Der Norden holt auf

15.03.2004 von Holger Eriksdotter
In Hamburg, Bremen und Hannover finden IT-Experten attraktive Arbeitsplätze. Während in Hamburg die Neuen Medien eine besondere Rolle spielen, hat sich Bremen die Losung "Mobile City" auf die Fahnen geschrieben. Auch Hannover hat mehr zu bieten als die jährliche CeBIT.

Medienmetropole Hamburg

Traditionell gehören Handel, Verkehr und Hafen zu den bedeutendsten Wirtschaftsfaktoren der Hansestadt. Die Elbmetropole ist Deutschlands ältester Versicherungsplatz mit dem Hauptsitz mehrerer Versicherungen, Zentrum für Banken und Beratung; mit der Luftfahrtindustrie ("Airbus") und alteingesessenen Maschinen- und Anlagenbauern ist es auch ein industrielles Zentrum. Hamburg ist einer der wichtigsten Medienstandorte: Fünf der sechs größten deutschen Verlagshäuser haben hier ihren Sitz.

Auch im Bereich der "Neuen Medien" nimmt die Hansestadt bundesweit einen der vorderen Plätze ein. Im Wettbewerb der IT-Standorte in Deutschland kann die nach Berlin bevölkerungsreichste Stadt - auf einer Fläche von rund 755 Quadratkilometern leben mehr als 1,7 Millionen Menschen - aber nicht in allen Punkten mit der Bundeshauptstadt oder mit München konkurrieren, so eine Studie der Handelskammer von Ende 2002. Der Niedergang der New Economy hat Schrammen hinterlassen, die Shootingstars der New Economy wie "Popnet" und "Kabel New Media" sind Vergangenheit. Insbesondere die Branchennetzwerke, die Standortvermarktung und die Zahl der Studienplätze sollen jetzt verbessert werden.

Die Voraussetzungen für die Aufholjagd sind gut: In Hamburg arbeiten bereits rund 70 000 Beschäftigte in 5500 Unternehmen im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologien. "Die Hansestadt ist als Wohn- und Arbeitsort attraktiv, verfügt über eine hohe Gründerquote und ein breites Weiterbildungsangebot", loben die Autoren das "Tor zur Welt".

Dass sich gerade die Szene der Neuen Medien in Hamburg wohl fühlt, liegt nicht nur an der historisch gewachsenen Mediendichte, sondern auch an NetzwerkInitiativen wie hamburg@work (www.hamburg-media.net). Ihre Aufgabe: unbürokratischer Einsatz und gezielte Förderung der IT- und Multimedia-Branche. In acht Arbeitskreisen können Wissen und Kontakte ausgetauscht werden. "Hamburg bietet speziell für IT und Neue Medien ein attraktives Umfeld", ist Stefan Klein, Leiter des Info-Office des Public-Private Partnership von Stadt und Unternehmen, überzeugt. Nach einer Studie der TU Harburg sind etwa 15 000 Menschen allein in Unternehmen der Neuen Medien beschäftigt.

Mit der Aktion "Hotspot Hamburg" (www.hamburg-hotspot.net) ging der Stadtstaat hoch im Norden drahtlos online. Seitdem können die Hamburger in vielen Cafés, Restaurants und auf öffentlichen Plätzen kostenlos im Internet surfen. Mit dem "Hamburger Gründerpreis" werden in diesem Jahr wieder New--comer ausgezeichnet, die sich mit einem Erfolg versprechenden Unternehmenskonzept selbständig machen und Arbeitsplätze schaffen wollen. Die "Online-Kapitäne" - Mitarbeiter, Macher und Meinungsbildner der digitalen Wirtschaft - treffen sich bereits seit 1996 zweimal jährlich zum Networking traditionell auf der "Cap San Diego" im Hamburger Hafen. Neben der ältesten und größten Branchenveranstaltung der digitalen Medienwirtschaft in Deutschland fungiert die "CXO Lounge" als Treffpunkt ausschließlich für Führungskräfte der IT- und Medienszene.

Bremen will Mobile City werden

"Wir leiden darunter, dass wir hier außer T-Systems keinen wirklich großen IT-Arbeitgeber haben", sagt Jens Schröder, Geschäftsführer der Handelskammer Bremen und zuständig für Industrie, Innovation und Umwelt. Dabei würde sich die Freie und Hansestadt so gern als Hightech-Standort profilieren. Doch was nicht ist, kann ja noch werden. So backt sich Bremen eben die IT-Unternehmen selbst. 970 Unternehmen mit Schwerpunkt IT und Multimedia, die rund 6800 Menschen beschäftigen, zählte die Handelskammer 2003.

Foto: Bremer Touristik-Zentrale

T-Systems hat sein Entwicklungszentrum für Norddeutschland, eines von fünf in ganz Deutschland, im Stadtstaat angesiedelt. Weitere größere IT-Arbeitgeber sind Business Technology Consulting (BTC) mit rund 300 Mitarbeitern, dann folgen mit 60 bis zu 100 Mitarbeitern Messerknecht Informationssysteme, Nord IT und Neusta Computersprachen. Große Unternehmen, die ebenfalls IT-Know-how brauchen, sind Daimler-Chrysler, Kraft Foods, Tchibo, Kellogs und Beck & Co.

Ein Zentrum für Luft- und Raumfahrt ist das Land schon seit langem. Auch bei Firmen in diesen Bereichen finden IT-Profis Arbeit. EADS, Astrium Raumfahrt und Orbitale Hochtechnologie Bremen sind die wichtigsten auf diesem Gebiet. Mit dem Science-Center Universum, einem Wissenschaftsmuseum zum Anfassen, und Europas größtem Indoor-Erlebnispark zur Raumfahrt, dem ganz neuen Space-Park auf dem ehemaligen AG-Weser-Gelände, unterstreicht Bremen diesen Anspruch auch in touristischer Hinsicht. Das Land Bremen hat rund 682 000 Einwohner, davon leben in der Stadt Bremen mehr als 550 000. Hightech-City ist Bremen noch nicht, doch als Hafenstadt für Neues aufgeschlossen.

Der Senat hat sich der mobilen Kommunikation verschrieben und will ein Mobile Solution Center einrichten. In Bremen sitzt auch das Centrum für E-Commerce Nord-West, das mit anderen zum Kompetenznetz für E-Logistik cc-elogistics gehört. Die Gründerszene wird vom Bremer Innovations- und Technologiezentrum, kurz BITZ, unterstützt (www.technologiezentren-bremen.de), das bereits seit 1986 besteht. Gelegen im Herzen des Bremer Uni-Campus bietet es Büro- und Hallenflächen für Dienstleistungs-, Labor- und Produktionsbetriebe. Wer aus der Gründungsphase hinausgewachsen ist, findet nebenan Aufnahme im Fahrenheithaus.

Universum Science Center Bremen

Im Technologiepark der Universität Bremen haben sich inzwischen neben Wissenschaftseinrichtungen rund 300 Unternehmen mit mehr als 5000 Beschäftigten angesiedelt. Als Forschungs- und Beratungsinstitut an der Universität beschäftigt sich das neue Institut für Informationsmanagement Bremen (ifib) mit Fragen des Informations-Managements in Bildungseinrichtungen und in der öffentlichen Verwaltung. Das Zentrum für Informations- und Kommunikationstechnologie (ikom) dient als Schnittstelle zur Industrie. Auch von der privaten Elite-Uni International University Bremen erhofft sich die Stadt Innovationen. Mit dem Programm bremen in t.i.m.e. will das Land in fünf Jahren 50 Millionen Euro in IT-Projekte investieren. Bremens Trumpf dabei: menschliche Nähe. Firmen und IT-Experten sollen von der Vernetzung von universitärer Forschung, Design und

wirtschaftlicher Förderung profitieren.

Hannover: Mehr als die CeBIT

In Hannover kommen jedes Jahr im März mehr als 500000 Menschen aus aller Welt zur CeBIT zusammen. Damit verdoppelt sich auf einen Schlag die Einwohnerzahl. Doch das liegt nicht daran, dass die Region Hannover das deutsche Silicon Valley wäre. Mit über 2000 beziffert die Nord/LB in einer Studie 2003 die Zahl der lT-Firmen in der Region laut Umsatzstatistik. "Wir haben wenige große, dafür sehr viele kleine und mittelständische Firmen, in denen lT-Experten einen Arbeitsplatz finden", sagt Tilman Brunner, Projektleiter für E-Commerce an der IHK Hannover.

Regionale Schwerpunkte sind Verkehrstelematik, E-Learning und IT für Finanzdienstleister. Als Beispiel nennt Brunner die Finanz IT mit rund 2500 Mitarbeitern größter IT-Dienstleister in der Sparkassen-Finanzgruppe. Sie entwickelt Anwendungssoftware und betreibt eines der modernsten Rechenzentren-Verbünde Europas. Weitere bekannte Namen sind der IT-Dienstleister für die Energiewirtschaft Is:energy und der mobile IT-Spezialist Höft & Wessel.

Hannover gilt unter Nicht-Hannoveranern als nicht gerade attraktiv, doch die Stadt ist mit ihrem Umfeld der bedeutendste Wirtschaftsraum in Niedersachsen. Vor allem im Fahrzeug- und Maschinenbau und ihren Zulieferbranchen ist Hannover stark. VW ist mit 15 000 Beschäftigten im Bereich Nutzfahrzeuge das größte Unternehmen. In der Automobilindustrie und bei ihren Zulieferern arbeiten 31000 Menschen. Auch als Dienstleistungszentrum wächst Hannover: So haben die Hannover Rück, die Concordia Versicherungsgruppe und der Finanzdienstleister AWD hier ihren Stammsitz. Das Technologie-Centrum Hannover (TCH; www.tch.de) ist Anlaufpunkt für IT-Neugründer.

In der Vahrenwalder Straße ist im ehemaligen Verwaltungsgebäude des Autozulieferers Continental aus der Gründerzeit viel Platz für technologieorientierte Startups. Am zweiten Gründerstandort profitiert die Stadt von der Nachnutzung des Weltausstellungsgeländes: Der "Expo Park Hannover" (www.expo-park-hannover.de), in dem die Länder-Pavillons ihren Platz hatten, entwickelt sich zum IT- und Medienzentrum Hannovers. Hier sind auch kreative Studiengänge der Hochschulen Hannover untergebracht, eine Multimedia-Berufsschule, die Akademie für Medientechnik, die Deutsche Event-Akademie und das mit dem Stanford Center for lnnovations in Learning zusammenarbeitende Learning Lab Lower Saxony (L3S).

Das sechsgeschossige neue Bürocenter CampMedia auf der Expo-Plaza wird Heimat für junge Unternehmen der Hard- und Softwarebranche und der Neuen Medien. Um die staatlich geförderte Gründerwerkstatt im schicken Glasbau siedeln sich immer mehr Neugründungen an. "150 Firmen mit rund 400 Beschäftigten sind schon da", sagt TCH-Geschäftsführer Gerhard Bruhn. Zahlreiche Ausgründungen kommen vom Institut für theoretische Nachrichtentechnik und Informationsverarbeitung. Elektrotechnik mit Schwerpunkt Hardwareproduktion ist eine weitere Domäne des Hochschulstandorts Hannover.

*Holger Eriksdotter ist freier Journalist in Hamburg