Rekordverdächtig

Deutschlands größter Mobilfunk-Hotspot – das Oktoberfest

20.09.2013 von Harald Karcher
Für sechs Millionen Oktoberfest-Besucher bauen die Netz-Betreiber alljährlich den größten deutschen Mobilfunk-Hotspot auf der Münchener Wiesn. Wir erklären, wie er funktioniert und was man für andere Mega-Events daraus lernen kann.
Wiesn-Besucher sind nicht nur besonders trink- sondern auch mitteilungsfreudig.
Foto: Harald Karcher

Moderne Smartphones mit Daten-Flatrates machen die mobile Nutzung von Facebook, YouTube, Google Plus und Twitter immer attraktiver. Über soziale Netzwerke kann man allzeit am Leben der Anderen teilhaben. Damit wächst der mobile Daten-Download rasant - und der mobile Upload noch rasanter. Denn immer mehr mobile User wollen nicht nur passiv konsumieren, sondern das selber Erlebte auch mit anderen teilen, sprich Fotos, Videos, Posts und Tweets aktiv in das Internet hochladen. Dieses veränderte Verhalten spüren alle Mobilfunk-Betreiber auch ganz massiv in ihren Netzen, gerade bei großen Events, von Musik über Sport bis hin zu Volksfesten.

Das zeigt auch ein Blick in die Vorjahre. Hartmut Kremling, CTO bei Vodafone Deutschland, erinnert sich:"Auf dem Oktoberfest 2012 in München hatten wir 3,5-mal so viel Datenverkehr wie nur ein Jahr zuvor, weil beispielsweise immer mehr Videos gesendet werden. Die haben natürlich noch größere Datenmengen als Bilder, von denen auch immer mehr verschickt werden. Wir erleben gerade, dass das Internet wirklich mobil wird, und darüber freue ich mich. Das ist eine große Herausforderung für uns und auf dem Oktoberfest zeigen wir, wie wir diese mit zusätzlichen Kapazitäten meistern".

Vodafone: Wiesn-Traffic verdreifacht

LTE-Antennen von Vodafone hingen 2012 aber noch nicht direkt auf dem Festgelände. Der neue Turbo-Funk strahlte "nur" von den umliegenden Standorten in das Fest hinein. Trotzdem hat der Autor in etlichen Messungen schon auf der Wiesn 2012 mit gut 13 MBit/s im Download und über 14 MBit/s im Upload einen recht brauchbaren LTE-Datendurchsatz bekommen.

2012 war die Datennutzung an den drei Samstagen mit jeweils fast 140 GigaByte am stärksten. Grafik: Vodafone
Foto: Harald Karcher

Auch 2013 funkt Vodafone das reichweitenstarke LTE-800 "nur" aus den umliegenden Stationen in die Wiesn hinein. Zusätzlich haben die Düsseldorfer jetzt aber innerhalb der Wiesn erstmals einen LTE-2600-MHz-Masten mit drei Sektoren, der das ganze Festgelände von innen her versorgt. Er steht am Südende der Wiesn, zwischen Kufflers Weinzelt und Käfers Schänke.

Mit LTE-2600 kann Vodafone bei entsprechender Versorgung grundsätzlich schon bis zu 150 MBit/s Download auf ein geeignetes LTE-Cat4-Handy senden, etwa auf ein Huawei P2, sofern eine SIM-Karte mit einem Vodafone RED Premium Tarif drin steckt. Doch so ein Massen-Event mit sechs Millionen Besuchern wäre wohl der falsche Ort, um die Grenzen von LTE-Cat4 auszuloten. Die Stationen seien so konfiguriert, dass trotz Besucheransturm möglichst viele Nutzer zeitgleich von hohen Datenraten profitieren und nicht wenige von Spitzen-Datenraten, erklärt dazu Dirk Ellenbeck, Leiter Kommunikation, Technik & Innovationen, Vodafone Deutschland.

Neben LTE hat Vodafone heuer sieben GSM-900-MHz-Standorte mit 19 Sektoren, zudem sieben GSM-1800-MHZ-Standorte mit ebenfalls 19 Sektoren sowie zwölf UMTS-Standorte mit 31 Sektoren und 72 Zellen aufgebaut. Die Anbindung des ganzen Wiesn-Hotspots wurde von 200 MBit/s auf 1 GBit/s deutlich erhöht. Sie läuft über 1-GBit/s-Ethernet, Glasfaser und Richtfunk. Das klingt nach einer hohen Ausfallsicherheit. Auch außerhalb der Theresienwiese hat Vodafone sich auf den Besucheransturm vorbereitet und rechtzeitig zur Wiesn 2013 ein hochkapazitives Mobilfunknetz auf engstem Raume in der Münchener Innenstadt gebaut.

E-Plus setzt auf HSPA+ im Dual-Cell-Modus

E-Plus wiederum stellt laut Unternehmenssprecher Jörg Borm die Versorgung der Wiesn über insgesamt 11 Mobilfunkstandorte auf und neben dem Gelände sicher. Zusätzlich versorgten die bereits vorhandenen Anlagen in München das weiträumige Umfeld um das Festgelände. Erstmals sei es den Besuchern außerdem möglich, mit HSPA+ im Dual Cell-Modus und damit mit bis zu 42 MBit/s direkt von der Wiesn ins mobile Internet zu gehen. Die Anbindung der Stationen erfolgt über Richtfunk und Mietleitungen. Kein Wort zu LTE. Auf Nachfrage vertritt Borm die Meinung, dass es viele User gar nicht interessiert, über welche Funknorm sie genau im Internet surfen. Hauptsache es funktioniert. Außerdem gibt er zu bedenken, dass sich die Mitbewerber den LTE-Spaß mit entsprechend hohen Gebühren vom User bezahlen lassen.

o2 verdreifacht LTE zur Wiesn 2013

Schon zur Wiesn 2012 hatte o2 die Kapazitäten vor Ort verdreifacht und war erstmals auch mit zwei LTE-Stationen an den Start gegangen. Wie Franz Erhart, Specialist Network Optimisation & Performance bei Telefónica Deutschland, ausführt, wird in diesem Jahr zwar bei der Telefonie mit einem ähnlich hohen Niveau wie im Vorjahr gerechnet. Bei der Nutzung mobiler Datendienste sei jedoch erneut eine Verdopplung im Vergleich zu 2012 zu erwarten. Aus diesem Grund habe o2 die Anzahl der 2G-, 3G- und 4G-Netzelemente mit über 40 Stück fast verdoppelt und diese auf 9 Standorte verteilt. Dazu gehörten allein sechs LTE-Stationen auf dem Festgelände - drei Mal so viele LTE-Stationen wie im Vorjahr.

Tatsächlich machten die O2-Mobilfunkschränke von Huawei bei einer Besichtigung Anfang September einen sehr modernen Eindruck. Man darf zur Wiesn 2013 auf gute o2-Connections gespannt sein. Der Verkehr aus dem o2-Hotspot werde über einen eigenen Glasfaserring auf dem Wiesn-Gelände geleitet und von dort - ebenfalls über Glasfaser - zu den "außenliegenden Konzentratoren bzw. BSC/RNC" von o2 abgeführt, erklärt Erhart.BSC steht für Base Station Controller und RNC für Radio Network Controller. Zusätzlich hat o2 aus Redundanzgründen eigene Richtfunk-Schüsseln auf der Wiesn 2013 installiert, und zwar neben dem Hippodrom und bei den Münchener Stadtwerken.

Telekom klotzt mit 10 LTE-Stationen

LTE hatte die Telekom 2012 noch nicht auf der Wiesn angeboten, wenngleich die 4G-Technologie - wie Tests zeigten - direkt auf dem Festgelände verfügbar waren. Beim Wiesn-Opening mit OB Christian Ude zog es im brechend vollen Schottenhamel-Festzelt beim weltberühmten O'zapfen immerhin knapp 10 MBit/s Download und knapp 4 MBit/s Upload bei Ping-Zeiten von 31 Millisekunden aus dem LTE-1800-Netz der Telekom.

Zur Wiesn 2013 gibt es auch innerhalb des Festgeländes erstmals eine starke LTE-Versorgung. Einzig E-Plus hat (bundesweit) noch nirgends LTE für echte Kunden freigeschaltet.
Foto: Harald Karcher

In diesem Jahr ist es nun ganz offiziell verfügbar: Die Telekom hat sogar innerhalb der Theresienwiese gleich auf zehn Standorten LTE montiert, auf acht GSM und ebenfalls auf zehn Positionen UMTS-Antennen installiert. Abgeführt wird der gesamte Hotspot-Traffic laut Pressemann Dr. Markus Jodl ausschließlich über das eigene Glasfasernetz der Telekom. Richtfunkschüsseln zur Redundanz nutzt die Telekom hier nicht. Das Vertrauen in das eigene Glasfaser-Netz scheint hoch zu sein. Immerhin sind die Fasern unter dem Festgelände gut im Boden vergraben.

Telekom koordiniert Mobilfunk-Masten

An der langen Westflanke der Wiesn ist uns 2013 erstmals ein Funkmast mit sogar fünf Antennenkränzen aufgefallen. Hier strahlen alle Antennen mit circa 180 Grad nur nach Osten in das Festgelände hinein.
Foto: Harald Karcher

Federführend für alle vier Mobilfunkbetreiber baute in den letzten Jahren jeweils die Deutsche Telekom im Vorfeld der Wiesn acht Mobilfunkmasten auf dem Festgelände auf. An den bis zu 15 Meter hohen Masten waren bislang je nach Bedarf bis zu vier Antennen-Kränze für die Mobilfunkstandards GSM und UMTS montiert, damit alle Handy-Typen die gängigen Sprach- und Datendienste nutzen können. Ab 2012 kamen die ersten LTE-Antennen dazu. Im September 2013 haben wir erstmals auch einen "fünfstöckigen" Masten gesehen. Damit baut die Telekom jedes Jahr die größte Mobilfunk-Sonderversorgung in ganz Deutschland auf. Der Mega-Hotspot für sechs Millionen Besucher könnte eine mittelgroße Stadt wie Augsburg oder Ingolstadt problemlos versorgen.

Auslandsgespräche boomen am Italiener-Weekend

Der Funkmast neben dem Hippodrom, am nördlichen Ende der Wiesn, strahlt in das Festgelände hinein.
Foto: Harald Karcher

Aus den Erfahrungen des vorherigen Jahres wissen die Netzplaner, wie sie die Antennen ausrichten müssen und wo sie mehr Kapazitäten brauchen. So werden zum Beispiel an einem einzigen Wiesn-Samstag allein im Netz der Telekom weit mehr als eine halbe Million Telefongespräche geführt und rund 300.000 SMS verschickt. Der Schwerpunkt sei auf der Wirtsgasse, bei den Eingängen und in den Festzelten zu messen. Das so genannte italienische Wochenende zur Wiesn-Halbzeit findet demnach auch im Mobilfunknetz statt: Ungefähr ein Drittel der zu Spitzenzeiten im Netz eingebuchten Handy-Nutzer führt erfahrungsgemäß an diesem zweiten Wiesn-Wochenende Auslands-Gespräche.

Der Mast Wiesn-Süd zwischen Kufflers Weinzelt und Käfers Schänke. Er strahlt rundum in alle Himmels-Richtungen auf das Festgelände.
Foto: Harald Karcher

Oberhalb der Flatrate-Grenzen bringen Auslandsgespräche und SMS-Nachrichten den Mobilfunkanbietern erhöhte Umsätze aus dem Oktoberfest. Kein Provider kann es sich leisten, seine Kunden auf dem Oktoberfest mit einem schlechten Service zu enttäuschen, denn hier wird der Mobilfunk auch zum Verabreden benötigt, vom privaten Flirten und Anbandeln via Handy bis hin zu Business-Terminen mit Besuchern aus aller Welt, die ja ebenfalls gerne auf die Wiesn verlegt werden.

Neben dem Mobilfunk wird auch das Festnetz zur Wiesn alle Jahre wieder ausgebaut. Ungefähr zehn Wochen vor dem Volksfest beginnen die Techniker, Leitungen unter die Böden der Festzelte zu legen. Hier kamen schon 2012 allein 20 Kilometer Kupferkabel zum Einsatz. Es wurden knapp 450 Telefon-, ISDN oder DSL-Anschlüsse geschaltet, die für Kassen, Medienanschlüsse oder Notrufleitungen benötigt wurden. Das Wachstum ist beim Festnetz aber nicht so stark wie beim Mobilfunk.

Einstellung der Antennen-Winkel

Die Mobilfunkantennen hinter dem Schottenhamel-Zelt schauen fast alle gen Osten in das Festgelände hinein. Zu viel Strahlung in Richtung Anwohner wird mit allen Mitteln vermieden.
Foto: Harald Karcher

Die meisten Mobilfunk-Antennen an den Masten stecken in Plastikgehäusen, die circa 1,30 Meter hoch sind. In den letzten Jahren sind auch kurze Antennen dazu gekommen. Die oberste Antenne hängt meist 15 Meter, die unterste etwa 10 Meter über dem Boden. Die genaue Einstellung der Antennenwinkel wurde an den Masten in den letzten Jahren laut Auskunft des Montageleiters zumeist lokal vorgenommen, also nicht ferngesteuert vom Rechenzentrum der Mobilfunk-Provider aus. "Da gibt es Ingenieure, die das berechnen, dann bekomme ich die Zahlen und die Winkel, und die müssen wir dann vor Ort einstellen". Moderne Mobilfunk-Antennen kann man auch elektronisch ferngesteuert drehen und kippen.

Gerade in den Eingangsbereichen entsteht grundsätzlich hoher Mobilfunkbedarf. Im Eingangsbereich des Weinzeltes etwa entsteht erfahrungsgemäß massiver Datenverkehr. Die Telekom neigt daher die UMTS-Antenne auf dem Masten neben Kufflers Weinzelt so, dass die Handys, die dort sind, optimal mit dem mobilen Internet versorgt werden. Man kann die UMTS-Antennen so bedarfsgerecht einstellen, dass man Brennpunkte in den Eingangsbereichen der Festzelte optimal versorgen kann.

Wenn wenige Leute telefonieren, wird die Leistung der Masten zurückgefahren, sagt ein Telekom-Sprecher. Wenn viele Leute Bedarf haben, wird die Leistung hochgefahren. Das wird automatisch über die Software im Rechenzentrum gesteuert. Das steht nicht in München. Der genaue Ort des "Mobilfunk-Nervenzentrums" bleibt geheim.

Backhaul via Glasfaser und Richtfunk

Damit die Oktoberfest-Besucher mit ihren Handys und Smartphones auch wirklich in das weltweite Internet, in das Telefon-Festnetz sowie in andere Mobilfunknetze kommen, müssen die Masten mit dem Rest der Welt verbunden werden. Zu diesem Zweck sind schon seit Jahren alle Funkmasten per Glasfaser angebunden. Und das geht so:

Anfang September kommen die Service-Techniker und spielen die aktuelle Software in die Schaltschränke ein. Hier ein Techniker vom o2-Dienstleister Huawei.
Foto: Harald Karcher

Am Fuße des Antennenmastes steht ein klimatisierter Metallcontainer mit einem Technikschrank. Hier enden die dicken, schwarzen Antennen-Kabel, die von den Mobilfunkantennen herunter kommen. Je länger das Kabel zwischen Schrank und Antenne ist, desto dicker muss es sein, sagt der Montageleiter, damit im Kabel möglichst wenig Dämpfungs-Verlust entsteht.

Etwa zweieinhalb Wochen arbeiten die Antennenbauer auf der Wiesn, bis alle Standorte fertig sind. Danach kommt die Telekom und schließt die Mobilfunkmasten über den Schaltschrank an ihr Glasfasernetz unter der Theresienwiese an. Die Telekom bindet ihre Mobilfunkantennen auf der Wiesn ausschließlich per Glasfaser an. Die anderen Betreiber ergänzen die Glasfaserstrecken zum Teil durch Richtfunkantennen. Vodafone nutzt zusätzlich auch Gigabit-Ethernet.

Software einspielen, Hotspot einschalten

Alle vier Netzbetreiber binden ihre Mobilfunk-Standorte auf dem Oktoberfest 2013 per Glasfaser an die Weitverkehrsnetze an.
Foto: Harald Karcher

Sobald die ganze Hardware wie etwa Antennen, Basisstationen, Stromversorgung und Klimaanlagen fertig montiert ist, kommen knapp zwei Wochen vor dem Wiesn-Start die Service-Techniker der Netzbetreiber, um aktuellste Software und Netzwerk-Konfigurations-Daten in die Anlagen einzuspielen.

Nach dieser Konfigurations-Einspielung sind die Hotspot-Anlagen im Prinzip fertig und können "auf Sendung" gehen. Dann haben die Netzwerk-Experten der Betreiber noch ein, zwei Wochen Zeit, um Qualitäts-Tests oder Optimierungen vor dem Festbeginn durchzuführen.

Kapazitäts-Planung und Qualitäts-Kontrolle

Der größte Mobilfunk-Hotspot der Nation muss jedes Jahr neu geplant und neu aufgebaut werden. In der Regel muss die Kapazität jedes Jahr vergrößert werden, weil immer mehr Menschen immer mehr Fotos und Videos direkt aus dem Oktoberfest per Mobilfunk aus ihren Smartphones in das Internet hochladen. Im März fangen die Netzplaner bei der Telekom und den anderen Mobilfunk-Providern immer schon mit den Berechnungen an und überlegen sich: Wie können wir den immensen Besucherandrang und die immensen Anfragen an die Mobilfunkdienste zur Wiesn überhaupt befriedigen? Das wäre mit den normalen Mobilfunkmasten auf den Dächern rings um das Oktoberfest niemals zu bewältigen.

In der Regel teilen sich jeweils drei Netzbetreiber einen Funkmast. An dessen Fußende hat dann jeder einen eigenen Stahlschrank stehen, oder ein eigenes Stahlhäuschen mit außenliegender Klimaanlage
Foto: Harald Karcher

Im Juni kommen die Bauleiter der Telekom. Sie beauftragen Partnerfirmen, die etwa Masten, Antennen und Schaltschränke aufbauen. Im August kommen die Monteure, die dann tatsächlich vor Ort aufbauen. Gleichzeitig überwachen die Servicetechniker der Telekom den Aufbau. Die überwachen die Funkanlagen auch noch während des Oktoberfestes: Verläuft der Mobilfunkverkehr auch wirklich reibungslos? Reichen die Kapazitäten aus? Sind die Antennen richtig eingestellt und richtig gedreht? Die Servicetechniker der Telekom ändern das im Zweifelsfalle auch noch während des laufenden Oktoberfestes.

Funkloch durch Absenkung der Nachbar-Antennen

Die Telekom-Antennen auf den Dächern rings um das Oktoberfest werden während des Volksfestes in ihrer Strahlungs-Reichweite abgesenkt, damit sie nicht in das temporäre Mobilfunknetz des Oktoberfestes hinein funken. Die Experten nennen das Vermeidung von Interferenzen. Dazu müssen aber schon seit einigen Jahren keine Monteure mehr auf die Dächer steigen. Die Antennen werden vielmehr elektronisch abgesenkt, aus dem entfernten Rechenzentrum der Telekom heraus. Genauer gesagt: Die UMTS-Antennen sind ferngesteuert elektronisch absenkbar, die GSM-Antennen dagegen nicht. Die GSM-Antennen sind viel unempfindlicher als die UMTS-Antennen, die kann man stehen lassen wie sie sind.

Zur Wiesn 2013 hängen diese beiden Richtfunkantennen OptiX RTN 600 38G-HP von Huawei für 37 bis 38 GHz unten am Nord-Mast, rechts neben dem Hippodrom-Festzelt. Sie kommunizieren mit nachgelagerten Netzabschnitten von O2.
Foto: Harald Karcher

Durch die elektronische Absenkung entsteht ein UMTS-Funkloch auf der Theresienwiese. Hier werden für die Zeit des Oktoberfestes neue Funkmasten aufgestellt, die mit wesentlich kleineren Zellen weitaus mehr Mobilfunkkapazität pro Quadratmeter zur Verfügung stellen, will sagen: viel mehr Menschen mit Telefonie, SMS und mobilem Internet versorgen können. So kann man ganz gezielt spezielle Bereiche innerhalb des Oktoberfestes, von denen man weiß, dass dort sehr viele Menschen sehr viel Mobilfunk benötigen, ganz besonders stark versorgen.

Beispielsweise versorgt eine Mobilfunkantenne am nördlichen Eingang des Oktoberfestes ganz gezielt den nördlichen Zugangsweg, auf dem erfahrungsgemäß extrem viel telefoniert wird. Weil die Leute, wenn sie gehen und wenn sie kommen, einen besonders hohen Mobilfunkbedarf haben, beispielsweise um sich zu verabreden.

Südwestlicher Hotspot-Ausschnitt: Der Funkmast Wiesn-Süd strahlt rundherum in alle Richtungen. Der Funkmast westlich vom Schottenhamel dagegen funkt vorzugsweise nach Osten in das Gelände hinein. Unten mittig schließt ein Techniker die dicken Kabel von den Antennen kommend an einen Ericsson-Schrank an. Links unten spielt ein Techniker von Huawei die Software in einen O2-Huawei-Schrank ein. (Karte: Wirtschaftsreferat München)
Foto: Harald Karcher

Die normalen UMTS-Funkzellen haben unterm Jahr in der Regel einen Durchmesser von 600 Metern, sagt Netzexperte Frank-Peter Käßler von der "Deutsche Telekom Netzproduktion GmbH" in München. Während des Oktoberfestes sind die Zellen auf der Theresienwiese sehr viel kleiner, haben aber sehr viel Leistung, sehr viel Kapazität. So können wir die vielen Menschen mit dem Mobilfunk versorgen. Das könnten wir mit den größeren Zellen niemals machen. Die großen Zellen werden während des Oktoberfestes allerdings nicht ausgeschaltet und auch nicht abgebaut, sagt ein Telekom-Sprecher: Wir ersetzen die großformatige Zellstruktur, die wir normalerweise auf der Oktoberwiese haben, durch eine sehr kleinformatige Zellstruktur. Die normalen Masten auf den Dächern versorgen aber nach wie vor das gesamte umliegende Stadtgebiet rund um die Theresienwiese. Nur die Wiesn selber wird in ein Funkloch verwandelt und mit einer sehr kleinformatigen Zellstruktur zusätzlich ausgestattet.

Trotz des enormen Datenwachstums musste die Telekom nicht jedes Jahr mehr Masten aufstellen. Es seien in den letzten Jahren aber immer mehr Antennen auf die Masten drauf gekommen und auch innerhalb der Antennen-Gehäuse gab es Kapazitäts-Reserven, die man durch intelligentes Technik-Management immer besser ausnutzen kann.

Das Wachstum lag in den letzten Jahren weniger bei GSM als bei UMTS. Der Grund: Es gibt mehr UMTS-Geräte bei den Kunden der Provider. Diese Geräte wählen sich per UMTS ein, obwohl sie eigentlich auch noch GSM könnten. Außerdem hat sich das Verhalten der Kunden geändert, sagt ein Telekomsprecher: Inzwischen ist es gang und gäbe, dass man ein Foto macht, und es in das Internet hoch lädt, und das ist Datenverkehr, dafür braucht man UMTS oder LTE.

Öffentliches WLAN auf dem Oktoberfest 2014?

Das Festgelände, die Theresienwiese, ist eine Liegenschaft der Stadt München. Die Stadtverwaltung kann bislang maximal 12 Mobilfunk-Standorte an die Mobilfunk-Netzbetreiber vermieten. Allerdings nur unter strengen Auflagen. So achtet das Münchener Referat für Gesundheit und Umwelt (RGU) auf die Einhaltung des so genannten 10%-Vorsorgewerts, der die Anwohner rund um die Theresienwiese vor zu hohen elektromagnetischen Immissionen durch die Mobilfunkanlagen schützen soll. Die direkten Anwohner sind den Immissionen des Mega-Hotspots ja mehr als zwei Wochen lang nonstop ausgesetzt, der normale Wiesn-Besucher dagegen meist nur für einige Stunden.

Alternative: Auch ein riesiger WLAN-Hotspot könnte die Versorgung mit mobilem Internet sichern.
Foto: Harald Karcher

Erstmals auf der Wiesn 2012 wurde das Münchener 10%-Kriterium laut RGU am Immissions-Messpunkt "Theresienhöhe 10" zeitweilig überschritten. Ein weiterhin rasantes Wachstum des Datenverkehrs trägt nicht zur Verbesserung der Strahlungswerte bei, sofern am bisherigen Hotspot-Konzept nicht viel geändert wird. Denn grob gesagt gilt: Je mehr Sprach- und Daten-Traffic, desto stärker die Mobilfunkstrahlung.

Die Netzbetreiber arbeiten deshalb an einem neuen Konzept mit über 40 Mobilfunk-Stationen, die alle über ein neues Glasfasernetz untereinander verbunden werden sollen. Es kann aber frühestens zur Wiesn 2014 realisiert werden und muss natürlich ebenfalls das Münchener 10%-Kriterium einhalten.

Von diesen neuen Plänen hat auch der Münchener CSU-Stadtrat Dr. Georg Kronawitter erfahren und Anfang Juli einen Antrag gestellt, den Aufbau eines öffentlichen WLANs auf dem Oktoberfest als Alternative zur weiteren Mobilfunk-Ausbauoffensive zu prüfen. Seine Begründung: Die heutige Überlastung komme nicht durch die Mobilfunkgespräche, sondern durch die mobilen Internetanwendungen zustande, welche viel passender über WLAN versorgt werden könnten.

Ob solche Gedankengänge auch allen Mobilfunkbetreibern und deren Ausrüstern Alcatel, Ericsson, Huawei und Nokia Solutions and Networks gefallen, steht zu bezweifeln. Professionellen WLAN-Ausrüstern mit robustem Outdoor-Equipment dagegen könnte mit einem solchen Technik-Wechsel ein unverhofftes WLAN-Großprojekt mit einem höchst vorzeigbaren Referenz-Charakter ins Haus flattern. Die meisten Smartphones, Phablets und Tablets haben ja eh schon WLAN-11n, einige Topmodelle sogar "Gigabit-WLAN" IEEE.802.11ac an Bord. (mb)