Klassische Entwicklungsaufgaben in Deutschland verschwinden, für den reinen Programmierer stehen laut Arbeitsmarktexperten mittel- bis langfristig die Chancen nicht allzu gut. Offshore-Entwicklung liegt im Trend, wie das Beispiel von GFT zeigt. Das international tätige IT-Unternehmen entwickelt komplexe Softwarelösungen in Spanien und Brasilien. Elmar Kaufmann, Senior Account Manager und zuständig für internationale Application-Management-Projekte, erklärt: "Spanien ist unser größter Standort. In unserem Entwicklungszentrum in Barcelona kommen in meinem derzeit größten Projekt ungefähr ein Drittel der Softwareexperten aus Deutschland beziehungsweise sind deutschsprachig, zwei Drittel aus Spanien oder anderen Teilen der Welt." Seiner Meinung nach entwickelt sich der Beruf des Softwareentwicklers zunehmend in zwei Richtungen. Zum einen sehen sich die Experten verstärkt mit den Themen Internationalität und Globalisierung konfrontiert, zum anderen haben diejenigen, die prozessnah arbeiten, bei deutschen Kunden weiterhin gute Chancen. Denn Kaufmann weiß: Es gibt zahlreiche Unternehmen, die vor Ort ausschließlich mit deutschen Entwicklern zusammenarbeiten wollen.
Entwickler vernachlässigen Training
"Diese Kunden erwarten, dass der Softwareexperte vor Ort ist und täglich sein Wissen zum Projekt beisteuert", so Kaufmanns Erfahrung. Bei GFT gingen in diesem Zusammenhang derzeit die meisten Anfragen nach Entwicklern ein: "Viele meiner Entwicklerkollegen sitzen in Frankfurt am Main vor Ort beim Kunden, weil dieser es genau so wünscht." Beste Chancen hätten diejenigen, die über entsprechendes Fach-Know how und über Erfahrung verfügten.
Wer als hiesiger Entwickler seine Position sichern will, sollte sich seiner Meinung nach zudem weiterqualifizieren. Hier herrsche nach wie vor großer Nachholbedarf. Gerade Zertifizierungen etwa in Java- oder produktnah zu Microsoft-Technologien, aber auch zu SAP, Cognos oder SAS, könnten hilfreich sein. Ob Softwareprofis für die Qualifizierung freigestellt werden, sei von Unternehmen zu Unternehmen unterschiedlich. "Firmen müssen die Freiräume schaffen, innerhalb derer sich die Entwickler qualifizieren können", fordert der GFT-Manager. Im Idealfall fänden die Schulungen zwischen zwei Projekten statt.
Ein Muss: die Landessprache lernen
Auch wenn prozessnah arbeitende Softwareprofis nach wie vor keine schlechten Chancen haben, ist es laut Kaufmann schwierig, einen pauschalen Überblick über die Wünsche der Kunden zu geben. Dazu seien deren Anforderungen zu individuell. Eine Grundvoraussetzung für Softwareprofis, die im Ausland tätig sein wollen, ist seiner Erfahrung nach die Beherrschung der englischen Sprache und ein hohes Maß an Flexibilität: "Damit ist nicht nur die räumliche, sondern auch die persönliche Flexibilität gemeint, sich in internationalen Teams zu bewegen und seinen Teil zum gemeinsamen Auftrag beizusteuern." Der Vorteil des deutschen Entwicklers im Ausland sei, dass er die Spezifikationen genau kenne und so Informationen im Team reibungslos weitergeben könne. GFT fördere die internationale Kompetenz durch Austauschmöglichkeiten zwischen den Standorten.
GFT-Personalchefin Bettina Mann beobachtet mit Freude, dass Hochschulabsolventen mit Internationalität punkten wollen. So bewerben sich Wirtschaftsinformatiker, die auch interkulturelle Kompetenzen vorweisen können, oder auch Studenten mit einem Bachelor-Abschluss, für die internationale Zusatzstudiengänge eine Selbstverständlichkeit sind. Um die eigenen Mitarbeiter fit zu machen, gründete GFT im vergangenen Jahr eine Service-Academy. Zu deren Schwerpunkten gehören die Förderung von Soft Skills, aber auch interkulturelle Kompetenz.
Das kann der Senior Softwareentwickler- und architekt Jörg Zissel, der für GFT seit sieben Jahren in Spanien tätig ist, nur bestätigen. Der Programmierer, der hauptsächlich in Projekten der Deutschen Bank arbeitet, beherrscht die englische Sprache perfekt und spricht fließend Spanisch: "Wenn man einige Jahre in einem fremden Land verbringt, ist es ein Muss, die Landessprache zu lernen. Schließlich gibt es noch ein Leben außerhalb der Firma, und man möchte sich auch im Privatleben verständigen können."
Obwohl Spanien ein europäisches Land ist, kann der deutsche Entwickler durchaus kulturelle Unterschiede zu Deutschland erkennen: "Spanier bevorzugen pragmatische Lösungsansätze. Für sie zählt vorrangig, dass das Vorhaben funktioniert." Demgegenüber würden die Deutschen gerne an Konzepten feilen, Meetings anberaumen und alle Vorgänge detailliert überprüfen. "In deutschen Unternehmen war ich als Entwickler eher als Generalist in unterschiedlichsten Funktionen tätig; in Spanien hingegen sind die Aufgaben aufgrund einer strikteren Hierarchie eingeengter." Hin und wieder fühlt sich der Softwareentwickler wie zwischen den Welten. Dann ist, weiß Zissel, interkulturelle Kompetenz gefragt. Bis heute indes hat es der Softwareentwickler auf keinen Fall bereut, seinen Job in einem Land auszuüben, in dem Deutsche ansonsten gerne ihren Urlaub verbringen.