Techconsult: Kaufmännische Entscheider sehen IT positiv

Der Mittelstand verlangt Prozessunterstützung von der IT

13.02.2008 von Peter Burghardt
Wieder einmal haben die ITK-Anbieter den Mittelstand als potente Kundengruppe entdeckt. Doch was treibt kleinere und mittelgroße Unternehmen wirklich um? Die Marktforscher von Techconsult haben Einkaufsverantwortliche und Controller in Unternehmen befragt. Demnach suchen Mittelständler vor allem nach IT-Lösungen, die ihre Kernprozesse unterstützen.

Der Mittelstand ist in aller Munde, wenn es ITK-Anbietern darum geht, attraktive und neue Zielmärkte zu beschreiben. Besonders aggressiv und plastisch hat das SAP mit TV-Werbung zur Sportschau-Zeit verdeutlicht. Aber auch viele andere große ITK-Anbieter möchten dieses Jahr (natürlich) den Umsatz (wieder einmal) auch mit Hilfe des Mittelstandssegments erhöhen.

So attraktiv der Mittelstand auch erscheint, so schwierig ist er für IT-Anbieter als Marktsegment zu fassen und zu bedienen. Nicht zuletzt aufgrund der schieren Größe und der Heterogenität ist eine sinnvolle Segmentierung oft ebenso schwierig wie eine gezielte Ansprache. Denn die Bedürfnisse und Anforderungen lassen sich nur schwer über einen Kamm.

Definition und Markt

Das Institut für Mittelstandsforschung (IfM) in Bonn definiert Unternehmen mit bis zu neun Beschäftigten beziehungsweise weniger als einer Million Euro Jahresumsatz als kleine und solche mit zehn bis 499 Beschäftigten beziehungsweise einem Jahresumsatz von einer Million Euro bis unter 50 Millionen Euro als mittlere Unternehmen. Die Gesamtheit der KMU setzt sich somit aus allen Unternehmen mit weniger als 500 Beschäftigten respektive 50 Millionen Euro Jahresumsatz zusammen. Für die Interpretation mancher Marketing-Botschaften ist es wichtig zu wissen, dass diese Zahlen für ITK-Anbieter oft nur eine sehr grobe Richtlinie darstellen - Unternehmen mit weniger als 10 000 Mitarbeitern zählen durchaus für den einen oder anderen zum "Mittelstand".

Als pragmatische Lösung für die Abgrenzung des Mittelstands hat es sich erwiesen, die Gruppe der Unternehmen mit 20 bis 499 Beschäftigten zusammenzufassen. Kleinere Unternehmen verhalten sich oft zu wenig strategisch und haben tendenziell weniger komplexe Prozesse abzubilden. Größere Unternehmen haben sehr oft Anforderungen, die denen großer Konzerne ähneln. Häufig betreiben sie komplexe IT-Lösungen, von denen eine hohe internationale Verfügbarkeit erwartet wird. Nicht vergessen darf man bei derartigen Überlegungen jedoch, dass die einfache Segmentierung nach Größe allein nicht zielführend ist. Sehr oft entscheidet auch ie Branchenzugehörigkeit über die ITK-Affinität .

In diesem Segment tummeln sich 155 000 Unternehmen, die durchschnittlich 170 000 Euro pro Jahr für ITK ausgeben und somit mit 26,5 Milliarden Euro immerhin 28 Prozent des gesamten ITK-Marktes in Deutschland repräsentieren.

Prozessunterstützung im Mittelstand

Um sich ein Bild vom Mittelstand zu machen, lohnt es sich, den kaufmännischen Entscheider als Informationsquelle heranzuziehen. Zum einen haben oft Controller oder andere so genannte Business Decision Maker mit ähnlichen Aufgaben einen guten Überblick über die Unternehmensprozesse und somit auch über deren Unterstützung durch Informationstechnologie. Zum anderen setzen fast alle diese Firmen Software für betriebswirtschaftliche Basisprozesse ein, so dass die Sichtweise der kaufmännischen Entscheider in dieser Zielgruppe sehr interessante Einblicke in den mittelständischen IT-Markt erlaubt.

Die mittelständischen Business-Entscheider sehen vor allem die Finanzsysteme gut durch die IT unterstützt..
Foto: TechConsult

Grundsätzlich zeigen sich die Business-Entscheider recht zufrieden mit der Unterstützung der IT im Unternehmen. IT wird weniger in der Rolle des Kostenverursachers gesehen, wie gerne zitiert wird. Vielmehr verbinden kaufmännische Entscheider mit der IT eine höhere Unternehmenstransparenz und eine verbesserte Qualität der betrieblichen Leistung.

Fragt man diese Insider nach konkreten Prozessen, zeigt sich jedoch, dass das Bild differenziert betrachtet werden muss, und die Unterstützung nicht überall als gleich gut wahrgenommen wird. Sicher nicht zuletzt durch die traditionelle Verbindung zwischen dem Finanzwesen und der Informationsverarbeitung steht das Rechnungswesen in der Gesamtbetrachtung an erster Stelle. An zweiter Stelle folgt der Einkauf. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass der Einkaufsprozess in Unternehmen mit mehr als 200 Mitarbeitern als recht schlecht unterstützt wahrgenommen wird. Zum einen dürfte dieser Prozess vor allem in Industrie- und Handelsunternehmen dieser Größe eine gewisse Wichtigkeit haben. Zum anderen dürfte sich dieser Prozess mittlerweile auch mit entsprechenden IT-Lösungen abbilden und effektiv unterstützen lassen.

Als wesentliches Kriterium für gut unterstützte Prozesse gilt die Branchenausrichtung der IT-Lösung. Selbst für vermeintlich allgegenwärtige Prozesse wie den Einkauf oder den Vertrieb spielt die Branchenausrichtung einer Software auf branchenspezifische Eigenheiten eine wichtige Rolle für ihre erfolgreiche Nutzung.

Sonderrolle CRM

Von den Fachabteilungen stellen Marketing und Vertrieb die höchsten Anforderungen an die IT. Die Ursachen dafür sind vielfältig. Beispielsweise sind dort die Prozesse oft noch nicht ausreichend definiert und ändern sich stark Ferner wird die durch die IT geschaffene Transparenz nicht überall gleichermaßen begeistert aufgenommen. Lösungen für prozessbedingte und persönliche Schwierigkeiten werden dann jedoch oft bei der IT gesucht.

Eigenentwicklungen dominieren, wenige Anbieter stechen in der Wahrnehmung heraus

Der Mangel an passenden Lösungen hat die Anwender zumindest in der Vergangenheit vielfach in die Eigenentwicklung getrieben. Diese Individuallösungen erfreuen sich immer noch hoher Beliebtheit. Prozesse, die aus der

Nach wie vor ist der mittelständische Softwaremarkt sehr zersplittert. Individuallösungen scheinen immer noch beliebt zu sein.
Foto: TechConsult

Sicht der Befragten am besten unterstützt werden, sind in fast einem Viertel der Fälle durch eigene Entwicklungen geprägt. Nur wenige Anbieter werden auf die Frage nach der Lösung für den bestunterstützten Prozess häufig genannt. Lediglich Microsoft, SAP, Sage und Datev weisen einen höheren Anteil auf. Somit konnte sich noch kein Anbieter als Favorit des Mittelstands positionieren. Selbst ausgemachte Branchenspezialisten stechen in den jeweiligen Branchen nicht hervor.

Aktuelle Projekte und deren Schwierigkeiten

IT-Projekte der nahen Zukunft haben vor allem Prozessverbesserungen zum Ziel. Auch wenn es in diesem Segment - noch - nicht so genannt wird, sind IT-Alignment, SOA usw hier ganz große Themen. Sie laufen allerdings eher unter dem guten alten Schlagwort ERP. Weitere konkrete Projekte zielen darauf ab, die Informationen im Unternehmen mittels ECM- und BI-Lösungen nutzbringender zu verwalten.

Als wesentliche Hemmnisse bei der Einführung neuer Software werden Prozesse und Mitarbeiter genannt. Prozesse auf die IT-Lösung abzustimmen und die Akzeptanz der Mitarbeiter für IT-Lösungen zu gewinnen, stellt zusammengefasst die größte Herausforderung der Verantwortlichen dar. Branchendifferenziert betrachtet, bereiten standardisierte Produkte vor allem Dienstleistungsunternehmen Probleme, während Industrie- und Handelsunternehmen besonders das fehlende qualifizierte Personal für die Einführung neuer Software bemängeln.

IT-Services im Mittelstand

Lediglich 23 Prozent der Mittelständler arbeiten komplett ohne externe Dienstleister. Etwa 40 Prozent der Unternehmen im Mittelstand lagern sogar verschiedenste IT-nahe Prozesse aus. Dabei liegt erwartungsgemäß die Lohnbuchhaltung an erster Stelle. Bei dieser Thematik offenbart sich einmal mehr die Problematik der scheinbaren Vereinfachung der Welt durch Akronyme: Fragt man, welche IT-nahen Prozesse ausgelagert sind, lässt sich ein deutlich zweistelliger Einsatzgrad von BPO ermitteln, obwohl die reduzierte Frage zu "BPO" lediglich einen Einsatzgrad von 5 Prozent als Antwort ergibt. Deutlich erkennbar ist jedoch, dass die Akzeptanz für IT-Dienstleistungen auch im Mittelstand vorhanden ist und die Nachfrage steigt.

Der übliche und offensichtlich problematische Weg, eine neue IT-Lösung zu beschaffen und dann die Prozesse darauf abzustimmen, stellt den Mittelstand nicht nur vor Umsetzungs-, sondern auch vor Akzeptanzprobleme. Dass Mittelständler oft unzufrieden mit den internen Prozessen sind, dürfte nicht zur Diskussion stehen. Statt einer ausschließlich IT-dominierten Prozessanpassung wird aber erwartet, dass im ersten Schritt eine Prozessanalyse stattfindet. Schwachpunkte und Optimierungspotenzial sind zunächst unabhängig von einer IT-Lösung zu definieren. Die Auswahl der passendsten IT-Lösung muss sich dann zwangsläufig an den neu definierten Prozessen orientieren. Vor diesem Hintergrund erhöhen sich in Zukunft deutlich die Anforderungen an den Mittelstandspartner. Die Befähigung, sich neben dem IT-Umsetzungspartner zum Management-Berater zu entwickeln, wird zum wesentlichen Erfolgsfaktor des Dienstleisters. Für den Hersteller von IT-Lösungen bedeutet dies aber auch, seine Channel-Partner auf dem Weg zum Management- und IT-Berater zu unterstützen. Das Konzept des Business Innovation Transformation Partners wird in den nächsten Jahren ohne Zweifel auch den Weg der Dienstleister im Mittelstand extrem beeinflussen.

Fazit

Das Segment Mittelstand bietet nach wie vor unzählige attraktive Nischen und bei potenziellen wie potenten Anwendern besteht eine Vielzahl ungelöster Probleme. Die Begeisterung selbst für die Auslagerung von Prozessen bezeugt eine neue Aufgeschlossenheit gegenüber Innovationen. In den Zeiten von SOA und der Abkehr von monolithischen Großlösungen sollten sich mit vertretbarem Aufwand Lösungen realisieren lassen, die Anbietern erlauben, Skaleneffekte zu erzielen. Die vorhandenen Probleme im Umfeld der Einführung neuer Software zeigen Dienstleistern den Weg, auf den sie ihre Berater schicken müssen. Sicher ist jedoch, dass sich der Mittelstand nicht durch eine platte Adressierung mit der Marketing-Gießkanne erschließen lässt – die Mittel dafür sollten zielgerichteter eingesetzt werden.