Dokumenten-Management im Zeitalter des Internets

Der Zweck bestimmt die Mittel

14.09.2001
Software-Tools für die Erstellung und Verwaltung von Inhalten bieten heute umfangreiche Funktionalität. Bei der Systemauswahl kommt es vor allemauf den Einsatzbereich an. von Stefan Freisler*

Die Bereitstellung von Informationen in unterschiedlicher Form ist heute für Unternehmen aller Branchen eine wichtige Aufgabe: In einer Bank müssen die Berichte der Wirtschaftsprüfer als gedruckte Informationsbroschüre und im Intranet zur Verfügung stehen. In einem Softwarehaus kommt es darauf an, die kontextsensitive Online-Hilfe einerseits sowie Benutzerhandbuch und Schulungsunterlagen andererseits ständig aktuell zu halten. Und ein Maschinenbauunternehmen will vielleicht die Produktdokumentation kosteneffizient als PDF, Internet-Version und als gedruckte Bedienungsanleitung produzieren. Alle diese Beispiele verdeutlichen, wie komplex der Gegenstand "Dokument" geworden ist.

Insbesondere seit der allgemeinen Einführung der Web-Technologien hat sich der Begriff "Dokument" fundamental gewandelt. Wurde ein Dokument klassischerweise als ein geschlossenes Ganzes betrachtet, gewinnt zunehmend die innere Struktur für die Nutzung von Informationen an Bedeutung. Denn Untermengen von Inhalten aus dem einen Dokument - beispielsweise die Sicherheitsanweisungen aus dem Handbuch für die Mechaniker - sind auch Gegenstand anderer Dokumente, wie etwa der Schulungsunterlagen für das Bedienpersonal oder Online-Hilfen

Komplexe Strukturen

an der Maschine. Gleiche Inhalte müssen für verschiedene Zielgruppen und in unterschiedlichen Medien aufbereitet werden. Diese Aufgabe gewinnt zusätzlich an Komplexität, wenn man die Inhalte in verschiedenen Sprachen, für Produktvarianten und/oder in diversen Versionen vorhalten und pflegen muss. Andererseits: Die Kehrseite der hier versteckten Komplexität ist in den enormen Rationalisierungspotenzialen zu sehen.

Begibt man sich nun auf die Suche nach einer Softwarelösung für eine solche Aufgabe, gibt es eine Reihe von Fragen, die man sich zunächst beantworten sollte:

- Welche "Dokumentprodukte" werden jetzt und künftig benötigt? Geht es nur um die Erstellung einer Website oder auch um Kataloge, Loseblattwerke, Online-Hilfen etc.?

- Wer sind die Nutzer der Informationen?

- Auf welchen Medien sollen sie gleichzeitig verfügbar sein?

- In welchen Sprachen werden Dokumente vorgehalten?

- Müssen verschiedene Versionen und/oder Varianten der Dokumente gepflegt werden?

- Wer ist an der Erstellung und Pflege beteiligt? Wie und wo arbeiten die Autoren und Redakteure?

- Welche Anforderungen an Klassifizierungen und Recherchen zu Informationseinheiten sind gegeben?

- Welche Schnittstellen sind zu anderen Systemen notwendig (Translation Memory, ERP etc.)?

Ausgehend von diesen Fragen lassen sich einige grundsätzliche Anforderungen an Systeme definieren, die sich dieser Form des Dokumenten-Managements - oder besser Informations-Managements - widmen.

Die Inhalte beziehungsweise Dokumente sollten aus einer gemeinsamen Datenquelle für die verschiedenen Medien und Formate stammen. Hierzu muss man auf ein geeignetes Speicherformat zurückgreifen, vorzugsweise die Extended Markup Language (XML), die sich zunehmend als Standard-Datenaustauschformat durchsetzt. Inhalte können damit beispielsweise in einem XML-fähigen System erstellt, in einem anderen dann veredelt werden und in einem weiteren wiederum in die Anwendung gehen, ohne dass man die Daten aufwändig konvertieren muss. So lassen sich Prozessketten in Unternehmen effizient und einheitlich gestalten.

Die medienneutrale Datenhaltung verhindert, dass Inhalte für die verschiedenen Medien mehrfach in den Datenbanken liegen, die dann auch jeweils gepflegt werden müssten. Darüber hinaus ist durch den Einsatz von XML die Trennung von Inhalt, Struktur und Layout sinnvoll möglich. Und nur durch diese Trennung kann man sich effizient und arbeitsteilig mit großen Dokumenten beschäftigen. Auch die Publikation von Inhalten in unterschiedliche Medien aus einer Quelle setzen die Trennung von Inhalt, Struktur und Layout voraus.

Inhalte aufteilen

Enormes Rationalisierungspotenzial bietet die Modularisierung, also die Aufteilung des Inhalts eines Dokumentes in kleinere Einheiten. Kriterien für die Aufteilung können unter anderem die Funktionen von Textteilen sein. Strukturierte Datenpools bestehen immer aus Modulen, unabhängig davon, wie groß die Module sind. In einem Fachverlag für Gesetzestexte beispielsweise kann es sein, dass das kleinste Modul tatsächlich das einzelne Gesetz ist. Für eine Softwaredokumentation hingegen kann das kleinste Modul aus wenigen Sätzen bestehen, etwa im Falle einer Systemmeldung, die an verschiedenen Stellen verwendet werden muss. Eine sinnvolle Modularisierung bietet Vorteile in verschiedenen Anwendungsbereichen:

- Übersetzungsmanagement: Es werden nicht mehr die gesamten Dokumente übersetzt, sondern nur noch geänderte Module.

- Zielgruppenorientierung: Module lassen sich zu zielgruppenspezifischen Dokumenten zusammenstellen.

- Variantenbildung: Produktbeschreibungen für die verschiedenen Varianten unterscheiden sich nur in einigen Modulen.

- Arbeitsteilung: Verschiedene Personen können gleichzeitig an einem Dokument tätig sein, wenn sie jeweils an einzelnen Modulen arbeiten können.

- Mehrfachverwendung: Durch Modularisierung können beliebige Mengen und Kombinationen von Modulen für die verschiedenen Dokumentprodukte wieder verwendet werden.

Arbeitsteilige Prozesse im Unternehmen erfordern auch Softwarelösungen, die sich auf die verschiedenen Rollen in einem solchen Prozess einstellen lassen. Beispielhaft seien hier einige dieser Rollen kurz beschrieben: Als Autor fungieren meist Mitarbeiter in einer Fachabteilung oder Freiberufler. Sie erstellen in der Regel mit einer Textverarbeitung wie MS Word Inhalte für Websites, Marketingunterlagen, Produktbeschreibungen etc. Die produzierten Inhalte werden der Redaktion für die jeweiligen Dokumente zugeliefert. Der Redakteur ist verantwortlich für das jeweilige Dokument - ob es sich um eine Website oder ein Loseblattwerk handelt - und koordiniert zumeist die Arbeit vieler Autoren. Darüber hinaus obliegt ihm die Organisation der Übersetzungen und Koordination externer Dienstleister. Er zeichnet im Allgemeinen auch für die Publikation verantwortlich.

Der Redaktionsleiter hat zumeist die Verantwortung für eine ganze Anzahl verschiedener Dokumente in einem bestimmten Sachgebiet. Er übernimmt Aufgaben der Qualitätskontrolle, hat die Übersicht über Termine und die Berechtigung, bestimmte Inhalte für die Publikation freizugeben. Als Administrator fungieren zumeist Mitarbeiter der EDV-Abteilung - und haben damit den Job des Kümmerers, während das System im Betrieb ist. Sie nehmen neue Benutzer und Rollen an und weisen entsprechende Rechte zu. Darüber hinaus führen sie beispielsweise auch einfache Modifikationen an der Systemkonfiguration aus.

Grafiker liefern Zeichnungen, Grafiken und andere binäre Dateien in verschiedenen Dateiformaten an, die der Redakteur für die Produktion eines Dokuments benötigt. Die Aufgaben des Übersetzers erledigen oft externe Dienstleister, die - wenn sie überhaupt direkt am System arbeiten - lediglich Zugriff auf die zu übersetzenden Texte haben und Textteile ein- und auschecken können.

Vom Zusammenspiel dieser Rollenträger hängt der reibungslose Ablauf bei der Erstellung, Verwaltung und dem Publizieren von Informationen in Unternehmen ab. Nicht nur die einzelnen Arbeitsplätze (Clients) am System müssen daher optimal für die jeweiligen Tätigkeiten ausgerüstet sein, auch Abstimmungs- und Workflow-Prozesse sollten sich abbilden lassen. Darüber hinaus ist natürlich eine Multi-User-Unterstützung des Systems unerlässlich.

Zusätzlich zu den genannten kommen noch weitere Kriterien zur Auswahl eines geeigneten Systems zur Verwaltung von Inhalten hinzu: Neben den eigentlichen XML-Texten sollte das System auch beliebige binäre Daten wie PDF-Dateien, Powerpoint-Folien oder auch Bilddateien in verschiedenen Formaten speichern und verwalten können. Diese Funktionalität des Ressourcen-Managements bildet die Brücke zum Dokumenten-Management klassischer

Format beherrschen

Prägung, daher kann auch eine Schnittstelle zu einem "traditionellen" DMS sinnvoll sein.

Über eine ausgefeilte Lösung für das Link-Management oder auch für das Metadaten-Management hinaus kommt des Weiteren den systeminhärenten Publishing-Generatoren als Auswahlkriterium besondere Aufmerksamkeit zu. Das System sollte über fertig konfigurierte Generatoren verfügen, mit welchen die gängigen statischen Zielformate für Papierproduktionen schnell erzeugt werden können - drucken über Microsoft Word, Adobe Framemaker, Quark Express. Neben der Produktion von Papierdokumenten sollte aber auch die Generierung von onlineorientierten Formaten wie HTML, XML, SGML, HTML-Help, Win-Help, Java-Help und ähnliche möglich sein.

Darüber hinaus gehört eine dynamische Sicht auf den Datenpool mit HTML-Web-Technologien zu den Basisanforderungen an ein Content-Management-System. Das erfordert eine Integration in gängige Suchmaschinen oder marktübliche Server wie Apache, Microsoft Internet Information Server, Hyperwave Information Server, Documentum etc. Einfache Konfiguration, personalisierte Sichten auf den Datenbestand und Unterstützung von Freigabeprozessen durch einen "Staging"-Server erweisen sich als Vorteil. Wie für die meisten Softwaresysteme sind natürlich ebenfalls eine einfache Integrierbarkeit, Skalierbarkeit und Standardorientierung für die Auswahl des richtigen Systems wichtig.

Die Liste der Anforderungen zeigt, wie komplex die Problematik und damit ein Auswahlverfahren für ein geeignetes System sein kann. Klassisches Dokumenten-Management und das derzeit so populäre (Web-) Content-Management sind nur die zwei Enden eines Spektrums von Funktionen, die Unternehmen beider strukturierten Dokumentverarbeitung unterstützen können.

* Stefan Freisler ist geschäftsführender Gesellschafter bei der Schema GmbH in Nürnberg.