Deutsche CIOs hängen am Tropf der Finanzchefs

23.01.2008 von Karin Quack
Nach einer Accenture-Studie gilt die IT hierzulande noch als Kostenfaktor. Trotzdem braucht sie den internationalen Vergleich nicht zu scheuen.

Nur 23 Prozent der deutschen CIOs beziehungsweise CTOs haben ein Selbstbestimmungsrecht, was die Höhe ihrer jährlichen Budgets angeht. Etwa jedes vierte hier ansässige Unternehmen lässt sogar ein IT-fremdes Vorstandsressort – in vielen Fällen den Finanzchef – bestimmen, wie viel Geld es für seine Informationstechnik ausgibt.

Accenture-Manager Tönnies-Hilmar von Donop: Die deutschen CIOs haben aus den gegebenen Umständen das Beste gemacht.
Foto: Accenture

Hierzulande wird die IT immer noch als Kostenstelle und weniger als Partner für den Geschäftserfolg betrachtet. Und um ihrem Sparauftrag gerecht zu werden, fällen vier Fünftel der deutschen IT-Abteilungen die Investitionsentscheidungen selbst, anstatt die Fachabteilungen um die Projektbudgets konkurrieren zu lassen. Das hat das IT-Beratungs- und -Dienstleistungsunternehmen Accenture in seiner jüngsten "High-Performance-IT-Studie" festgestellt.

Seit 2005 fragt Accenture CIOs und CTOs rund um den Globus nach ihrer Stellung im Unternehmen, ihren Budgets und ihrem Investitionsverhalten sowie danach, wie sie die Leistungsfähigkeit ihrer Systeme und Anwendungen einschätzen. Ziel dieser Untersuchung ist es, herauszufinden, worin sich die IT-Abteilungen besonders erfolgreicher Unternehmen von denen weniger erfolgreicher unterscheiden. (Zu den letztjährigen Ergebnissen siehe:"Was gute Unternehmen besser machen".)

Diesmal 261 IT-Chefs rund um den Globus in die Studie einbezogen, davon 138 in Europa und etwa 40 in Deutschland. Die Ergebnisse belegen, dass die deutschen IT-Fachleute im internationalen Vergleich relativ gut abschneiden.

Ziemlich nah am Benchmark

Leistungsfähigkeit der IT-Systeme Deutschland
Foto: Accenture

Die Angaben der deutschen IT-Abteilungen liegen häufig ziemlich nah an denen der von Accenture definierten "High Performers". So bezeichnet der IT-Dienstleister Betriebe, die sich durch überdurchschnittliches Umsatz- und Renditewachstum auszeichnen. "Diese Unternehmen investieren kontinuierlich in ihre Optimierung und erzielen damit bessere Wachstumsraten", erläutert Tönnies-Hilmar von Donop, Managing Director für den Accenture-Bereich Systemintegration und Technologie. Diese handverlesene Benchmark-Gruppe setzt sich diesmal aus 13 Organisationen zusammen. Immerhin vier davon stammen aus Deutschland.

Den reinen Betrieb haben die deutschen IT-Abteilungen nach eigener Einschätzung sogar besser im Griff als die High Performers: Demnach müssen sie nur 38 Prozent ihrer Zeit für Aufgaben aus dem Bereich Operations und Maintenance aufwenden. Der Vergleichswert in den besonders erfolgreichen Unternehmen liegt bei 42 Prozent.

Zudem bewerten die deutschen CIOs ihre Systeme im weltweiten Vergleich recht positiv – sowohl was die Erfüllung technischer Ansprüche angeht als auch hinsichtlich der Business-Unterstützung (siehe Grafiken).

Durchschnitt weltweit
Foto: Accenture

Das wiegt umso schwerer, als viele Applikationen hierzulande deutlich mehr Jahre auf dem Buckel haben als anderswo. Vor allem die Systeme für Forschung und Entwicklung, Distribution und Supply-Chain-Mangement sowie Kundenservice sind mit einer Lebensdauer von durchschnittlich sieben Jahren definitiv älter als in anderen Ländern – und vor allem in den hochperformanten Betrieben. Etwa zwei Drittel der in den deutschen Unternehmen installierten IT-Systeme sind laut Accenture bereits abgeschrieben.

Da passt es wieder ins Bild, dass die deutschen Umfrageteilnehmer ihre Systeme für wettbewerbsentscheidende Anwendungsbereiche wie Customer-Service, Vertrieb und Marketing sowie Distribution und Lieferketten-Management deutlich schlechter beurteilen als der Benchmark. Allerdings befinden sie sich damit in – nein, nicht in guter, aber in umfangreicher Gesellschaft. Weltweit zählen die auf den Kunden ausgerichteten Systeme in technischer wie betriebswirtschaftlicher Hinsicht zu den schwächsten Anwendungen überhaupt, bemängelt Accenture.

Unter erschwerten Bedingungen

Die deutschen CIOs fallen also keineswegs hinter den internationalen Wettbewerb zurück – obschon sie unter erschwerten Bedingungen arbeiten: Von ihren Kollegen in anderen Ländern können immerhin 30 Prozent die Höhe ihrer Budgets selbst aushandeln, in den hochperformanten Unternehmen sind es sogar 62 Prozent.

High Performers
Foto: Accenture

Die Abstimmung zwischen IT und Business ist anderswo offenbar ebenfalls besser. So treffen in den High-Performer-Betrieben nur 54 Prozent der IT-Abteilungen einsame Investitionsentscheidungen. Oder anders ausgedrückt: In jedem zweiten dieser Betriebe haben die Fachabteilungen ein gewichtiges Wort mitzureden, wenn es darum geht, welche IT-Projekte bevorzugt umgesetzt werden. Aus Sicht von Accenture ist das nicht nur sinnvoll, sondern sogar notwendig, um eine geschäftsorientierte IT-Governance auf die Beine zu stellen.

Viel aus wenig gemacht

Umso bemerkenswerter ist es, dass deutsche Unternehmen angeben, vergleichsweise stark in Anwendungen zu investieren, die sich auf den Kunden ausrichten. 33 Prozent wollen auf diesem Gebiet tätig geworden sein. Bei den High Performern behaupten das nur 28 Prozent von sich. Doch diese Zahlen sind mit Vorsicht zu genießen, weil sie größtenteils auf den Angaben der Befragten beruhen.

Wie von Donop ausführt, lassen sich die in der Umfrage gemachten Aussagen allerdings häufig in der Unternehmenspraxis verifizieren. "Die deutschen CIOs haben aus den gegebenen Umständen das Beste gemacht", bestätigt der Accenture-Geschäftsführer. Es wäre interessant zu sehen, was sie bewegen könnten, wenn die Rahmenbedingungen günstiger wären.

Diese Bedingungen zu ändern ist nach Ansicht des IT-Insiders Aufgabe der CIOs selbst. Beispielsweise sollten sie sich darum bemühen, die Erfolgsfaktoren, nach denen sie ihre Leistung messen lassen, möglichst eng mit den Bedürfnissen des Business abzustimmen. Anstatt auf die Zuverlässigkeit des Rechenzentrums zu pochen, wäre es sinnvoller, die Verfügbarkeit der Geschäftsprozesse zu betonen, also zu zählen, wie oft – oder vielmehr: wie selten – ein Produkt wegen eines IT-Fehlers nicht ausgeliefert werden kann. Wenn diese Werte stimmen, verliere das sklavische Einhalten des Budgets an Bedeutung.

Vorreiter in Sachen Wikis und SOA

Deutlich reger als der Durchschnitt nutzen die IT-Fachleute hierzulande moderne, interaktive Wissensvermittlungssysteme. Sieben Prozent der deutschen CIOs haben offenbar schon Erfahrungen mit Wikis vorzuweisen (siehe auch: "Hinter dem Wiki wird es dunkel"). Der weltweite Durchschnitt liegt bei drei Prozent. Aber auch hier besteht kein Grund zur Euphorie: Von den besonders erfolgreichen Unternehmen nutzt schon jedes vierte diese "Web-2.0"-Technik.

Wirklich wegweisend sind deutsche Unternehmen hingegen, was den Einsatz von Service-orientierten Architekturen (SOA) betrifft (zum Thema SOA siehe auch: "Wie sag ich's meinem Chef?"). 43 Prozent reklamieren für sich, bereits eine SOA installiert zu haben. Damit stechen sie sogar die High Performers aus; dort sind es nur 38 Prozent. Von Donop hat für diese spezifisch deutsche SOA-Affinität eine einleuchtende Erklärung: Die Systeme seien hierzulande wesentlich komplexer als beispielsweise in den USA, und damit wachse der Bedarf für eine übergreifende Integrationsarchitektur. Auch der SOA-Vorgänger EAI (Enterprise Application Integration) habe in Deutschland sehr früh eine Rolle gespielt.

Ein lohnendes Investitionsfeld

Gar nicht schlecht schlagen sich die deutschen IT-Abteilungen hinsichtlich der automatisierten Online-Kontakte mit Unternehmenskunden: So liegt der Anteil der Interaktionen, die vollständig im Netz und ohne händisches Eingreifen ablaufen, hierzulande bei 23 Prozent und damit knapp vor dem weltweiten Durchschnitt (22 Prozent). Diese Zahlen relativieren sich allerdings, wenn die Benchmark-Gruppe zum Vergleich herangezogen wird; dort gilt das bereits für 53 Prozent der Kundenkontakte.

Hinter ihren weltweiten Konkurrenten her hinken die deutschen Unternehmen bezüglich der Online-Interaktion mit den Zulieferern (17 gegenüber 20 Prozent, High Performer: 33 Prozent) und den eigenen Mitarbeitern (25 gegenüber 30 Prozent; High Performer: 52 Prozent). Letzteres führt von Donop auf die strengen Datenschutzbestimmungen zurück.

Vor allem in der automatisierten Online-Kommunikation mit der Kundschaft liegt für den Accenture-Manager ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal zwischen den Gewinnern und Verlierern der weltweiten Wirtschaft: Die Kunden würden immer anspruchsvoller; von ihren privaten Systemen seien sie einen Integrationsstandard gewohnt, den ihnen kaum ein Unternehmen bieten könne. Deshalb lohnten sich Investitionen hier besonders.