Benutzerservice-Zentren ändern ihr Profil

Der PC entwickelt sich zum wichtigen Unternehmensfaktor

06.07.1990

Aufgrund der raschen Verbreitung von PCs seit Anfang der Achtziger Jahre richteten die Unternehmen einen sogenannten Benutzerservice (IIV = individuelle Informationsverarbeitung) ein als Unterstützungs- und Beratungszentrum für die DV-Abteilung. War diese Unterstützung früher eher einseitig technisch orientiert, so soll der Anwender heute aktiv in den Entwicklungsprozeß miteinbezogen werden.

Über Jahre hinweg wurden insbesondere in größeren Unternehmen beträchtliche Summen in die Ausrüstung von Arbeitsplätzen mit Personal Computern und deren Software investiert. Dabei sind oftmals jährliche quantitative und wertmäßige Steigerungsraten zu verzeichnen gewesen, die weit über den Kennzahlen der konventionellen Informationsverarbeitung (IV) im Unternehmen sowie den einschlägigen betriebswirtschaftlichen Kennzahlen gelegen haben. Dieser Trend dauert an. Dem Nachfrageüberhang aus den Fachabteilungen nach Möglichkeiten zur individuellen Vorgangsbearbeitung wurde durch die Unternehmens-Informationsverarbeitung (UIV) kaum begegnet; man gestattete diese Extratouren ohne große Konsequenzen und bewilligte letztendlich die Budgets.

Die vielfältigen Gefahrenpotentiale eines "Personal Computing" treten nunmehr verstärkt zutage und werden durch die Anwender, Betreuungseinheiten für IIV und auch durch Marktpartner außerhalb des Unternehmens publik gemacht. Die IV-, aber auch zum Beispiel Revisionsabteilungen müssen aufgrund dieser Entwicklung reagieren beziehungsweise werden dazu von einer hierfür sensibilisierten Unternehmensleitung beauftragt. Die Reaktion erfolgt oft hektisch und mit einem Mangel an Konzeptionen. IV- und Revisionsabteilungen sind auf diese Aufgabe wenig vorbereitet. So kann es passieren, daß dieses publikumswirksame Handlungspotential sich nicht dort auswirkt, wo es hingehört: im Benutzerservice. Aufgrund der Dringlichkeit der Aufgabe könnten diese Versäumnisse leicht der UIV-Einheit angelastet werden, um einen Schuldigen dingfest zu machen.

Begeisterung statt Qualifikation

Als mögliche Folge wird diese Aktivität höher angesiedelt, und der Kreis der Akteure erweitert sich. Daraus resultieren zunehmende fachliche Entfernung sowie die Gefahr einer kontraproduktiven Profilierung im Kreise der Lösungsmitwirkenden. Damit begeht so manches Unternehmen den zweiten Fehler neben der Vernachlässigung und Unterschätzung der PC-Datenverarbeitung in der Vergangenheit.

Mit dem Einsatz von Personal Computern seit Beginn der Achtziger Jahre hat man in den IV-Abteilungen angesichts des permanenten Anwachsens der Installationen in den Fachabteilungen damit begonnen, Unterstützungs- und Beratungseinheiten unter dem Namen "Benutzerservice" aufzubauen. PC-Begeisterte setzte man dafür ein. Ein kleines Häuflein mußte genügen. Auf die Qualifikation dieser Leute, die auch zukünftig einer weiterentwickelten Beratungstätigkeit gewachsen sein sollten, achtete niemand.

Weiterbildung fand nicht statt

Das quantitative Anwachsen der PC-Installationen und vor allem die zunehmende Qualität und Komplexität dessen, was die Anwender mit diesen Betriebsmitteln erarbeiteten, führten zu immer mehr neuen Beratungs- und Unterstützungsanforderungen an diese Servicetruppe. Weiterbildung fand nicht statt, und der Benutzerservice blieb personell so ausgestattet wie zuvor beziehungsweise wurde nicht adäquat mit zusätzlichen Mitarbeitern entsprechend dem Aufgabenzuwachs vergrößert. Darüber hinaus schätzte man die Konzepte zur Lösung der veränderten Beratungs- und Unterstütztungsprobleme nicht richtig ein. Der Benutzerservice hatte und hat dadurch Probleme, bei den Kollegen aus der Anwendungsentwicklung und dem Großrechnerbereich für die eigenen Schwierigkeiten und die der Anwender Gehör, Verständnis und Kooperation zu finden.

Informatikbereich ist an seine Grenzen gestoßen

Die Einheit Benutzerservice wurde und wird nicht ernst genug genommen und demzufolge hierarchisch den anderen Informatikbereichen nicht gleichgestellt. Die Befugnisse eines Benutzerservices entsprechen deshalb keineswegs der seiner Bedeutung, was sich zum Beispiel in der Durchsetzung von IIV-Standards zeigt. Teilweise ließ man diese Truppe organisatorisch in der Anwendungsentwicklung existieren, wo sie allerdings nicht hingehört. Die IIV-Anwender haben diese veränderten Aufgaben und Anforderungen initiiert und zur Sprache gebracht.

Zunehmender Druck auf die IV-Abteilung im Unternehmen war und ist die Folge, was zu schnellen Reaktionen und einer Mängelaufdeckung im gesamten IV-Bereich führen muß. Der Informatikbereich ist in der Vergangenheit in vielen Fällen durch eine fehlende vorausschauende IIV-Strategie an seine Grenzen gestoßen. Ein Symptom dafür ist die Tatsache, daß Fachabteilungen IIV-Systeme akzeptieren, bedienen und zum großen Teil auch sinnvoll einsetzen. Im Informatikbereich dagegen - außer im Benutzerservice selbst - hat jedoch der PC als Arbeitsmittel bis in die jüngste Vergangenheit keinen allzu großen Durchbruch erzielt. Noch heute findet man zum Beispiel an den Arbeitsplätzen der Anwendungsentwickler anstelle von Terminals nur vereinzelt PCs als Werkzeuge. Im Vergleich zu manchen Fachabteilungen, etwa dem Rechnungswesen und Controlling, hinkt der Einsatz und die Akzeptanz von PCs an Informatik-Arbeitsplätzen hinterher. CASE-Tools und andere Entwicklungswerkzeuge am PC beginnen eine Veränderung einzuläuten.

Dem Gefahrenpotential des Einsatzes von Personal Computern ist nur schwer zu begegnen. Zu sehr sind sie mittlerweile Bestandteil der täglichen Arbeit und gelten als unverzichtbar. Einerseits handelt es sich bei PCs um individuelle Instrumente für einzelne Arbeitsplätze und Funktionsträger, deren sinnvoller Einsatz im Zuge einer Effizienzsteigerung der Vorgänge grundsätzlich nirgendwo mehr angezweifelt wird. Man will ja gerade die individuelle Komponente aufrechterhalten, was zum Beispiel der zunehmende Einsatz von tragbaren Personal Computern in vielen Bereichen unter Beweis stellt. Andererseits ist zu gewährleisten, daß

- nur Daten verarbeitet, gespeichert und transportiert werden, für die der Anwender autorisiert ist (beispielsweise personenbezogene, sensible Daten),

- der Anwender für die Daten und die Verarbeitungsvorgänge die volle Verantwortung trägt, das heißt, daß individuelle Verarbeitung nicht nur große Flexibilität und Gestaltungsfreiheit, sondern auch Pflicht- und Verantwortungsbewußtsein bedeutet,

- keine oder nur vertretbare Redundanzen bei den Anwendungen und Inkonsistenzen bei den Daten auftreten,

- das Unternehmen (der Benutzerservice) weiß, mit welcher Hard- und Software welche Daten mit welchen Applikationen wo und durch wen verarbeitet werden und daß hierfür nur registrierte und lizenzierte Produkte zum Einsatz kommen,

- keine Softwareprodukte von außerhalb des Unternehmens ein, gesetzt werden,

- Daten nicht unbeteiligten Dritten zugänglich sind, sofern betriebliche Zwecke es nicht erfordern,

- nur Hard- und Softwareprodukte zum Einsatz kommen, die standardisiert sind und für die Support sichergestellt werden kann.

Verordnungen führen nicht zum Ziel

Diese Konfliktsituation ist nur dadurch zu lösen, daß unter Beibehaltung eines höchstmöglichen Ausmaßes an Individualität die genannten Punkte erfüllt werden. Das kann nur über den Anwender selbst gehen. Der Weg alleine über Verordnungen, Instruktionen und Verbote ist ein Weg, der in der Regel nicht zum gewünschten Ziel führt, wie wir es aus anderen Bereichen des täglichen Lebens wissen.

Der Anwender muß hier aktiv gestalten, der Informatikbereich muß ihn durch Beratung und Unterstützung, wozu auch das Marketing gehört, veranlaßt werden, dementsprechend zu handeln. Dies ist schwierig, weil diese kooperative Aufgabe die Hauptkomponente dessen ist, was plakativ mit "Information Management" bezeichnet wird.

Die Gratwanderung des Information Managers

Der Information Manager in einem Information Center hat diese Gratwanderung zu ermöglichen und einen Absturz auf die eine oder andere Seite zum Schaden des Unternehmens zu verhindern. Diese Art von Anwenderunterstützung muß in Zukunft gerade im PC-Sektor wirksam und nachhaltig erfolgen, nicht mehr die technisch orientierte Unterstützung vergangener Zeit. Dazu müssen traditionelle Strukturen und Verfahren in der ganzen unternehmensinternen Informationsverarbeitung im Hinblick auf eine Veränderung und Aktualisierung nicht nur an- und durchgedacht, sondern in die Tat umgesetzt werden. Es gibt keinen mir bekannten Fall von rascher Produkt- und Anwendungsinnovation, die nicht notwendigerweise Veränderungen in den Strukturen und Verfahren nach sich gezogen hätte.

Der PC in seiner rund zehnjährigen Einsatzgeschichte hat sich in der Technik, im Preis-Leistungs-Verhältnis und in den Anwendungsperspektiven sehr rapide entwickelt; er stellt dadurch einen kritischen Faktor in der unternehmerischen Informationsverarbeitung dar. Je eher und besser dieser kritische Erfolgsfaktor erkannt und angegangen wird, desto eher verliert die Informationsverarbeitung den Nimbus einer strategischen Waffe, eines vierten und wettbewerbserhaltenden oder -verbessernden Produktionsfaktors.