First Look

Desktop-Virtualisierung mit VMware View 4

14.12.2009 von Ariane Rüdiger
Die nächste große Virtualisierungswelle wird bei den Desktops rollen. Daran möchte VMware mit View 4 maßgeblichen Anteil haben. Der Kern der Anwendung wurde komplett neu geschrieben.

Mit View 4 fährt VMware auch einen Angriff gegen Citrix. Das neue Release nutzt das proprietäre Protokoll PCoIP (PC over IP) von der aufgekauften Firma Teradici. PCoIP soll der bewährten ICA (Intelligent Console Architecture) von Citrix bei der Desktop-Virtualisierung Konkurrenz machen (siehe auch: Die wichtigsten Systeme für Virtual Desktop Infrastructure). Doch eine Enttäuschung gleich vorweg: View funktioniert zwar auf allem, was entfernt einem abgespeckten Rechner ähnelt, also Thin Clients, Netbooks, Laptops etc. Die vor zwei Jahren angekündigte Lösung für Mobiltelefone lässt indes noch auf sich warten.

First Look VMware View 4
VMware View 4
Client-Logons und Desktop-Optionen
VMware View 4
Administrationsbildschirm von VMware View 4
VMware View 4
Menü zur Erzeugung von Desktop-Pools
VMware View 4
Auswahl des Protokolls
VMware 4
Smartcard-Policy: Eingabe der Gültigkeitsintervalle einmaliger Logons mit Username, Paswort und Smartcard-Eingabe

Niedrigere Kosten pro Client

Das freut den CIO: Mit View 4 können mehr Anwender auf einem Core arbeiten. Wie viele genau, kann VMware allerdings noch nicht sagen, es laufen aber Messungen. Mehr als die bisherigen sechs sind es aber, sofern es sich beim Server um Systeme mit Nehalem-Prozessor und unter VSphere handelt. Die Kosten pro Anwender sollen so auf unter 800 Dollar pro User geschrumpft sein, es gebe auch Beispiele für noch wesentlich geringeren Aufwand, betont VMware.

Differenziertes Preismodell

Der Preis der Lösung basiert auf der Zahl der gleichzeitigen Anwender (Concurrent User) und richtet sich danach, welche VMware-Software schon vorhanden ist: Kunden ohne vSphere Enterprise oder vCenter zahlen für eine Magerversion mit vSphere Desktop, vCenter Desktop und View Manger 150 Dollar pro Sitz, für eine Vollversion 250 Euro. Sie schließt auch die Anwendungsvirtualisierung ThinApps, Offline-Desktop und View Composer ein. Sind vSphere Enterprise und vCenter vorhanden, betragen die Preise 50 beziehungsweise 150 Euro pro Platz. Wer schon View-User mit Supportvertrag ist, erhält das View 4 kostenlos per Softwareupdate.

Weniger Speicherbedarf durch Baukastentechnik

Storage-Kapazität spart die Composer-Technologie: Desktops werden dabei rollenspezifisch als Master-Image im Speicher hinterlegt. Sie sind Basis für anwenderspezifische Limited Clones. Deren Umfang beschränkt sich aber auf die Unterschiede zur Master-Kopie - ein Clone verbraucht deshalb nur einige Megabyte Speicher, während der Master Gigabytes verschlingt. Aktualisierungen im Master werden automatisch an die damit verbundenen Clones vererbt. Zusammen mit Thin App, einer Technologie, die Betriebssysteme und Anwendungen durch eine Virtualisierungsschicht trennt, ergeben sich weitere Optimierungsmöglichkeiten: Anwendungen lassen sich nun auf unterschiedlichen Betriebssystemen bereithalten, ohne jeweils vollständige Master oder Clones aus Betriebssystem und Anwendungen erzeugen zu müssen.

Leistung wie im LAN

Dank PCoIP, dem Basisprotokoll von View 4, sollen Daten auf einem Client mit WAN-Anbindung genau so schnell wie im LAN erscheinen. Bei der Arbeit mit PCoIP werden die Daten im Rechenzentrum ausschließlich ans Protokoll übergeben, das die Informationen dann dem Endgerät überreicht. Im Zweifel, etwa bei besonders anspruchsvollen Übertragungen zum Beispiel von CAD/CAM-Anwendungsdaten, kommen Hardwarebeschleunigungs-Chips von Teradici zum Einsatz. Herstellerspezifische Übertragungsprotokolle wie HP-RGS, Suns ALP oder RDP (Wyse) werden aber weiter unterstützt. Demnächst soll aber auch für Poweruser eine reine Softwareversion folgen.

Progressiver Bildaufbau

Damit auch hochauflösende Grafik nicht den Eindruck von Verzögerung entstehen lässt, nutzt View außerdem progressiven Bildaufbau: Hintergrundbilder erscheinen zuerst zwar komplett, aber in einer relativ grob aufgelösten Version. Diese wird dann Schritt für Schritt und unauffällig für den Betrachter verfeinert. Texte dagegen kommen sofort in einer lesbaren Auflösung auf den Schirm.

Weiter unterstützt die Software nun bis zu vier angeschlossene Monitore. Sie sind getrennt und jeweils mit einer Auflösung von bis zu 1920 + 1200 Pixel ansteuerbar. Dabei werden Clear Type Fonts, 32 Bit Farbtiefe und Pivot-Darstellung (also gleichzeitig Monitore mit Quer- und Längsdarstellung) unterstützt. Letzteres dient besonders Versicherungsunternehmen, die Verträge ganzseitig darstellen wollen.

Neues Sicherheitskonzept

Viel hält sich VMware auf das Sicherheitskonzept von View 4 zugute: Die Anwender erhalten funktionsbezogene Rollen, mit denen jeweils spezifische Anwendungen, Betriebssysteme, Daten und Zugriffsrechte korrelieren. Gleiche Rollen werden in Desktop-Pools gebündelt. Zum Beispiel können Anwendern außerhalb der unternehmensinternen Firewall so andere Zugriffsrechte eingeräumt werden als solchen innerhalb der Firmenmauern.

Zeit sparen Anwender, weil sie wegen des Smart-Card-basierenden Single-Sign-On-Konzepts nur einmal Benutzernamen und Passwort eintragen müssen, wenn sie sich mehrmals kurz hintereinander an unterschiedlichen Rechnern anmelden, beispielsweise weil sie im Firmengebäude den Raum wechseln. Sobald die Smartcard nach dem Einloggen aus dem Gerät gezogen wird, endet die aktuelle Sitzung, wird aber genauso schnell wieder begonnen, wenn die SmartCard in ein anderes Gerät wandert.

Offline-Desktop mit Macken

Der Sicherheit dient letztlich auch der Offline-Desktop, mit dem man gerade bei schlechten Verbindungen offline arbeiten und, sobald die Verbindung besser, ist, das Erarbeitete wieder an die Zentrale übertragen kann. Der ist aber derzeit noch nicht perfekt. So erzeugt er bei der Anmeldung viel Müll in Form von temp-Dateien, die mitgespeichert werden. Die blockbasierende Filterung arbeitet ebenfalls noch zu langsam. Alles Gründe, warum VMware das Produkt zwar freigibt, aber bisher nicht vollständig unterstützt. Deshalb sind die Offline-Features im Moment nur für mutige Anwender geeignet.