Open Source

Deutschland und Frankreich hängen Amerika ab

24.07.2008 von Wolfgang Herrmann
Europäische Unternehmen nutzen Open-Source-Software intensiver und sorgen sich weniger um Sicherheitsaspekte als Anwender in Nordamerika.

Geht es um den professionellen Einsatz quelloffener Systeme, liegt Frankreich im internationalen Vergleich einsam an der Spitze. Zu diesem Ergebnis kommt Forrester Research in einer Studie. 24 Prozent der von den Marktforschern befragten französischen Unternehmen verwenden bereits Open-Source-Software. Weiter 15 Prozent fahren Pilotprojekte oder planen dies innerhalb der nächsten 12 Monate. Deutsche Unternehmen liegen mit einem Einsatzgrad von 21 Prozent auf Platz zwei, gefolgt von den Vereinigten Staaten und Kanada mit jeweils nur noch 17 Prozent (siehe Grafik).

Was gegen Open Source spricht

Französische und deutsche Unternehmen sind in Sachen Open Source weiter als nordamerikanische Anwender.

Die Forrester-Analysten Jeffrey Hammond und Diego Lo Giudice betonen einen weiteren interessanten Unterschied, der sich auch in Interviews auf der Fachkonferenz IT Forum Emea 2008 in Lissabon gezeigt habe: Europäische Unternehmen sorgen sich demnach weniger um Sicherheitsaspekte und mögliche rechtliche Probleme beim Open-Source-Einsatz als IT-Verantwortliche in Nordamerika. "Wir haben einfach noch keine erfolgreiche Klage gesehen, die solche Befürchtungen rechtfertigen würde", zitiert Forrester einen IT-Manager (siehe auch: SCO scheitert mit Klagen). Auch das von Kritikern oft ins Feld geführte Argument, mit dem Offenlegen des Quellcodes würden Sicherheitsattacken erleichtert, beunruhigt europäische Anwender weniger als amerikanische. Rund 45 Prozent der Unternehmen auf dem alten Kontinent äußerten diesbezüglich Bedenken. Unter den nordamerikanischen Befragten lag der Wert bei 71 Prozent.

Knackpunkt Support

Den Knackpunkt beim Open-Source-Einsatz sehen europäische Entscheider eindeutig im verfügbaren Support. Mehr als die Hälfte der Studienteilnehmer bezeichnete diesen Aspekt als sehr wichtig. Für professionelle Unterstützung würden die meisten IT-Verantwortliche gerne bezahlen, vorausgesetzt der Wert der Support-Dienste lasse sich messen. Knapp fünfzig Prozent der Unternehmen haben laut eigenen Angaben bereits Geld für interne Supportmaßnahmen ausgegeben. Laut Forrester handelt es sich dabei vor allem um solche Organisationen, die Open-Source-Software nicht nur als Betriebssystem- oder Web-Server-Alternativen einsetzen sondern auch quelloffene Anwendungs-Plattformen, Entwicklungs-Tools und Infrastruktur-Dienste nutzen.

Noch immer gelingt es den Protagonisten zu selten, ein Bewusstsein für den Open-Source-Einsatz zu schaffen, führen die Marktforscher weiter aus. Der Grund: Quelloffene Software kommt oft über Hintertüren in die Unternehmen, beispielsweise als Bestandteil kommerzieller Produkte oder über Systemintegratoren (siehe dazu: Die Zukunft von Open Source). Viele IT-Verantwortliche und Business-Manager wüssten gar nicht, in welchen Umfang Open-Source-Systeme bereits im Einsatz sind. Abhilfe könnte mehr internes Marketing schaffen. Dabei gelte es insbesondere, Fachverantwortlichen den wirtschaftlichen Nutzen quelloffener Systeme klar zu machen.

Wie sich Open Source ausbreitet

Dessen ungeachtet verbreitet sich Open-Source-Software in immer mehr Bereichen der Unternehmens-IT. Forrester beschreibt typische Einsatzmuster anhand eines mehrstufigen Prozesses. In der ersten Phase nutzen Anwender demnach vor allem Betriebssysteme wie Linux und HTTP-Server wie Apache. Nach ersten Erfolgen weiten sich die Einsatzgebiete auf höhere Ebenen des "Application Platform Stack" aus. Dazu gehören Infrastrukturkomponenten wie Application Server und Entwicklungs-Tools, die häufig als Bestandteil von Standardsoftware-Paketen geliefert werden. Etliche Unternehmen befinden sich bereits in der dritten Entwicklungsstufe; sie ersetzen beispielsweise kommerzielle Datenbanken und Content-Management-Systeme durch Open-Source-Alternativen wie MySQL oder Alfresco. Auch das quelloffene BI-System Spago (BI = Business Intelligence) kommt dabei zum Einsatz.

Open Source wird Mission Critical

Sowohl in der Softwareentwicklung als auch im klassischen IT-Betrieb sehen Verantwortliche Open-Source-Produkte mittlerweile als strategisch an, so ein weiteres Ergebnis der Studie. Diese Aussagen belegen eine Reihe von SAP-Migrationsprojekten auf Linux-Server. Häufig lösen Unternehmen dabei etablierte Unix-Derivate ab (siehe dazu: Linux erobert Rechenzentren). Weniger überraschend erscheint die Beobachtung, dass viele Programmierer auf quelloffene Entwicklungsumgebungen wie Eclipse oder Subversion zurückgreifen. Im Kommen sind Forrester zufolge aber auch Testing-Werkzeuge aus der Community, darunter beispielsweise Selenium oder FitNesse. Im Bereich Integration und SOA erwägen Unternehmen auch den Einsatz quelloffener Varianten eines Enterprise Service (ESB). Auch Portal Server wie Liferay spielen in den Plänen eine Rolle.

Kosten senken mit Open Source

Der wichtigste Grund für den Open-Source-Einsatz liegt in den erhofften Kosteneinsparungen. An diesem Punkt deckt sich die Forrester-Analyse mit zahlreichen anderen einschlägigen Untersuchungen. Für die Befragten spielen dabei gängige Middleware-Komponenten eine besondere Rolle. Durch den Austausch eines kommerziellen Application Server durch JBoss etwa hat ein IT-Manager eigenen Angaben zufolge 900.000 Euro in einem Zeitraum von drei Jahren gespart. Auch die Migration von mehreren Unix-Versionen auf eine einheitliche Linux-Distribution kann finanzielle Vorteile bringen. In einem Fall habe ein Unternehmen damit die Administrationskosten halbiert, berichten die Analysten.

Konsumieren statt beitragen

Trotz solcher Vorzüge haben die wenigsten Unternehmen den Community-Gedanken hinter der Open-Source-Entwicklung verinnerlicht. Vor allem große IT-Organisationen konsumierten zwar teilweise in erheblichem Umfang quelloffene Software, beobachtet Forrester. Doch nur ein sehr geringer Anteil gebe der Open-Source-Gemeinde auch eigenentwickelten Code zurück. Für solche Großanwender ständen andere Aspekte im Vordergrund, beispielsweise der Aufbau interner Support-Teams oder verlässliche Vereinbarungen mit Integrationspartnern.

Desktop-Migration bleibt schwierig

Das Thema Open-Source auf Desktop-Systemen bereitet professionellen Anwender nach wie vor Kopfzerbrechen. In den wenigen bekannten Umstellungsprojekten hätten die Verantwortlichen häufig mit Problemen zu kämpfen, so die Forrester-Experten. So habe sich etwa die Umstellung von Microsoft-Productivity-Werkzeugen auf quelloffene Alternativen schwieriger gestaltet als angenommen, berichtete ein IT-Verantwortlicher eines Großunternehmens. Trotzdem wagen sich viele lokale und staatliche Behörden in Europa mittlerweile auch an Desktop-Migrationen. Ein prominentes Beispiel liefert das Linux-Projekt der Stadt München. Forrester führt diese Entwicklung auch auf Forderungen der EU-Kommission nach einem verstärkten Einsatz von Open-Source-Software zurück.