"Deutschland ist Spam-Land Nummer eins"

31.03.2006
Auf der Konferenz "Search Engine Strategies" beanspruchten die globalen und lokalen Player jeweils die besten Suchergebnisse für ihren Service. Eine wesentliche Rolle spielt dabei die Abwehr von Spam.
Kein Content, viel Werbung und Affiliate-Links: der Betreiber müsste sich nicht wundern, wenn seine Site als Spam eingestuft würde.

Der kurzzeitige Ausschluss von BMW.de aus dem Suchindex von Google (siehe: "Google-Bann gegen BMW: weitere deutsche Firmen gefährdet") schreckte die deutsche Szene der Suchmaschinenoptimierer auf, die bis dahin auch unerlaubte Techniken unbehelligt einsetzen konnte. Entsprechende Aufmerksamkeit erhielt das Thema Spam auf der diesjährigen Konferenz für Online-Marketing und Suchmaschinenoptimierung, der "Search Engine Strategies". Die spektakuläre Maßnahme von Google zeigt, dass für Suchmaschinen die Abwehr von manipulierten Seiten mittlerweile zu einem kritischen Faktor im Wettbewerb um relevante Ergebnisse geworden ist. Den Teilnehmern einer Podiumsdiskussion fiel es allerdings schwer, das Phänomen klar zu definieren. Stefan Karzaunikat von der deutschen Seekport GmbH nannte einige Kriterien, anhand derer sich solche Manipulationsversuche erkennen lassen. Dazu zähle in erster Linie die Absicht, das Suchmaschinenranking einer Site bewusst zu beeinflussen. Dies äußere sich unter anderem darin, dass nicht primär dem Besucher mit interessanten Inhalten gedient werden soll, sondern dass die Platzierung in den SERPs (=Search Engine Result Pages) im Vordergrund stehe.

Google hält die Seite indes für ziemlich relevant.

Derartige Beschreibungen des Phänomens machen indes die Abgrenzung von Spam und zulässiger SEO (Search Engine Optimization) schwierig. Entsprechend lapidar bezeichnete der amerikanische Guru der Suchmaschinenszene und Betreiber von SearchEngineWatch.com, Danny Sullivan, Spam als "das, was die Suchmaschine darin sieht". Eine technische Definition der Manipulationen sei nicht möglich, obwohl alle großen Anbieter eine Liste unerlaubter Methoden veröffentlichen. Allerdings führten Cloaking, Doorway Pages oder Keyword Stuffing, wie gebräuchliche Tricks heißen, nicht immer zum Löschen aus dem Index von Google, Yahoo & Co. Vielmehr versuchten diese zu bewerten, ob sich dahinter unlautere Absichten verbergen. Besonders große Sites hätten laut Sullivan in der Regel gute Chancen, ungeschoren davonzukommen. Die Suchmaschinen wägen angeblich zwischen dem Abschreckungseffekt eines Ausschlusses und dem möglichen Schaden ab, den ein solcher für die Suchergebnisse verursacht. Wenn nämlich bei der Suche nach BMW der bayerische Autobauer nicht mehr in den Ergebnissen auftauche, dann betrachte der Nutzer diese als irrelevant. Daher habe Google BMW.de nach dem publikumswirksamen Rausschmiss bereits nach 72 Stunden wieder in den Index aufgenommen.

Chance für lokale Anbieter?

Die lange Vernachlässigung von Suchmaschinen-Spam auf nicht-englischsprachigen Sites durch Google gilt als ein Grund, warum sich manipulative Praktiken hierzulande außerordentlich stark verbreitet haben. Yuri Narciss von der Google-Niederlassung in Hamburg bezeichnete Deutschland als die Nummer eins bei Suchmaschinen-Spam. Der mit über 80 Prozent Anteil überlegene Marktführer verfüge mittlerweile über entsprechende personelle Ressourcen, um das Phänomen effektiv zu bekämpfen. Diese Aussage überraschte insofern, als Google im Gegensatz zur Konkurrenz manuelle Eingriffe in die Suchergebnisse ablehnt und angeblich nur auf algorithmische Verfahren setzt. Lokale Anbieter wie Seekport oder Neomo, die sich heuer wie bereits im letzten Jahr als neue Player präsentierten, sehen in ihren Redaktionen einen Konkurrenzvorteil gegenüber dem amerikanischen Schwergewicht. Neomo-CTO Stefan Fischerländer warf in die Waagschale, dass er die heimische SEO-Szene besonders gut kenne und sich daher besser auf ihre Tricks einstellen könne. Allerdings scheinen die Praktiken der heimischen Spammer nicht so sehr von denen ihrer Kollegen in anderen Ländern abzuweichen. Bestimmte Trends, wie etwa der Missbrauch der Wikipedia, erfreuen sich da wie dort großer Beliebtheit. Laut Karzaunikat greift die Praxis immer mehr um sich, Inhalte aus der freien Enzyklopädie maschinell abzusaugen und auf Seiten zu platzieren, die mit Werbeanzeigen ausstaffiert sind.

Auch abgesehen von der Spam-Bekämpfung gelang es den anwesenden Vertretern heimischer Suchmaschinen kaum, ihre immer wieder beschworenen Vorteile als ortsansässige Player glaubhaft zu machen. So reklamiert die Telekom-Tochter T-Info für ihren kürzlich in einer Alpha-Version gestarteten lokalen Dienst suchen.de einen Vorsprung gegenüber den global agierenden Konkurrenten. Paradoxerweise setzt aber Yahoo für seine lokale Suche das der Telekom gehörende Branchenverzeichnis "Das Örtliche" ein, während suchen.de im HTML-Salat von deutschen Websites nach allem stochert, was wie eine Adresse aussieht.

David Radicke von web.de versuchte sich als weiterer Lokalmatador von der amerikanischen Wettbewerb abzugrenzen, indem er die Suche zu einer nachgeordneten Funktion seiner Sites erklärte. Besucher kämen etwa über Web- und Mail-Hosting-Dienste auf das 1&1-Portal oder die Seiten von GMX, von wo sie über die Suchmaschine weitere Inhalte erschließen können. Was sich sonst als neue Player im deutschen Markt präsentierte, waren Unternehmen aus den angelsächsischen Ländern, die ihre Software teilweise noch nicht einmal übersetzt haben. Dazu zählten neben Trexy, das gar keine eigene Suchmaschine bietet, vor allem ask.com, das sich zum Ziel gesetzt hat, gegenüber den großen Drei Google, Yahoo und MSN aufzuholen.

Ein Markt wie jeder andere

Die führenden amerikanischen Firmen räumen nationalen Eigenheiten trotz gelegentlich anders lautender Aussagen keinen besonderen Stellenwert ein. Unterschiede gehen oft auf abweichende gesetzliche Vorschriften zurück, wie etwa jene, dass hierzulande die Veröffentlichung von Nazi-Inhalten verboten ist und daher zusätzliche Filter nötig sind. Ansonsten erhält der deutsche Markt mit einiger Verspätung all jene Features, die in den USA bereits verfügbar sind. Der Wettbewerb besteht vor allem darin, wie schnell die großen Drei ihre Dienste auf die hiesigen Verhältnisse übertragen können. Volker Glaeser von Yahoo Deutschland reklamierte dabei einen Vorsprung seines Unternehmens, weil es in Zusammenarbeit mit dem "Örtlichen" bereits seit einiger Zeit eine lokale Suche zur anbietet. Das Unternehmen stellte auch eine baldige Ankunft der Cummunity-Services "360 Grad" in Aussicht. Google möchte deutsche Varianten von "Base" und "Local" anbieten, nannte dafür aber keinen Termin. Der Branchenprimus beschränkte sich auf die Ankündigung von neuem, hoch auflösenden deutschen Kartenmaterials in Google Earth, das seit letzter Woche verfügbar ist. (ws)