Sparen mit Open Source

Der Mythos vom Kostenkiller

05.02.2009 von Wolfgang Herrmann
Viele Unternehmen wollen mit Open-Source-Software Kosten sparen. Doch nur wenige messen den wirtschaftlichen Nutzen, wie eine exklusive Studie der COMPUTERWOCHE zeigt.

Die Rezession ist in den IT-Abteilungen angekommen. Das belegt eine aktuelle Umfrage der COMPUTERWOCHE unter 147 IT-Entscheidern und -Spezialisten aus mittleren und großen Unternehmen. Bei 45 Prozent steht das IT-Budget wegen der konjunkturellen Lage auf dem Prüfstand. Kann Open-Source-Software von dieser Entwicklung profitieren? Anzeichen dafür gibt es. So denkt mehr als die Hälfte der Befragten angesichts der Krise über eine verstärkte Nutzung quelloffener Systeme nach oder hat sie bereits fest geplant.

Die meisten IT-Manager wollen mit quelloffener Software Kosten senken.

"Das Interesse an Open Source nimmt zu", bestätigt Marcel Warmerdam vom Marktforschungsunternehmen IDC. "Viele IT-Anwender ändern angesichts der bevorstehenden härteren Zeiten bereits ihre Prioritäten, verschieben Projekte oder blasen sie gleich ganz ab." Das beflügle den Markt für Open-Source-Software, weil Firmen damit Lizenzkosten reduzieren könnten.

Tatsächlich wollen 77 Prozent der von der CW interviewten IT-Manager mit quelloffener Software in erster Linie Kosten sparen. Gut 60 Prozent hoffen zudem, die Abhängigkeit von Herstellern zu verringern (siehe Grafik). Andere Studien kommen zu ähnlichen Ergebnissen. So befragte die amerikanische CW-Schwesterpublikation CIO im vergangenen Jahr 328 Führungskräfte aus der IT und anderen Abteilungen. 59 Prozent gaben an, mit Hilfe von Open-Source-Produkten Betriebskosten (TCO = Total Cost of Ownership) senken zu wollen. Fast ebenso viele (56 Prozent) erwarten günstigere Konditionen bei der Beschaffung. Auch das amerikanische Marktforschungs- und Beratungshaus Saugatuck Technology analysiert in einer Studie vom Dezember 2008 die Motive für den Open-Source-Einsatz. Anschaffungskosten stehen für Anwenderunternehmen demnach ganz oben auf der Liste.

Nur wenige Unternehmen analysieren die Kosteneffekte eines Open-Source-Einsatzes.

Umso überraschender erscheint ein anderes Ergebnis der CW-Umfrage: Trotz der überragenden Bedeutung des Kostenarguments erklärten 53 Prozent der Interviewten, den wirtschaftlichen Nutzen der Open-Source-Software in ihrem Unternehmen gar nicht zu messen. Knapp ein Viertel vergleicht zumindest Anschaffungs- und Lizenzkosten von kommerzieller und quelloffener Software. Eine Analyse der gesamten Betriebskosten (TCO) über die geplante Nutzungsdauer der Systeme nehmen lediglich 23 Prozent vor.

Knackpunkt Betriebskosten

Viele Unternehmen fischen also mit ihrem Open-Source-Engagement im Trüben. Und das ist problematisch, nimmt man die Prognose des Gartner-Analysten Mark Driver ernst: Bis zum Jahr 2013 werden demnach 50 Prozent der IT-Projekte, die Open-Source-Software nutzen, keinerlei Einsparungen gegenüber Closed-Source-Alternativen bringen. "Gehen Sie davon aus, dass die operativen Kosten vieler Open-Source-Lösungen auf lange Sicht ähnlich hoch sind wie die proprietärer Systeme", lautet seine Empfehlung, und weiter: "Erwarten Sie nicht, dass sie ohne ein effektives Finanz-Management mit Open Source oder irgendeiner anderen Technologie Kosten sparen."

Open Source Produktivity Tools
Info World Test Center
Das InfoWorld Test Center hat die besten quelloffenen Productivity-Anwendungen gewählt.
Sound-Bearbeitung
Audacity kann bis zu 16 Kanäle auf einmal bearbeiten und bietet darüber hinaus eine Reihe weiterer innovativer Features.
3D-Modellierung
Dank der weltweiten Entwicklergemeinde läuft die 3-D Modelling und Rendering Suite Blender auf nahezu jedem Betriebssystem.
Web Browser
Firefox konnte in seiner 3.0 Version Standarts setzen.
Bildbearbeitung
Der kommerziellen Konkurrenz in Sachen Bildbearbeitung nahezu ebenbürtig: GIMP.
Productivity Suite
OpenOffice.org ist die bekannteste quelloffene Alternative zu Microsofts Office Paket.
PDF-Erstellung
Mehr als 50 freie PDF-Konverter sind derzeit verfügbar. Am meisten überzeugte der PDFCreator.

Wie viel lässt sich sparen?

Trotz solcher Einwände berichten Leser der COMPUTERWOCHE durchaus von konkreten Einsparungen. Gemessen an ihrem gesamten IT-Budget haben knapp 16 Prozent der Studienteilnehmer eigenen Angaben zufolge zwischen einem und fünf Prozent gespart, 14 Prozent nannten eine Spanne zwischen fünf und zehn Prozent. 15 Prozent gelang es sogar, die Kosten um zehn bis 15 Prozent zu reduzieren. Unterm Strich haben demnach knapp 45 Prozent der Befragten mit Hilfe von Open-Source-Software zwischen einem und 15 Prozent ihrer IT-Budgets gespart.

Was solche Aussagen wert sind, wenn ein Großteil der Verantwortlichen den wirtschaftlichen Nutzen des Open-Source-Einsatzes gar nicht beziffern kann, lässt sich schwer ermessen. Einige Hinweise geben die IT-Bereiche, in denen die Befragten eigenen Angaben zufolge Einsparungen erzielt haben. 71 Prozent nannten die Softwarebeschaffung, also beispielsweise Lizenzkosten. In der Softwareentwicklung und -anpassung verzeichneten 32 Prozent gesunkene Aufwendungen. Dagegen konnte nur knapp ein Drittel im Softwarebetrieb und im Support (TCO) Kosten reduzieren. 15 Prozent erreichten keinerlei Einsparungen.

Open Source Entreprise Anwendungen
InfoWorld Test Center
Das InfoWorld Test Center präsentiert die besten Open Source Enterprise-Anwendungen.
Content Management
Alfresco Community deckt die vier Hauptaufgaben von ECM ab: Image Management, Dokumenten-Management, Records Management und Web Content Management
Enterprise Resource Planning
Compiere liefert ein gutes Allround-ERP-Paket, kombiniert mit grundlegenden CRM-Funktionen.
Projektmanagement
Das Programm dotProject besticht durch ein einfaches und sauberes User-Interface, das schnellen Zugriff auf Projekte, Aufgaben und zugehörige Dateien bietet.
Application Monitoring
Hyperic HQ bietet Application Performance Monitoring mit diversen Dashboard-Ansichten.
Business-Process-Management
Intalio BPMS kombiniert eine J2EE/JBI-basierende Prozess-Engine mit einem Eclipse-basierenden Designer für das Modellieren von Geschäftsaktivitäten.
Reporting
JasperReports gehört zu den ausgereiftestesten Reporting-Engines am Markt.
Enterprise Portal
Liferay Portal ist ein leistungsstarkes aber einfach zu bedienendes Tool, das komplexe organisatorische Strukturen abbilden kann.
E-Commerce
Magento eCommerce ist ein PHP-basierendes Packet, das mächtige und flexible Funktionen für das Katalog- und das Kundenmanagement bringt.
Business Intelligence
Open Source BI-Lösungen sind rar. Pentaho Open BI Suite bietet dennoch Funktionen, die an kommerzielle Systeme heranreichen.
Customer-Relationship-Management
SugarCRM ist wahrscheinlich die kompletteste und professionellste Open Source CRM-Lösung.

Wunsch und Wirklichkeit

Noch etwas mehr Licht ins Dunkel bringt die Frage, in welchen Bereichen IT-Verantwortliche grundsätzlich Einsparpotenziale durch den Einsatz von Open-Source-Software sehen. Die Prozentwerte für die Softwarebeschaffung (74 Prozent) und die Softwareentwicklung (28 Prozent) decken sich etwa mit den tatsächlich erreichten Einsparungen. Anders stellt sich die Situation bei der Messgröße TCO dar: 44 Prozent sehen diesbezüglich Sparpotenzial, gegenüber 30 Prozent, die bereits Ergebnisse vorweisen können. Diese Diskrepanz lässt sich als Indiz dafür werten, dass Gartner-Analyst Driver mit seiner Einschätzung richtig liegen könnte. Anders ausgedrückt: Die mit Open-Source-Software verbundenen Einsparungen über die gesamte Nutzungsdauer sind oft mehr Wunsch als Wirklichkeit.

Wie sich Kosten und Nutzen von Open-Source-Systemen messen lassen, erfahren Sie im Artikel "Was kostet Open Source?" (wh)

Open Source Developer Tools
InfoWorld Test Center
InfoWorld Test Center zeigt die besten Open Source Developer Tools.
Object Database
db40 startete als eine Java Database-Bibliothek und ist mittlerweile zur ausgereiften Memory-Management Lösung herangewachsen.
Version Control
Git ist ein schnelles Versions-Kontrollsystem. das einst von Linus Torvalds ersonnen wurde.
Web Client Library
HttpClient ist eine Open Source Java HTTP Client Bibliothek mit hohem Nutzfaktor.
Parallel Programming
Intel Threaded Building Blocks (TBB) ist eine portable, Template-basierte C++ Bibliothek, die einen higher-level, task-basierten Parallelismus imlementiert.
Business Rule Management System
JBoss Drools ist ein würdiger Gegner für Blaze Advisor und JRules, aber dennoch frei unter der Apache Open Source Lizenz erhältlich.
Rich Internet Applikationen
Open Flex ist erste Wahl wenn es um das Produzieren von Rich Internet Applikationen geht.
JavaScript Framework
Mit Prototype wird das Generieren von JavaScript objektorientierter und flexibler als mit "bloßem" JavaScript.
Web Services Test Tool
Wenige SOAP Test-Tools sind so einfach und mächtig wie soapUI. Es ist entweder als Stand-alone Produkt oder als Plug-in für Eclipse, IntelliJ und NetBeans erhältlich.

Was gegen Open Source spricht

Den Vorzügen von Open-Source-Lösungen stehen aus Sicht der COMPUTERWOCHE-Leser eine Reihe von tatsächlichen oder erwarteten Nachteilen gegenüber. Am meisten Kopfzerbrechen bereitet den IT-Verantwortlichen der ihrer Meinung nach unzureichende Support. Mehr als die Hälfte der Befragten nennt diesen Aspekt. Für 40 Prozent stehen mangelnde Fachkenntnisse im eigenen Unternehmen einem Einsatz quelloffener Software im Weg. Jeweils ein Drittel der IT-Verantwortlichen hegt Sicherheitsbedenken und sorgt sich um den Reifegrad der Software. Die diversen Lizenzbedingungen quelloffener Systeme und damit verbundene Risiken sind dagegen lediglich für 17 Prozent ein Thema. Immerhin ein Fünftel klagt über mangelnde Rückendeckung aus dem oberen Management.

Open Source Trends 2009
Open Source wird kommerzieller
Schon in der Vergangenheit haben immer mehr Unternehmen versucht, mit quelloffener Software Geld zu machen. Die Idee dahinter ist simpel: Man stellt die Software kostenlos zur Verfügung und lässt sich für den Support bezahlen. Diese Entwicklung werde sich zwar fortsetzen, so Urlocker. Doch <a href="http://www.computerwoche.de/schwerpunkt/c/CIO.html">CIOs</a> und CTOs gingen das Thema pragmatisch an. Sie bezahlten nicht einfach für den Support, nur weil Anbieter dies verlangten. Für sie zähle der Mehrwert, den Open-Source-Tools für ihr Unternehmen bringen können. Dienstleister seien deshalb gefordert, neue Ideen zu entwickeln, was direkt zum nächsten Trend führt.
Mehr Experimente mit Geschäftsmodellen
Während <a href="http://www.computerwoche.de/schwerpunkt/r/Red-Hat.html">Red Hat</a> mit seinem auf Unternehmen zugeschnitten Subskriptionsmodell erfolgreich agiert, gibt es in der Open-Source-Szene eine große Vielfalt weiterer Geschäftsmodelle. Anbieter wie Alfresco, Pentaho, <a href="http://www.computerwoche.de/schwerpunkt/s/SugarCRM.html">SugarCRM</a> oder <a href="http://www.computerwoche.de/knowledge_center/open_source/1860994/">MySQL</a> haben jeweils eigene Strategien entwickelt. MySQL beispielsweise offeriert den Core Server als reines Open-Source-System, zusätzliche Funktionen sind hingegen nur über eine Abomodell nutzbar. Andere Player, darunter Pentaho oder SugarCRM, statten ihre Enteprise-Produken auch mit Closed-Source-Features aus. Im laufenden Jahr werden die Open-Source-Spezialisten verstärkt mit neuen Geschäftsmodellen experimentieren, um herauszufinden, wie sie Benutzer in zahlende Kunden verwandeln können.
Open Source wird Mainstream
Den bedeutendsten Trend für das Jahr 2009 sieht Urlocker darin, dass sich Open-Source-Software immer mehr zum normalen Bestandteil der grundlegenden IT-Strukturen von Unternehmen entwickelt (siehe auch: <a href="http://www.computerwoche.de/knowledge_center/open_source/1849336/">Die Zukunft von Open Source</a>). Dies gelte vor allem für Betriebssysteme (<a href="http://www.computerwoche.de/schwerpunkt/l/Linux.html">Linux</a> und Co.), Middleware und Datenbanken. Kaum ein Startup-Unternehmen verwende heute noch proprietäre Software. Und immer mehr Firmen sähen in Open-Source-Software einen Weg, <a href="http://www.computerwoche.de/schwerpunkt/i/IT-Kosten.html">IT-Kosten</a> zu kontrollieren. Warum nicht auf Open Source setzen, wenn Google, Alcatel, Nokia oder Associated Press damit zufrieden sind? Gerade in Krisenzeiten ergebe es Sinn, Open-Source-Alternativen ernsthaft zu prüfen.

Wo Unternehmen Open Source einsetzen

Mehr als die Hälfte der von der COMPUTERWOCHE befragten IT-Verantwortlichen setzt Open-Source-Software in der IT-Infrastruktur ein. Dazu zählen etwa Betriebssysteme, Web-Server und Middleware. 29 Prozent erledigen Datenhaltungsaufgaben mit quelloffener Software (Datenbanken, Data Warehouse etc.), weitere 26 Prozent nutzen Entwicklungs-Tools und -Frameworks aus der Community.

Geht es um klassische Business-Anwendungen wie ERP oder CRM, greifen lediglich elf Prozent auf Open-Source-Programme zurück. Dagegen verwendet knapp ein Drittel quelloffene Office-Programme und Collaboration-Tools. Ein Viertel der Befragten verzichtet ganz auf Open-Source-Software.

International angelegte Studien großer Marktforscher wie IDC, Gartner oder Saugatuck kommen hinsichtlich des Einsatzgrades quelloffener Software in der Infrastruktur und im Bereich Business Applications teilweise zu höheren Werten.

Open Source Middleware
InfoWorld Test Center
Das InfoWorld Test Center präsentiert die besten quelloffenen Plattformen und Middleware-Tools.
Server-Betriebssystem
In der Kategori "Bestes Server-Betriebssystem" konnte CentOS den Sieg für sich verbuchen.
Enterprise Service Bus
Als Teil der JBoss Enterprise SOA Plattform wurde JBossESB trotz einiger kleinerer Schwächen ausgezeichnet.
Datenbank
In der Kategorie Datenbanken konnte sich MySQL gegen die starken Mitbewerber SQLite3 und PostgreSQL durchsetzen.
MySQL-Verwaltung
Wer MySQL-Datenbanken über das Internet verwalten möchte, sollte phpMyAdmin wählen.
Small Footprint-Betriebssystem
Große Leistung bei erstaunlich geringem Platzbedarf: Puppy Linux macht es vor.
Daten-Migration
Für die schnelle und unkomplizierte Migration von Daten bietet Jitterbit eine Reihe von effizienten Funktionen.
Desktop-Betriebssystem
Mit Ubuntu 8.04 alias Hardy Heron wurde der beste Linux-Desktop noch besser.
Desktop-Virtualisierung
Die modulare VM-Lösung VirtualBox unterstützt neben Windows auch Mac OS X und eine Reihe von Linux-Distributionen als Host-Systeme.
Server-Virtualisierung
Als Server-Virtualisierungsplattform für Linux unterstützt Xen ein breites Spektrum an Hardware und gängige Betriebssysteme als Gäste.