Psychologie

Der Sinn der Langeweile

02.06.2014 von Ferdinand Knauß
Langeweile ist nicht harmlos, sondern purer Stress. Doch wer sie akzeptiert, kann sie zur Quelle der Schöpferkraft machen.

Langeweile wird oft mit Nichtstun verbunden. Das ist ein weit verbreitetes Missverständnis. Menschen, die nichts tun müssen, aber des Lesens mächtig und neugierig sind, kennen keine Langeweile - sofern gute Lektüre zur Hand ist. Quälend ist nicht das Nichtstun, sondern das falsche Tun.

Der Sinn der Langeweile
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Langeweile ist nach Definition des Psychologen John Eastwood der "unerfüllte Wunsch nach befriedigender Tätigkeit". Also eine innere Verfasstheit, die aus "fehlgesteuerter Konzentration" entsteht, wenn ein Mensch seine Aufmerksamkeit nicht auf das richten will, was er tun muss, und dadurch diese gegenwärtige Tätigkeit als unbefriedigend wahrnimmt. Langeweile entsteht also nicht automatisch, wenn äußere Reize fehlen, sondern eher dann, wenn man sich auf diese Reize nicht mehr konzentrieren kann oder will. Innbegriff der Langeweile sind zum Beispiel Konferenzen, bei denen man präsent sein muss, ohne dass das Besprochene interessiert, oder Aufgaben, die man erfüllen muss, ohne dass das Ergebnis für einen selbst relevant ist. Unter Langeweile leidet man also meist während der Arbeit, nicht danach.

Langeweile ist keineswegs harmlos. In schönen Philosophenworten hat das Blaise Pascal beschreiben: Der gelangweilte Mensch fühle „das Nichts, seine Verlassenheit, seine Unzulänglichkeit, seine Abhängigkeit, seine Ohnmacht, seine Leere.“ Psychologisch übersetzt: Stress pur! Gelangweilte haben nicht nur das Stresshormon Kortisol im Blut, sondern zeigen auch deutlich erhöhten Puls und Blutdruck, wie Anna Gielas in einem Beitrag für "Psychologie heute" schreibt. Mitarbeiter im Öffentlichen Dienst, die sich oft langweilten, erlitten häufiger einen Herzinfarkt und starben früher als ihre Kollegen, die sich nicht langweilten, schreibt Gielas. Langeweile macht anfällig für Wut, Depressionen, Angst, Alkoholismus und Spielsucht.

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Maßnahmen gegen Langeweile

jeder Arbeitnehmer aber auch sein Arbeitgeber sollte daher Langeweile bei der täglichen Arbeit vermeiden. Wie kann das geschehen? Das Mittel der Wahl, schreibt Gielas ist "Steuerung der Konzentration". Sie stellt eine Methoden vor, mit denen dies gelingen kann. Die eine kennt man aus den besagten Konferenzen: Kritzeln! Wer auf seinen Unterlagen Blumen, Häuser, Menschen, Tiere oder sonstiges zeichnet, bekämpft instinktiv Unfähigkeit zur Konzentration (auf das Vortragsthema) durch Konzentration auf die künstlerische Nebentätigkeit.

Das Problem dabei ist nur: Kritzeln fällt Sitznachbarn oder gar Vortragenden auf. Wer weniger auffällig die Langeweile bekämpfen will, kann eine unauffälligere Methode wählen: Achtsamkeit. Selbst unspektakuläre Dinge, können reizvoll sein, wenn man sie genau und liebevoll betrachtet. Das kann die Fliege an der Wand sein, der im Wind schwankende Baum oder die Fußgängerin auf dem Bürgersteig gegenüber. Noch reizvoller und dazu völlig unabhängig von den äußeren Begebenheiten ist die Königsdisziplin der Langeweilebekämpfung: Die Gedankenwanderung. Das Gehirn will ohnehin nur das eine: Denken. Die Gedanken schweifen und sich von kreativen Eingebungen - je verrückter, desto kurzweiliger - überraschen zu lassen, kann ein wunderbares Vergnügen sein. Langeweile als Auslöser von Gedankenreisen sind für Friedrich Nietzsche, wie er in der "Fröhlichen Wissenschaft" schreibt, sogar Voraussetzung für das Schaffen großer künstlerischer Werke.

Der Langeweile kann man also durchaus auch eine positive Funktion abgewinnen. Sie fördert das Nachdenken und fordert dazu auf, seine kostbare Lebenszeit sinnvoll zu gestalten. Oder in Goethes Worten: "Langeweile ist ein böses Kraut - aber auch eine Würze, die viel verdaut."

(Quelle: Wirtschaftswoche)