Studenten ohne Unternehmergeist

Deutschland fehlen die Gründer

23.09.2012 von Alexandra Mesmer
Studium und dann Festanstellung, das wünschen sich die meisten deutschen Studenten. Die Lust, eine Firma zu gründen, hält sich hierzulande in engen Grenzen. Im internationalen Vergleich ist Deutschland damit auf den vorletzten Platz, so eine aktuelle Studie.

Deutschlands Studenten scheuen das Unternehmertum: Lediglich sieben Prozent können sich vorstellen, nach dem Studium ein Unternehmen zu gründen, ein bestehendes Unternehmen zu übernehmen oder freiberuflich zu arbeiten. Stattdessen zieht es die Studenten in den sicheren Hafen einer abhängigen Beschäftigung: 78 Prozent der angehenden Akademiker wollen als Angestellte oder Beamte arbeiten. Zu dem Ergebnis kommt eine Studie, für die das Center for Family Business der Universität St.Gallen mit der Beratung Ernst & Young 93.000 Studenten - davon 12.500 in Deutschland - nach ihren Karriereabsichten und ihrer Haltung zu Selbständigkeit befragte.

Selbständig aus Mangel an Alternativen

Damit ist Deutschland im internationalen Vergleich Schlusslicht. Nur in Pakistan und Belgien planen noch weniger Studenten (drei beziehungsweise fünf Prozent) eine Unternehmensgründung. Den vorletzten Platz teilt sich Deutschland mit Japan und der Schweiz. "Für die wirtschaftliche Zukunft Deutschlands ist das ein deutliches Warnsignal", kommentiert Peter Englisch, Partner bei Ernst & Young. "Ohne die Impulse der Jungunternehmer leidet die Innovationskraft - und damit der hart erarbeitete Standortvorteil Deutschlands."

Ein eigenes Unternehmen wollen nur die wenigsten deutschen Studenten gründen, in Großbritannien ist das ganz anders.
Foto: Butch - Fotolia.com

Die geringe Neigung zur Selbständigkeit scheint ein Problem aller deutschsprachigen Länder zu sein: In Österreich wollen nur acht Prozent der befragten Studenten an ihr Studium eine unternehmerische oder freiberufliche Tätigkeit anschließen. Ganz anders die Lage in Großbritannien: Hier planen 15 Prozent der Studenten, nach ihrem Abschluss unternehmerisch tätig zu werden, in Irland liegt der Anteil sogar bei 16 Prozent. "In den angelsächsischen Ländern genießt das Unternehmertum traditionell ein höheres Ansehen als in Deutschland", erklärt Thomas Zellweger, Professor an der Universität St. Gallen. Sehr gründungsfreudig sind außerdem Studenten aus Südafrika (13 Prozent), Mexiko (16 Prozent) und Argentinien (23 Prozent). Durchschnittlich wollen weltweit elf Prozent der Studenten direkt nach Studienabschluss ein Unternehmen gründen, 68 Prozent planen einen Berufseinstieg als Angestellte oder Beamte.

Deutliche Unterschiede gibt es bei Studenten unterschiedlicher Fachrichtungen. In Deutschland sind Sozial- und Geisteswissenschaftler noch am ehesten zum Sprung in die Selbständigkeit bereit (sieben Prozent). Von den Wirtschaftswissenschaftlern kann sich hingegen nur jeder Zwanzigste vorstellen, diesen Schritt zu wagen: "Das liegt nicht zuletzt daran, dass Sozial- und Geisteswissenschaftler oft schlechtere Chancen auf eine Festanstellung haben als ihre Kommilitonen aus den Natur- und Wirtschaftswissenschaften", so Zellweger. "Dabei müssten sich doch gerade angehende Ökonomen für unternehmerisches Handeln interessieren. Hier gibt es noch erhebliches Potenzial".

Die meisten Studenten zieht es in große Unternehmen

Direkt nach dem Studium streben 29 Prozent der deutschen Studenten in kleine und mittlere Unternehmen (KMU, bis 250 Mitarbeiter). Große Unternehmen liegen in der Beliebtheitsskala fast gleichauf (27 Prozent). Mittelfristig halten die Studenten diese Firmen aber für die bessere Wahl. Sie wurden danach befragt, was sie fünf Jahre nach ihrem Abschluss beruflich anstreben. Das Ergebnis: 24 Prozent wollen in einem Großunternehmen Fuß fassen, die KMU sind dann nur noch für 12 Prozent attraktiv: "Der Mittelstand muss aufpassen, dass er nicht ins Hintertreffen gerät", gibt Ernst&Young-Manager Englisch daher zu bedenken. "In mittelständischen Unternehmen können Mitarbeiter oft früh viel Verantwortung übernehmen und Gestaltungsspielräume nutzen. Zudem bieten sich guten Mitarbeitern teilweise raschere Aufstiegschancen. Wenn es den Mittelständlern nicht gelingt, den Studenten dies zu vermitteln, werden die großen Unternehmen zunehmend die besten Arbeitskräfte abschöpfen."

toparbeitgeber
Vorhang auf für....
....die 30 beliebtesten IT-Arbeitgeber 2012. Über 7000 Examensnahe Informatikstudenten aus ganz Deutschland haben für das diesjährige Trendence Graduate Barometer abgestimmt, das der CW exklusiv vorliegt.
Platz 26: ProSiebenSat1 Media AG
Medienkonzerne sind insbesondere unter angehenden Informatikerinnen beliebt. ProSiebenSat1 teilt sich den 26 Platz mit folgenden drei Unternehmen....
Nvidia...
einer der größten Entwickler von Grafikprozessoren und Chipsätzen für Computer und Spielkonsolen, ist ebenfalls auf Platz 26 gelandet ( Vorjahr Platz 27).
Das Deutsche Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz...
hat sich auch in diesem Jahr in den Top 30 behauptet. Forschungseintrichtungen ziehen insbesondere die 25 Prozent Besten eines Jahrgangs an.
Platz 25: Max-Planck-Gesellschaft
Sie gehört für IT-Studenten zu den ersten Adressen, wenn es um Innovation geht.
Platz 24: Lufthansa Systems AG
Stefan Hansen, Vorstandsvorsitzender der Lufthansa Systems AG, kann zufrieden sein: Sein Unternehmen hat es als einer der wenigen IT-Dienstleister unter die Top 30 geschafft.
Platz 22: EADS
Der Konzern mit seinen Töchtern Airbus, Eurocopter, EADS Astrium und EADS Defence & Security konnte seinen Platz im Vergleich zu 2011 behalten.
Platz 21: Adobe
Der US-amerikanische Softwarehersteller ist insbesondere für sein Bildbearbeitungsprogramm Photoshop bekannt. Bekannte Produkte überzeugen den IT-Nachwuchs.
Platz 20: Daimler/ Mercedes Benz
Daimler ist einer von insgesamt fünf deutschen Automobilherstellern, die in der Top 30 vertreten sind. Nach der IT ist die Automobilindustrie die Branche, in der Informatiker am liebsten arbeiten möchten.
Platz 19: Electronic Arts
Neben Autos locken den IT-Nachwuchs auch noch Computerspiele. Spielehersteller Electronic Arts verlor aber im Vergleich zum Vorjahr vier Plätze.
Platz 17: Intel
Der Chiphersteller teilt sich in diesem Jahr den Platz mit dem....
...Bundesnachrichtendienst
2011 schnitt der BND, der viele offene Stellen für IT-Spezialisten hat, noch um sechs Plätze besser ab.
Platz 15: Bosch Gruppe
Das Unternehmen, das den weltgrößten Automobilzulieferer Robert Bosch und 300 Tochterfirmen umfasst, hat im Vergleich zum Vorjahr fünf Plätze im Ranking gut gemacht.
Platz 13: Volkswagen
Der VW-Konzern ( hier im Bild die Autostadt in Wolfsburg) stieg in der Gunst des IT-Nachwuchses, und zwar um fünf Plätze.
Platz 13: Porsche
Die VW-Tochter ist seit Jahren als Arbeitgeber unter IT-Studenten äußerst beliebt.
Platz 12:Crytek
Spielehersteller Crytek war 2011 der größte Aufsteiger im Ranking der beliebtesten IT-Arbeitgeber und konnte seine Top-Platzierung fast halten.
Platz 11: Amazon
Eine der wenigen Internet-Firmen, die es unter die Top 30 geschafft haben.
Platz 10: BMW
Attraktive Produkte = attraktiver Arbeitgeber. Diese Gleichung scheint auch für den bayerischen Autobauer aufzugehen.
Platz 9: Siemens
Deutschlands größter Konzern war noch vor zehn Jahren der beliebteste Arbeitgeber der Informatikstudenten. Seitdem verliert er jedes Jahr einen oder mehr Plätze. 2011 belegte er Platz 7.
Platz 8: Fraunhofer Gesellschaft
Der IT-Nachwuchs will forschen. Darum ist die Fraunhofer Gesellschaft mit ihren zahlreichen Instituten - hier im Bild der für den Fußball entwickelte RedFIR Chip- eine feste Größe unter den Top Ten.
Platz 8: Fraunhofer Gesellschaft
Der IT-Nachwuchs will forschen. Darum ist die Fraunhofer Gesellschaft mit ihren zahlreichen Instituten - hier im Bild der für den Fußball entwickelte RedFIR Chip- eine feste Größe unter den Top Ten.
Platz 6: Audi
Die Ingolstädter, für angehende Ingenieure längst Arbeitgeber Nummer eins, werden auch unter Informatikstudenten immer beliebter. Von acht auf Platz sechs in diesem Jahr.
Platz 5: IBM
Martina Koederitz, IBM-Deutschland-Chefin, kann sich dieses Jahr nicht so recht freuen: IBM büßte den zweiten Platz des Vorjahres ein und rutschte drei Plätze ab.
Platz 2: Microsoft Deutschland...
...hier die Zentrale in Unterschleißheim, heißt der Aufsteiger des Jahres. Um zwei Plätze verbesserte sich die Gates-Company, die weltweit 2000 neue Stellen schaffen will.
Doch die meisten Informatikstudenten...
...wollen wie schon seit vier Jahren.....
....bei Google arbeiten.
23,5 Prozent der Stimmen vereinte Google auf sich und damit mehr als doppelte soviel wie der Zweitplatzierte Microsoft.
Ob es an solchen Büros liegt?

Starke Konzerne als Gründungshemnis

Mittelfristig gilt die Selbständigkeit als das attraktivste Berufsmodell: 43 Prozent der Studenten weltweit wollen fünf Jahre nach ihrem Abschluss ihr eigener Chef sein. Stark unternehmerisch orientiert sind Studenten aus Mexiko (60 Prozent) und Argentinien (54 Prozent). Ganz anders die Situation in Deutschland, Österreich und der Schweiz: Hier kann sich nur etwa jeder Vierte vorstellen, nach fünf Jahren selbständig zu sein. "Die hohe Neigung der deutschen Studenten zur abhängigen Beschäftigung liegt nicht zuletzt in der Qualität und Attraktivität der deutschen Unternehmen begründet", erklärt Englisch. "In Deutschland gibt es zahlreiche weltbekannte Konzerne mit starken Marken, die eine hohe Anziehungskraft auf Uniabsolventen ausüben und diese auch massiv umwerben. Die Stärke der deutschen Konzerne erweist sich somit zugleich als Herausforderung für Deutschland: Eine Karriere bei einem der großen Autobauer ist für viele Ingenieure ungemein verlockend - da stellt man die eigene Geschäftsidee schnell hintan", beobachtet Englisch. In vielen anderen Ländern machen sich junge Menschen hingegen vor allem aus Mangel an Alternativen selbständig. "Deutsche Studenten stehen weniger unter Druck - sie haben auch als Angestellte gute Karten", so Englisch.

gehälter
Die Verdienstchancen für Hochschulabsolventen...
untersuchte die Personalvermittlung Alma Mater auch 2012. Für ihre Gehaltsstudie hat sie über 1000 Arbeitgeber befragt und über 6.300 Gahaltsdaten von akadamischen Nachwuchskräften ausgewertet.
Besonders die Fahrzeugindustrie...
bietet dem akademischen Nachwuchs beste Verdienstperspektiven: Dort steigen Hochschulabsolventen mit durchschnittlich 46.000 Euro im Jahr ein.
Auch der Maschinenbau...
zahlt überdurchschnittlich, und zwar im Schnitt 45.000 Euro im Jahr für Hochschulabsolventen. Ein einenso hohes Gehalt winkt in der Elektrotechnikindustrie.
Im Öffentlichen Dienst...
...ist der Verhandlungsspielraum durch die strikte Bindung an Tarifverträge gering. Hier beginnen IT-Absolventen mit knapp 38.000 Euro im Jahr. Auch die Art der Hochschule ( Universität oder Fachhochschule) beeinflusst die Höhe des Gehalts.
Die Medien....
...sind bei vielen Absolventen beliebt, gehören aber zu den Branchen, die Berufseinsteiger am schlechtesten vergüten. Das durchschnittliche Einstiegsgehalt liegt bei 33.000 Euro im jahr, Trainees erhalten sogar nur 25.000 Euro.
Auch die Tourismusindustrie...
..gehört zu den Flopbranchen in Sachen Einstiegsgehälter: 26.000 Euro erhält ein Hochschulabsolvent im Marketing, als Trainee sind es sogar nur 10.000 Euro.
In Niedersachsen, hier die Autostadt Wolfsburg,...
können Hochschulabsolventen ein durchschnittliches Einstiegsgehalt von über 42.000 Euro erwarten. Das liegt auch daran, dass hier große Konzerne wie VW angesiedelt sind, die sehr gut zahlen.
Auch Schleswig-Hostein, hier das Holstentor in Lübeck,...
kommt in der Alma Mater-Studie gut weg. Auch hier liegt das Einstiegsgehalt über 42.000 Euro. Kommentar: In dieser Region haben viele große Firmen mitgemacht, die besser bezahlen als kleinere Betriebe.
Gut lachen haben Berufseinsteiger auch in Bayern..
...hier gibt es nicht nur viele Jobs, sondern auch ein Einstiegsgehalt von 42.613 Euro. Masterabsolventen werden in Bayern...
..und Baden-Württemberg...
am besten bezahlt. Im Ländle kommen Masterabsolventen auf knapp 44.000 Euro und überrunden damit sogar die Diplomierten.
In Frankfurt am Main....
werden Absolventen mit Master und Diplom auch sehr gut bezahlt, und zwar mit durchschnittlich 42.600 Euro.
In Bremen....
sind diese Abschlüsse dagegen nur gut 40.000 Euro wert. Allerdings sind die Unterschiede zwischen den Regionen nicht mehr so groß wie früher.
Mit einem Masterabschluss....
verdienen Hochschulabsolventen im Schnitt 2000 Euro mehr als mit einem Bachelor. 38 Prozent der befragten Firmen suchen vermehrt nach Masterabsolventen.
Das Diplom...
...ist trotz Bologna-Reform immer noch gefragt und mit durchschnittlich knapp 41.000 Euro fast so gut vergütet wie ein Master-Abschluss (41.311 Eur0)..
Ein Praktikum...
ist in einigen Firmen immer noch unbezahlt, aber im Schnitt gibt 605 Euro im Monat für Praktikanten und 675 Euro im Monat für eine Abschlussarbeit.
Große Unternehmen....
zahlen besser. das Einstiegsgehalt in Konzernen liegt im Schnitt bei über 44.000 Euro im Jahr.
In kleinen Firmen....
können Einsteiger nur etwa 36.000 Euro erwarten.
Hochschulabsolventen...
...sind auch in Zukunft weiter gesucht. Vor allem Absolventen mit Bachelor, Master oder Diplom sind begehrt.

Eine wichtige Grundlage für das Unternehmertum ist der Impuls zur Eigenverantwortung. Weltweit ist es den Studenten, die ein Unternehmen gründen wollen, überdurchschnittlich wichtig, ihr eigener Chef zu sein. Deutsche Studenten ziehen ihre berufliche Motivation stärker aus anderen Zielen: Sie möchten ihre Träume verwirklichen, Herausforderungen meistern und sich ein höheres Einkommen sichern. Gesellschaftliche Ziele, die Orientierung an persönlichen Vorbildern oder gar an Familientraditionen sind hingegen weniger entscheidend.

Hochschulen als Gründungshelfer

Damit in Deutschland mehr Studenten zu Gründern werden, sieht Berater Englisch die Hochschulen in der Pflicht: "Sie können sehr viel dazu beitragen, Studenten in ihren Gründungsplänen zu unterstützen oder den Gründergeist erst zu wecken". Da besteht aber offenbar noch Nachholbedarf: So fordern jeder zweite Student Seminare zur konkreten Unternehmensplanung, doch nur 39 Prozent der Befragten geben an, dass ihre Hochschulen solche Seminare im Angebot hätten. Mentoring- und Coaching-Programme sind für 52 Prozent der Studenten interessant, doch nur in 29 Prozent der Fälle werden sie fündig.

Dieses Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage betrifft auch die wichtigste Hürde zur Selbständigkeit - den mangelnden Zugang zu Finanzmitteln und das finanzielle Risiko. Kontakte zu Investoren glauben allerdings nur 18 Prozent der Befragten an ihren Hochschulen zu erhalten, finanzielle Unterstützung sogar nur sieben Prozent - obwohl 52 Prozent der deutschen Studenten sich entsprechende Möglichkeiten wünschen. "Helfen könnten spezielle Informationsveranstaltungen, aber auch Stipendien oder Preise für überzeugende Starter-Konzepte", schlägt Zellweger vor. "Dass Universitäten aber großflächig Gründer finanziell unterstützten, ist kaum realisierbar."