Der unsichtbare Dritte

03.02.2003 von Alexander Freimark
MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Seit Jahren suchen Wissenschaftler nach Mitteln und Wegen, damit Menschen Rechner nutzen können, ohne sie zu sehen und an sie denken zu müssen. Das „computerlose Computing“ rückt näher - was gleichzeitig bedeutet, dass sich die Menschen wieder einmal umgewöhnen müssen.

Foto: Fraunhofer IPSI/Wiege/Wilkhahn

Ob in der Kleidung versteckt, in alltägliche Geräte wie Uhren, Brillen und Schmuck eingearbeitet oder in vernetzte „Smart Homes“ integriert - am „Disappearing Computing“ arbeiten Forscher seit Jahren. Der Rechner muss weg, aber ganz verzichten will man auf die Vorteile der Elektronik natürlich auch künftig nicht. „Der Computer als Gerät soll unsichtbar werden, seine Funktionalität jedoch überall vorhanden sein“, erklärt Norbert Streitz, Leiter des Forschungsbereichs „Ambiente“ am Darmstädter Fraunhofer-Institut für Integrierte Publikations- und Informationssysteme (Ipsi), den Spagat zwischen Technik und Optik.

Statt wie bisher von einem großen Tischcomputer wird unsere Kommunikation und Interaktion demnach von unzähligen kleinen Datenverarbeitungsgeräten geprägt sein. Damit dies zügig vonstatten geht, suchen weltweit Experten nach Konzepten und Designideen, um die Rechner vor ihren Nutzern zu verstecken. Streitz und seinen Kollegen geht es in erster Linie darum, die traditionelle Mensch-Maschine-Schnittstelle zu entschärfen: „Mäuse, Tastaturen und Monitore sind eigentlich Fremdkörper“, sagt der Forscher, auch wenn sich die Anwender in den vergangenen Jahrzehnten an den Umgang mit der Peripherie gewöhnt haben.

Die eigentliche Rechenleistung soll jedoch bald nicht mehr in der traditionell beige-grauen Kiste zur Verfügung gestellt werden, sondern direkt an einer Wand, auf dem Schreibtisch oder in jedem beliebigen anderen Möbelstück. Deren Oberflächen sollen sich mit normalen Stiften beschreiben oder allein durch Gesten steuern lassen, statt dass man sich wie bisher mit eigens dafür konstruierten Eingabegeräten herumärgern muss.

„Die Art der Interaktion mit Informationen soll künftig intuitiver als bisher erfolgen“, erläutert der Fraunhofer-Forscher. Dabei sieht die Idealvorstellung so aus, dass Menschen bald keine speziellen IT-Devices mehr bei sich tragen müssen - weder PDAs und Notebooks noch Datenspeicher. Streitz skizziert die Zukunft: „Wo immer man hinkommt, ist schon alles Notwendige vorhanden.“ Der überall im Hintergrund vorhandene Computer weiß dann, wer an einem Gespräch teilgenommen hat, speichert Skizzen von der Wand mit den dazugehörigen Informationen und stellt sie auf Anfrage andernorts wieder zur Verfügung - das Leben ist gänzlich vom Computer „durchdrungen“, woher sich der Begriff „Pervasive Computing“ ableitet.

Links

Ambient Agoras

Disappearing-Computer.net

Future Office Dynamics

Fraunhofer Ipsi Ambiente

Roomware

Noch sind indes die Kosten hoch, weil es die als „Smart Artefacts“ bezeichneten Möbelstücke nicht in Großserien gibt. Lediglich der Hersteller Wilkhahn aus Bad Münder hat Prototypen der smarten Produkte im Sortiment. In vielleicht fünf bis zehn Jahren seien derartige „Computer“ jedoch in vielen großen Unternehmen verbreitet, prognostiziert Streitz. Für den Menschen bedeutet dies, dass er sich wieder einmal umgewöhnen muss: Kaum ist der Computer in das Leben integriert, soll er auch schon wieder verschwinden. Zumindest oberflächlich, denn in Wirklichkeit ist er für die menschliche Kommunikation längst unverzichtbar geworden.