Interview mit Research Director Thomas Reuner von IDC

„Der Weg nach vorne ist mobil“

18.12.2006
Analyst Thomas Reuner von IDC ist für den mobilen Markt sehr optimistisch. Auch wenn die komplexeren Lösungen jenseits von Mobile E-Mail seiner Meinung nach noch etwas auf sich warten lassen.

COMPUTERWOCHE: Wo macht Mobility Sinn? Wo liegen bereits überzeugende TCO- und RoI-Berechnungen vor?

Thomas Reuner: Überall da, wo es sehr spezifisch ist. Gerade im vertikalen Bereich. Schauen Sie sich einen Anbieter an wie Symbol an, der von Motorola gekauft worden ist. Er verfügt über große Erfahrung mit mobilen Endgeräten in der Warenerfassung und in anderen Bereichen. Es macht überall dort Sinn, wo sehr spezifische Lösungen angeboten werden. Denn dort ist das Volumen der Verträge höher, auch wenn es insgesamt erst relativ wenige davon gibt.

Gerade im Bereich Warenrückverfolgung gibt es aber schon sehr viele Entwicklungen. Wenn ich mir aber ein ganz normales Unternehmen ansehe, wie etwa unseres bei IDC, das nur am Rande mit IT zu tun hat, dann weiß ich nicht, welche spezifischen Lösungen jenseits von Mobile E-Mail uns wirklich weiter helfen sollten. Man braucht einfach branchenspezifische Anforderungen, die besser mobil abgewickelt werden. Man sieht ja die Lösungen im Alltag, etwa im Taxi, bei Bestellungen in Restaurants oder im Bereich Salesforce-Automatisation. Da gibt es vertriebsunterstützende Lösungen, wo Dinge einfach integriert werden. Hier sehen wir die ersten Ansätze, aber selbst dort ist der Markt noch jung. Dabei ist es für die Unternehmen in diesem Bereich viel einfacher, die Nutzungsszenarios zu verstehen. Denn der Einsatz ist relativ konkret und es gibt spezifische Anbindungen. Und natürlich ist der Vertriebsprozess auch ein relativ einfacher. Solange wir nur allgemein diskutieren: „Setzen wir mobile Endgeräte ein, wird etwas flexibler und schneller?“, gibt es einen Missmatch in der Industrie.

COMPUTERWOCHE: War Mobility nicht früher ein viel größeres Thema? Oder befindet es sich jetzt gemäß dem Gartner-Hypecyle in der Konsolidierungsphase, wo der Markt dann erst richtig loslegt?

Reuner: Ich denke, man darf sich nicht nur die Verkaufszahlen für Notebooks und Smartphones anschauen, um zu wissen, wo wir im Augenblick stehen. Der Weg nach vorne ist mobil, das ist klar. Sie müssen sich nur einmal die Alltagsentwicklung anschauen, mit Centrino-Prozessoren und Wireless-Zugängen. Wenn wir aber über Lösungen reden, sind wir in einer viel jüngeren Entwicklungsstufe. Am Anfang hat man den Hype, um neue Lösungen in den Markt zu drücken. Manchmal ist man dann einfach zu früh und zu unspezifisch. Das betrifft auch das Marketing. Es werden hier häufig dieselben Argumente benutzt wie in der Konsumentenwerbung: Flexibilität und Lifestyle. Damit kommen Sie aber im Unternehmensumfeld nicht weiter.

COMPUTERWOCHE: Was heißt das für die Unternehmen?

Reuner: Sie müssen damit umgehen. Vor allem natürlich auch mit den mobilen Endgeräten, die offiziell zwar nicht unterstützt werden, die aber in der Realität der Unternehmensumgebung vorhanden sind. Manchmal bekommt man hier schweigsamen Support. Früher gab es ja einen regelrechten Hype: Sie können das Notebook weg schmeißen, alles geht auf den PDA. Aber Sie wissen, wo der PDA-Markt heute steht. Und selbst hier war es so, dass die Unternehmen in der Regel den PDA nicht aktiv ausgerollt haben. Es waren wiederum die Individuen, die die PDAs ins Unternehmen gebracht haben.

COMPUTERWOCHE: Ist es denn dann deswegen nicht schlau, die Privatkunden zu umwerben?

Reuner: Für die Industrie vielleicht. Vom Umsatz her sieht es aber so aus: Wenn die Deutsche Bank sagt, wir führen für alle Mitarbeiter einen PDA ein, dann ist der Aufwand viel geringer, als der, den man betreiben müsste, um diese Zahl privat zu erreichen. Vom Massenmarkt bietet der Unternehmensmarkt sehr viel mehr als der Konsumentenmarkt. Auch weil sie viele andere Lösungen damit verbinden könnten. Und aus der Sicht der Unternehmen selbst: Alles, was durch die Hintertür kommt, birgt ein hohes Sicherheitsrisiko und potenziell enorm hohe Kosten. Zum Beispiel wenn es zu Unkompatibilitäten mit den vorhandenen Systemen kommt. Man braucht den Hype am Anfang, doch im Konsumentenmarkt herrscht eine ganz andere Dynamik als im Unternehmensumfeld.

COMPUTERWOCHE: Ist der deutsche CIO vielleicht einfach zu zögerlich?

Reuner: Ich denke, wir hören viel CIO-Schelte, wo es auf Veranstaltungen heißt, der CIO müsse sich wandeln. Man darf aber den Kosten- und Wettbewerbsdruck nicht vergessen. Die Industrie lernt auch, mit IT umzugehen und ist inzwischen sehr gereift. Man ist dort vorsichtig geworden und glaubt nicht mehr allen Versprechungen. Man wartet ab, bis die Lösungen gereift sind, um sich nicht mehr mit den Kinderkrankheiten herum schlagen zu müssen. Da kommen wir mit dem Thema Mobilty auch hin. Wenn man sagt, der Markt nimmt die Lösungen noch nicht ab, liegt die Betonung auf „noch nicht“. Das wird kommen. Die Fusionen der Großen der Branche zeigen deutlich, wohin wir uns bewegen. Die bisher eher proprietären Lösungen werden abgelöst.

COMPUTERWOCHE: Sie sind also insgesamt zuversichtlich?

Reuner: Ja, aus allen Gesprächen muss ich sagen, es gibt niemanden, der den Nutzen von Mobilität in Abrede stellt. Das Gegenteil ist der Fall. Man ist nur noch skeptisch, wie man es einsetzen soll, wie hoch etwa die Supportkosten sind bis hier genügend Erfahrungen und Case Studies vorliegen. Das ist der normale weg bei Produkteinführungen. Und wir befinden uns noch in der Early Adaptor Phase. Die Frage ist, wann der Massenmarkt einsetzt. Mobile E-Mail, das auf den Smartphones relativ schnell zum Standard werden wird, ist ja nur eine begrenzte Lösung - auch vom Umsatz der Anbieter. Die Frage ist: Wann kommen die großen, hoch integrierten Lösungen? Das wird noch ein wenig länger dauern. Denn wir stehen hier erst am Anfang der Entwicklung.