshalb eine wachsende Rolle, weil das Thema "Datenresilienz" immer häufiger diskutiert wird. Gemeint ist damit, dass Daten "zurückspringen" können, wenn etwa ein Cyber-Angriff oder eine Naturkatastrophe zu Störungen und Unterbrechungen führen. Die Cloud beispielsweise ermöglicht Datenresilienz, weil Daten an mehreren Orten gespeichert und abgerufen werden können.

Unabhängig davon, ob bereits Kubernetes als Defacto-Standard für das Orchestrieren von Containern genutzt wird, beginnt die Optimierung der Datenausfallsicherheit damit, dass man die individuellen Anforderungen an die Business Continuity kennt. Ein weitgehend plattformagnostischer und somit containerisierter Applikationsbetrieb kann daher zur Daten- beziehungsweise Geschäftsresilienz beitragen.

Trend 5: Sustainability & Decarbonization

Die Digitalisierung hinterlässt einen immer stärkeren technologischen und infrastrukturellen Fußabdruck. IT ist deshalb ein zentraler Baustein, wenn es um die Nachhaltigkeit und CO2-Neutralität von Unternehmen geht. Zumal diese Eigenschaften immer mehr auch über den geschäftlichen Erfolg entscheiden. Denn wer weiterhin nicht nachhaltigen Geschäftsmodellen folgt, findet immer schwerer Geschäftspartner oder Endkunden und insbesondere die ohnehin schon raren Fachkräfte, die sich bei ihrer Stellenwahl vermehrt an Nachhaltigkeitskriterien orientieren.

So ist ein eigener Markt für Nachhaltigkeits- und Dekarbonisierungs-Services in der IT-Industrie entstanden. Das erklärte Ziel: Netto-Null-Emissionen und die Verwendung von 100 Prozent erneuerbarer Energie. Die Serviceanbieter beraten vor allem Public-Cloud-, Rechenzentrums- und Hardware-Provider, wie diese ihre Nachhaltigkeitsziele erreichen und gleichzeitig die digitale Transformation vorantreiben können.

Trend 6: Future of Work - Decentralized & Hybrid Enterprise

Technologien, die Arbeitsplätze jenseits des traditionellen Büros ermöglichen, sind spätestens mit der COVID-Pandemie zum Alltag geworden. ISG spricht in diesem Kontext auch vom hybriden Arbeitsplatz, bei dem die Technik weniger problematisch erscheint als die Bereitstellung adäquater und somit digitaler Schulungsangebote im Kontext eines Change-Management-Programms für die Mitarbeiter.

Im nächsten Schritt geht es nun darum, diese Technologien für weitergehende Analysen zu nutzen und mit ihr neue geschäftliche Potenziale zu erschließen. So kann es zum Beispiel darum gehen, digitale Burnouts und andere Ermüdungserscheinungen in der Belegschaft frühzeitig zu erkennen. Ein weiterer Fokus liegt auf dem "immersiven Lernen", bei dem Mitarbeiter mithilfe erweiterter und virtueller Realitäten geschult werden. Aktuelle Lösungen von Facebook und Zoom befördern mit Augmented und Virtual Reality (AR/VR) Meetings auf eine neue, soziale Ebene. Weitere Platzhirsche wie Cisco, Microsoft und andere stehen in den Startlöchern.

So hat Meta respektive Facebook vor kurzem Horizon-Workrooms eingeführt, in denen Avatare der Nutzer anwesend sind und ihre Handlungen in einem Meeting nachahmen. Auch Zoom unterstützt dies in seiner App. Mehr noch: Es liegt nun auch an den Mitarbeitern selbst zu entscheiden, welche Geräte, Apps oder künstliche Intelligenz sie verwenden und eventuell durch Eigenentwicklungen mithilfe von Low Code-/No Code-Lösungen optimieren wollen. Diese Demokratisierung der Jobgestaltung und -ausstattung muss die Technologie sowohl am hybriden Arbeitsplatz als auch im gesamten Unternehmen abbilden können.

Trend 7: X-Reality & Converged Experience

Während einige Unternehmen den Kundenkontakt zuletzt auf Online-Kanäle verlagert haben, sind andere bereits einen Schritt weiter und nutzen ihre Online-Channels für ganz neue Dienstleistungen. Sogenannte X-Reality-Technologien lassen Grenzen zwischen realer und digitaler beziehungsweise virtueller Welt verschmelzen. Dieser Trend verändert die Art und Weise, wie Unternehmen Produkte entwickeln oder Marketing-, Verkaufs-, Liefer- und Post-Sales-Prozesse organisieren. Es handelt sich dabei um einen komplett kundenorientierten Ansatz, der grundlegende Geschäftsprozesse des jeweiligen Unternehmens und die Aufgaben seiner Mitarbeiter verändert, ohne sich von physischen Grenzen oder Distanzen limitieren zu lassen.

In jedem Fall wird Augmented Reality (AR) vieles an Kontext und Vertrauen beim Produktkauf zurückbringen, was mit der Pandemie und der Lockdown-bedingten Schließung des schon zuvor angeschlagenen Einzelhandels zum Teil verloren gegangen ist. Beispiele hierfür sind die Indoor-Navigation oder interaktive Preisschilder bis hin zu Avataren.

Zudem sind im Kontext von E-Commerce beziehungsweise des Trends hin zur Distance Economy digital angepriesene Produkte besser einschätzbar, was auch die Retouren-Quote reduzieren kann. Denn zu den Stärken von AR zählt es, Produkte in größeren Dimensionen präsentieren zu können. Zudem können Produktattribute durch 3D- und AR-Schnittstellen überzeugender dargestellt werden als durch herkömmliche 2D-Bilder im klassischen E-Commerce. Auf diese Weise gibt AR den Verbrauchern etwas von der Produktdimension und den taktilen Details zurück, die bei der Digitalisierung des Einkaufs zunächst verlorengegangen waren.

Unternehmen, die sich dieser Entwicklung verweigern, riskieren ihre mittel- und langfristige Wettbewerbsfähigkeit. Denn schon bald werden sich die meisten Geschäfts- und somit Kundenbeziehungen rein virtuell und digital abspielen. Treiber war und ist die anhaltende Pandemie. Dies unterstrich zuletzt auch die Ankündigung von Mark Zuckerberg, den Aufbau eines "Metaverse" voranzutreiben, in dem physische und virtuelle Realitäten unter AR-/VR-Einsatz miteinander verschmelzen sollen. Allein diese Initiative wird zahlreiche neue Standards und Szenarien schaffen, die auch die übrige Geschäftswelt nachhaltig prägen werden.

Mit Blick auf Meta, Google, Apple & Co. stellt sich dabei die Frage, ob es auch europäische und deutsche Unternehmen gibt, die bei dieser Entwicklung mithalten können. Eines der wenigen Beispiele ist das deutsche Startup Mapstar. Es ist im Vergleich zu Meta geradezu winzig klein, aber bietet schon heute das Fundament und Lösungen für ein echtes Metaverse - und damit einhergehende immersive und plattformübergreifende Erfahrung inklusive Blockchain-basierter Transaktionen.

Trend 8: Digital Supply Chain Transformation & Management

Lieferketten, beziehungsweise die Störung derselben, produzieren derzeit fast täglich Schlagzeilen. Technologien wie IoT, maschinelles Lernen, künstliche Intelligenz (KI) und die dadurch ermöglichten vorausschauenden Analysen können dazu beitragen, die Supply Chain durch Digitalisierung flexibler, leistungsfähiger und resilienter zu gestalten.

Zum einen verändert eine digitalisierte Lieferkette die Fähigkeit eines Unternehmens, Kundenbedürfnisse proaktiv zu erfassen und dann zu bedienen. Zum anderen wird durch Predictive Maintenance & Production eine weitere Optimierung der Prozesse über die Unternehmensgrenzen hinaus geschaffen. Neben Kosteneinsparungen ist es hier das Ziel, eine vorausschauende, sich selbst optimierende Lieferkette zu schaffen und so weitere Wettbewerbsvorteile zu generieren.

Um solche Funktionen bereitzustellen, kommen Sensoren, prädiktive Analysen, digitale Zwillinge, Blockchain, maschinelles Lernen und KI zum Einsatz, die eine möglichst durchgängige Echtzeittransparenz schaffen. Die COVID-19-Pandemie beschleunigte die Umstellung auf digitale Lieferketten in Unternehmen zuletzt deutlich. In Zeiten der Volatilität von Finanzmärkten und Rohstoffverfügbarkeiten gilt es mehr denn je, einzelne Komponenten, deren Lieferstatus oder auch bestimmte Zustände (etwa in der Lebensmittelbranche) bis ins Detail zu verfolgen. Auf dieser lassen sich beispielsweise Produktverfügbarkeiten exakter ermitteln und mit Kundenwünschen in Einklang bringen.

Zahlreiche Serviceanbieter haben sich deshalb nicht nur auf die technischen Aspekte der Lieferkette spezialisiert; sie optimieren auch die eigentlichen Geschäftsabläufe. Ziel ist es weiterhin, Entscheider auf CxO-Level mit Fakten und dynamischen Szenarien zu unterstützen, statt nicht-datenbasierten Annahmen zu folgen.