Der PC-Markt

Der PC-Markt 2005: Ritt auf der Welle

13.10.2005 von Alexander Freimark
Der PC-Markt zeichnet sich dadurch aus, dass Prognosen nur noch eine kurze Halbwertszeit haben. Im Gegensatz zu den Rechnern selbst: Die sind hierzulande immer länger im Einsatz.

Kaum ein IT-Segment entwickelt sich so volatil wie der PC-Sektor:Waren die kurzfristigen Aussichten vor einem Jahr plötzlich wieder besser, steht nun den Herstellern erneut eine Trendwende ins Haus. Allerdings war die Verschlechterung bereits für den Verlauf des Jahres 2005 erwartet worden. „Hätte ich mich stets auf die offiziellen Prognosen verlassen“, sagt der Vertreter eines kleinen Hardwareanbieters, „wäre ich längst pleite.“

Summa summarum schnitt das PC-Segment in den vergangenen Quartalen weltweit besser als erwartet ab. Daher können die internationalen Hersteller im Grunde genommen ganz zufrieden sein: Zweistellige Wachstumsraten in den vergangenen Quartalen, die Analystenprognosen locker überflügelt, ungesättigte Märkte entstehen in Osteuropa, und Milliarden potenzielle Neuanwender warten in Asien.Wenn nur der Preisverfall nicht wäre. In Deutschland stellt sich die Situation abgesehen vom auch hier herrschenden Preisdruck etwas anders dar, denn der hiesige Markt bildet bei den Wachstumsraten das Schlusslicht in Westeuropa. Vor allem die Konzerne halten die Taschen geschlossen, während der Mittelstand, die kleinen Firmen und die Endanwender die Verkäufer wenigstens etwas auf Trab bringen.

Selbst interessante Nischenangebote à la Tablet- oder Media-Center-PCs sind kaum geeignet, die hiesige Nachfrage nachhaltig zu beflügeln. Zwar würden sich Media-Center-PCs hierzulande im internationalen Vergleich noch ganz gut verkaufen und den Desktop-Sektor dadurch etwas antreiben, meint Gartner-Analystin Meike Escherich: „Als Boom würde ich das aber nicht bezeichnen.“ Auch Tablet-PCs, die schlanken und oft schicken Multitalente, hätten derzeit nicht das Zeug zum Bestseller, bilanziert die Analystin: „Die lohnen sich nur für Anwender mit viel Geld und wenig Geduld.“

In deutschen Großunternehmen ist die Situation zum Verdruss der Hersteller genau umgekehrt: wenig Geld, viel Geduld. Rechner werden frühestens dann ersetzt, wenn sie kaputt sind. Erst müssen die PCs derjenigen Kollegen aufgebraucht werden, die das Unternehmen verlassen haben. Inzwischen spielt es auch keine Rolle mehr, ob alle PCs von einem Hersteller kommen oder der Maschinenpark bunt zusammengewürfelt wird. Die Lebenszyklen der Konzern-PCs sind auf gut vier Jahre gestiegen, berichtet Escherich, denn „heute wird mehr denn je auf den Preis geachtet“.

Keine Phantasie

Das bestätigt auch Gregor Harter, Geschäftsführer und IT-Experte der Unternehmensberatung Booz Allen Hamilton: „Für den Standard-Enterprise-Nutzer sind die Maschinen schnell und umfassend genug.“ Zudem sei derzeit keine neue Client-Software mit einer großen Nachfrage nach Rechenleistung in Aussicht. „Phantasie schwingt bei PCs nicht mehr mit“, bilanziert Harter, „die Angebote unterscheiden sich technisch nicht groß. Es dreht sich immer um das beste Preis-Leistungs-Verhältnis zu genau dem Zeitpunkt, an dem investiert werden muss.“

Vor allem Dell drückt derzeit auf den Preis, denn der weltweite Marktführer hat sich in der Vergangenheit in Deutschland schwer getan. Kein anderer Anbieter von Wintel-Maschinen konnte im zweiten Quartal mit einem Zuwachs von 44 Prozent auf 190 000 Geräte so stark zulegen wie die Texaner. Finanzielle Zugeständnisse an Großunternehmen sind dank der eigenen schlanken Organisation und strikten Kostenkontrolle möglich. Dell leistet sich den Preiskampf, denn nur Dell kann sich den Preiskampf leisten.Wettbewerber berichten von Projekten, bei denen ein Dell-Desktop für rund 270 Euro den Besitzer wechselt.

„Viele kleinere Anbieter“, sagt Gartner-Analystin Escherich, „können einfach nicht mehr mithalten.“ So sinkt der Anteil der „übrigen“ Hersteller an den in Deutschland verkauften Rechnern seit Jahren kontinuierlich. Im zweiten Quartal 2004 kamen 32 Prozent der PCs von einem Hersteller, der nicht in Gartners Top Ten vertreten war. Im gleichen Zeitraum 2005 waren es noch 27 Prozent. Bei Notebooks ist das Missverhältnis noch ausgeprägter, denn nur jeder fünfte Mobilrechner stammt von einer kleinen Marke.

An der Spitze des deutschen Marktes liegt immer noch Fujitsu-Siemens Computers (FSC), auch wenn es im zweiten Quartal nicht überall rund lief. So sank der Desktop-Absatz der Münchner in dieser Phase laut Gartner verglichen mit dem Vorjahreszeitraum um rund neun Prozent. Allerdings konnte die Zahl der verkauften Notebooks um 55 Prozent gesteigert werden. „Wir haben stärker als andere Unternehmen auf das Thema Mobilität gesetzt“, kommentiert FSCs Deutschland-Chef Hans-Dieter Wysuwa die Zahlen.

Doch auch der FSC-Manager muss einräumen, dass sich an Großunternehmen derzeit nicht leicht verkaufen lässt. Hintergrund sei der Stellenabbau, den vor allem Konzerne betrieben: „Wenn eine große Bank 5000 Jobs streicht“, sagt Wysuwa, „sind das immer auch 5000 PC-Arbeitsplätze, die wegfallen.“ Demgegenüber laufe das Geschäft mit kleinen und mittleren Unternehmen in Deutschland sehr gut.Die kleineren Firmen erzeugen eine konstante Anschaffungswelle, zudem sind die PC-Lebenszyklen hier kürzer.

Zufrieden stellt auch der Verkauf an die deutschen Verbraucher. Die Zahl der abgesetzten Endkundenrechner stieg im zweiten Quartal um 15 Prozent, Firmenkunden kamen lediglich auf eine Zuwachsrate von knapp neun Prozent. Der Trend zum Notebook im heimischen Wohnzimmer ist weiterhin ausgeprägt, während in Unternehmen Escherich zufolge der Austausch stationärer Maschinen gegen Mobilrechner kaum noch ansteigt. Hintergrund ist, dass die Preise für privat genutzte Notebooks in den vergangenen drei Quartalen abgestürzt sind.

Hinzu kommt der Trend zum Zweit-PC in den eigenen vier Wänden. Alte Rechner werden einfach an die Kinder vererbt oder dienen speziellen Aufgaben in einem Heimnetz. An ihrer Stelle kommen neue, schicke Notebooks auf den Schreibtisch. Gegenwärtig gibt es nach Untersuchungen von Gartner rund 530 PCs pro 1000 deutsche Haushalte. Escherich schätzt, dass der Wert in den kommenden Jahren auf rund 70 Prozent ansteigt.

Weiterhin harter Markt

Der Markt sei „weiterhin hart“, resümiert FSC-Manager Wysuwa. Trotz schwacher Prognosen hofft er auf Signale, die eine Gegenbewegung einleiten könnten - wie vor der Bundestagswahl 2002, als es einen kurzen Nachfrageschub nach IT-Ausrüstung gegeben habe: „Das Prinzip Hoffnung hat dafür schon gereicht.“ Ob er dieses Zeichen auch in diesem Jahr schon gesehen hat? „Ganz ehrlich - nein.“ Davon beirren lassen will sich Wysuwa allerdings nicht. Schließlich gelte es, unabhängig von den Rahmenbedingungen „auch in Zukunft kreative und intelligente Lösungen“ zu finden. IT-Experte Harter von Booz Allen Hamilton ist zumindest etwas optimistischer, denn „allmählich stauen sich die Budgets“. Nach der Bundestagswahl, so seine Vermutung, könnte der Markt auch im Enterprise-Segment wieder anziehen.

* Der Autor ALEXANDER FREIMARK ist Redakteur bei der Computerwoche. (afreimark@computerwoche.de)