IT-Organisation

Deutsche IT-Organisationen kranken am Utility-Syndrom

10.03.2008 von Karin Quack
Wie Booz-Allen-Hamilton in einer internationalen Umfrage herausfand, sehen sich die CIOs hierzulande häufig als reine Erfüllungsgehilfen des Business und nicht als Erneuerer.

Organisatorische Defizite bescheinigt das Marktforschungs- und Beratungsunternehmen Booz-Allen-Hamilton (BAH) den deutschen IT-Abteilungen. Im internationalen Vergleich entsprächen sie überdurchschnittlich häufig dem "unkoordinierten" Organisationstyp. Gleichzeitig sei in Deutschland die zentrale IT-Organisation relativ weit verbreitet. Doch einen Zusammenhang zwischen diesen Phänomenen schließt BAH aus. Eine größere Rolle für den schlechten Gesundheitszustand der deutschen IT-Organisationen spielt laut BAH ein anderer Faktor: Die CIOs sähen sich hierzulande weit seltener in der Rolle des Prozessgestalters oder Erneuerers, als es ihre Kollegen in anderen Ländern täten (siehe auch "Der Chief Innovation Officer")

Ergebnisse der OrgDNA-Studie

Nur insgesamt 32,4 Prozent der deutschen Umfrageteilnehmer haben eine gesunde IT-Organisation. In Italien beträgt dieser Anteil fast 41 Prozent.
Foto: OrgDNA

Das ist das Ergebnis der gerade veröffentlichte "IT-OrgDNA"-Studie, in deren Rahmen BAH insgesamt 1500 – zumeist leitende – IT-Mitarbeiter aus den USA und Kanada (insgesamt etwa 40 Prozent) sowie aus 16 europäischen Ländern um Angaben zu ihrer Organisation bat.

In Deutschland hat BAH hierfür mit der COMPUTERWOCHE zusammengearbeitet, die auf ihrer Homepage immer noch den – vollständig anonymen – "OrgDNA"-Selbsttests anbietet (www.computerwoche.de/orgdna). Dessen Ergebnisse sind in die Auswertung der Studie eingeflossen, so dass der Anteil der deutschen Teilnehmer bei mehr als 22 Prozent liegt.

Reine Dienstleister sind ungesund

Aus BAH-Sicht gibt es eine starke Korrelation zwischen dem Selbstverständnis des CIO und der Gesundheit der IT-Organisation. Dort, wo sich der CIO als "IT-Entrepreneur" begreife, seien besonders häufig gesunde Organisationen anzutreffen. Umgekehrt würden IT-Abteilungen, in denen der CIO – zumindest nach eigenem Verständnis – die Funktion des Grundversorgers erfülle, "überwiegend" als ungesund angesehen. Sie entsprächen "bemerkenswert oft" dem passiv-aggressiven oder unkoordinierten Organisationsschema (zum Thema siehe auch: "Die IT braucht ein neues Profil") Die Gründe für die organisatorischen Mängel der "IT-Utilites" haben die Martkforscher aus den Antworten auf einige Schlüsselfragen der DNA-Studie abgeleitet.

Drei gesunde und vier ungesunde Profile

Was aber ist eine gesunde IT-Organisation? Auch das hat BAH im Detail spezifiziert. Anhand der Antworten aus der OrgDNA-Studie ordnete das Marktforschungs- und Beratungsunternehmen die Organisationen der Studienteilnehmer, soweit das möglich war, in sieben Profile ein. Drei davon bewertet es als gesund und vier als ungesund (siehe Kasten: "Die sieben Organisationsprofile"). Die Zuordnung lässt sich vor allem daran festmachen, wie stark die befragten IT-Manager fünf "Schlüsselthesen" zustimmten, erläutert BAH-Manager Dietmar Ahlemann, der die IT-OrgDNA-Studie inhaltlich verantwortet:

Der Stude zufolge lässt sich weltweit etwas mehr als ein Drittel der befragten IT-Organistionen als gesund einstufen. Sie sind entweder besonders flexibel, agil oder präzise. Etwa die Hälfte der Teilnehmer befand BAH hingegen als ungesund, sprich: passiv-aggressiv, unkoordiniert, zu komplex oder überverwaltet. Ein Rest von etwa 16 Prozent ist keinem Profil explizit zuzuordnen.

In den etwa 300 deutschen Unternehmen, die sich an der Studie beteiligten, liegt der Anteil der gesunden IT-Organisationen mit 32,4 Prozent etwas unter dem Durchschnitt. Dementsprechend gibt es mit 53,2 Prozent hierzulande geringfügig mehr ungesunde Organisationen. Wenig tröstlich dürfte sein, dass die Briten noch deutlich schlechter abschneiden.

Deutsche IT – zentrale IT

Hierzulande ist die zentrale IT-Abteilung weiter verbreitet als in anderen Ländern.
Foto: Booz-Allen-Hamilton

Flexibilität und Reaktionsschnelligkeit werden gern als das Privileg dezentraler Organisationen angesehen. Doch das lässt sich anhand der Studienergebnisse keineswegs verifizieren.

Weltweit bezeichneten 64 Prozent der Befragten ihre IT-Organisation als zentral. 22 Prozent hingegen betreiben eine dezentrale Demand-Organisationen und eine zentrale Supply-Einheit, beispielsweise ein Shared-Service-Center. In Deutschland trifft letzteres nur auf 19 Prozent der Betriebe zu. Separate IT-Organisationen für jede Geschäftseinheit existieren weltweit in etwas mehr als 13 Prozent der Unternehmen. Hierzulande hat sich diese Struktur der IT nur in jedem zehnten Unternehmen etabliert (siehe Grafik: "Zentral oder dezentral?").

Doch das muss für die deutschen Unternehmen kein Nachteil bedeuten, beteuert Johannes Bussmann, Partner für IT und Banken bei BAH. Dezentrale IT-Organisationen wiesen vielmehr einen deutlich höheren Anteil gesunder Profile auf (37 Prozent) als die verteilten IT-Einheiten (30 Prozent). Auffallend häufig finden sich ungesunde Organisationsprofile in Unternehmen mit verteiltem Anforderungs-Management und zentraler Umsetzungskompetenz (siehe Grafik "Zentral heißt nicht ungesund").

Die Vorteile der Zentralisierung

Zentrale IT-Organisationen haben nach BAH-Erkenntnissen eine Reihe von Vorteilen. Hier eine Auswahl:

Aus Ahlemanns Erfahrung sind IT-Organisationen mit einer dezentralen Demand-Organisation per se langsamer und intransparenter. Das lasse sich bei der Vielzahl von Schnittstellen kaum vermeiden, so der BAH-Manger. Zudem würden sie "den Mitarbeiter häufig nicht abholen", also eine gewisse Entfremdung erzeugen.

Dezentrale Stuktur überzeugt nur in der Theorie

Gesunde Organisationsprofile kommen in zentralen IT-Abteilungen häufiger vor als in dezentralen.
Foto: OrgDNA

Wie Ahlemann einräumt, ist dieses Organisationsmodell in der Theorie stimmig. In der Praxis weise es aber noch eine Reihe von Haken und Ösen auf. Beispielsweise erfordere es unbedingt ein zentrales Budget- und Anforderungs-Management, sprich: weitere Schnittstellen. Bislang gelinge es den Unternehmen eher selten, die Defizite dieser Organisationsform zu beheben. Dabei könnte es sich aber durchaus um eine Kinderkrankheit handeln, die in naher Zukunft vielleicht auskuriert sei.

Überraschend positiv stellen sich die wirklich verteilten IT-Organisationen dar. Durch ihre Nähe zu den Geschäftsbereichen sind sie in der Lage, deren Business individuell zu unterstützen. Allerdings haben sie laut Ahlemann vor allem einen Nachteil: die Kosten. Sie seien schlicht und ergreifend teuer, weil die Skaleneffekte entfielen. Deshalb finde man sie bislang nur in einigen wenigen Großunternehmen, die es sich leisten könnten, "nicht auf den letzten Cent zu schauen".

Selbstverständnis als Grundversorger

Die deutsche IT-Organisation krankt also nicht an ihrer Zentralisierung. Vielmehr hat die BAH-Untersuchung vor allem zwei Punkte aufgedeckt, in denen sich die deutschen CIOs und ihre Mitarbeiter negativ von den ausländischen Kollegen abheben.

Zum einen sehen sich die IT-Manager hierzulande überdurchschnittlich häufig als reine Erfüllungsgehilfen des Business. Mehr als jeder zweite (55 Prozent) spielt nach eigenen Angaben die Rolle des "IT-Grundversorgers". Im internationalen Durchschnitt haben nur 49 Prozent dieses Selbstverständnis. Umgekehrt heißt das: Lediglich 31 Prozent der einheimischen IT-Chefs können als "Optimierer von Geschäftsprozessen" fungieren, und ganze 15 Prozent erleben sich als "IT-Entrepreneur" oder "Innovator". Weltweit liegen diese Werte immerhin bei 34 beziehungsweise 16 Prozent.

Nur über Geld zu motivieren

Da passt es ins Bild, dass sich deutsche CIOs und IT-Mitarbeiter augenscheinlich nur selten durch etwas anderes als das Gehalt motivieren lassen. Ganze 35 Prozent der Befragten gaben an, dass sie Alternativen zu den pekuniären Leistungsanreizen sähen.

In allen anderen Ländern liegt dieser Wert deutlich höher, in Großbritannien beispielsweise bei 73 und in den USA sogar bei 78 Prozent. Ob die deutschen CIOs ganz einfach ehrlicher sind als ihre internationalen Kollegen, lässt sich anhand der Fragebögen leider nicht feststellen.