Der Markt für Business-Software

Der Markt für Business-Software 2005: Alle gegen SAP

13.10.2005 von Frank Niemann
Der deutsche Markt für ERP-, SCM- und CRM-Lösungen wächst, wenn auch nicht gewaltig. In allen drei Segmenten gibt SAP den Ton an.

Trotz wirtschaftlich schwierigen Zeiten in Deutschland wächst der hiesige Markt für Unternehmenssoftware. Das Beratungshaus Gartner beziffert den Gesamtumsatz mit Lizenzen für Enterprise-Resource-Planning-Software im Jahr 2004 auf 380 Millionen Dollar, was einer Steigerung gegenüber dem Vorjahr um elf Prozent entspricht. Rechnet man Währungseinflüsse heraus, bleibt allerdings nur noch ein Zuwachs von fünf Prozent übrig. „Die Anwender sind vorsichtig und überlegen sich genau, ob sie ihre Produkte modernisieren oder neue kaufen“, erläutert Chris Pang, Analyst bei Gartner. Kaufentscheidungen zögen sich in die Länge, und nicht wenige Softwareanschaffungen entfielen auf vor ein oder zwei Jahren eingeleitete Projekte, die nun erst in die Tat umgesetzt würden. Ein großer Teil des Umsatzes wird mit Bestandskunden erzielt, die weitere Lizenzen oder zusätzliche Module anschaffen.

SAP-Kunden halten an R/3 fest

An der Spitzenposition von SAP im Geschäft mit Software für das Enterprise-Resource-Planning ändert sich nichts. Die Walldorfer lassen die Konkurrenz weit hinter sich. Statt mit dem Wettbewerb hat der Softwarekonzern eher Schwierigkeiten mit der eigenen Klientel.Die allermeisten Kunden betreiben noch immer R/3 und zögern damit, auf das Nachfolgeprodukt „Mysap ERP 2004“ umzusteigen. Eher noch ist zu beobachten, dass Anwender die Ablauf- und Integrationsplattform „Netweaver“ gemeinsam mit dem Altprodukt sowie anderer Software verwenden, um die bestehenden SAP- und Nicht-SAP-Systeme zu integrieren. Gleichwohl kaufen die Firmen Mysap-Lizenzen, um noch Rabatte mitzunehmen, die der Hersteller von Jahr zu Jahr kürzt.

SAPs Konkurrenten stammen größtenteils aus den USA und haben in Deutschland bei weitem nicht die Bedeutung wie im Heimatmarkt. Der amerikanische ERP-Markt ist für SAP schwierig. Hier treffen die Walldorfer auf den Widersacher Oracle, der nach der Übernahme von Peoplesoft auch den US-amerikanischen Spezialisten für Handelssoftware Retek schluckte, an dem auch SAP Interesse hatte. Das Kaufangebot aus Walldorf hatte Oracle erfolgreich überboten. Mit der Übernahme der auf Bankensoftware spezialisierten indischen Firma i-Flex und des wie Retek im Handelssektor aktiven Anbieters Profitlogic baut Oracle sein Portfolio an branchenspezifischen Business-Programmen weiter aus.

Da Neukunden nur schwierig zu gewinnen sind, versuchen sich die Branchenriesen gegenseitig die Kunden abzujagen.Oracle und SAP haben Programme aufgelegt, die Bestandskunden des Konkurrenten zum Umstieg auf die eigene Plattform bewegen sollen. Diese Angebote bieten den Firmen alternative Wartungsdienste und sehen mittelfristig die Migration auf das eigene ERP-Produkt vor. „Safe Passage“ von SAP richtet sich an Peoplesoft- Kunden, die auf Mysap-Plattform gebracht werden sollen. Im Gegenzug legte Oracle mit „Off SAP“ ein Umsteigerprogramm für R/3-Nutzer auf, die statt auf Mysap auf Oracles Produkt migrieren wollen.

Kapitaler Widersacher für SAP

Noch ist nicht klar, ob diese Aktionen bei ERP-Kunden auf Gegenliebe stoßen. Offenbar konnte SAP von der Verunsicherung sowohl der Peoplesoft-Anwender als auch der potenziellen Neukunden profitieren. Die Walldorfer setzen darauf, dass Firmen, die Oracles Strategie nicht trauen, neue Produkte bei SAP kaufen. Der Datenbankspezialist hat das Mammutprojekt „Fusion“ angestoßen, mit dem eine gemeinsame technische Basis für die eigene ERP-Software („E-Business Suite“) sowie für die hinzugekauften Lösungen von Peoplesoft und Retek geschaffen werden soll.

Während Oracles deutscher Marktanteil (bezogen auf den Umsatz mit Lizenzen) kaum ins Gewicht fällt, steht der SAP mit Microsoft Business Solutions auch hierzulande ein kapitaler Widersacher gegenüber, wenn auch nur im Mittelstand. Auf die ERP-Sparte des amerikanischen Softwarekonzerns entfielen acht Prozent der Lizenzumsätze im Jahr 2004, und er konnte leicht zulegen. Allerdings entwickelt sich die im Vergleich zur Office-Abteilung des Konzerns kleine Geschäftseinheit nicht so, wie sich die Redmonder das vorgestellt haben.

Die Probleme sind hausgemacht

Die Probleme sind hausgemacht. Die Produktstrategie rund um „Project Green“, eine Verschmelzung der ERP-Linien „Navision“, „Axapta“ und „Great Plains“ zu einer neuen, auf Web-Services aufsetzenden Business-Plattform, sorgte für Unmut und Verunsicherung bei Partnern. „Hören Sie auf, von Project Green zu reden“, schimpfte ein Vertriebspartner auf einer Partnerkonferenz und beklagte sich darüber, wie schwer es sei, potenzielle Kunden von der Zukunftsfähigkeit der derzeit angebotenen Produkte zu überzeugen, da Microsoft bereits über die Nachfolgetechnik spreche.

Im März dieses Jahres revidierte Microsoft den Fahrplan in Richtung Project Green. Nunmehr sollen die neuen Entwicklungen in die bestehenden Produktlinien einfließen. Zusätzlich hat Microsoft mit „Small Business Accounting“ eine neue Produktkategorie aufgelegt. Simple Funktionen des Rechnungswesens werden dabei in eine Software gegossen, die für kleine Firmen mit zum Beispiel fünf Mitarbeitern genügt. Damit dringt der Softwareanbieter in das Terrain von Sage vor, die Firmengruppe liegt nach Umsatz auf Platz vier der deutschen ERP-Rangliste. Sage vertreibt mit „PC-Kaufmann“ erfolgreich Finanzbuchhaltungsprogramme für Minifirmen, während die Systeme „Office Line“ und „Classic Line“ eher mit Navision in Wettbewerb stehen. Microsoft hofft, Small Business Accounting so erfolgreich vermarkten zu können wie das Office-Paket. Der Kaufpreis des Massenprodukts soll bei 200 Euro liegen.

Drittstärkster ERP-Player ist Infor Global Solutions, das ebenfalls leicht zulegen konnte. Der ehemals unter Agilisys firmierende Hersteller bestreitet das hiesige Geschäft mit den in Deutschland entwickelten Produkten der gekauften Softwarehäuser Infor und Varial. Anfang dieses Jahres hatte das Unternehmen mit Mapics einen weiteren, auf Fertigungslösungen spezialisierten ERP-Hersteller übernommen, der hierzulande etwa 130 Kunden zählt.

Viele Kleine sind im Geschäft

Neben den internationalen Herstellern gibt es zahlreiche lokale Player, die im ERP-Geschäft erfolgreich sind. Laut Gartner-Analyst Pang konnte zum Beispiel Bäurer seinen Umsatz währungsbereinigt von 2003 auf 2004 um zwölf Prozent steigern.

Die Konsolidierung im Markt für Business-Software setzt sich unvermindert fort. Der in Deutschland nahezu unbekannte ERP-Spezialist Lawson Software will mit dem in Europa stark vertretenen schwedischen Anbieter Intentia zusammengehen.Die mit reichlich Geld von Investoren ausgestattete Firma SSA Global kaufte den amerikanischen CRM-Spezialisten Epiphany für über 300 Millionen Dollar und schluckte wenige Tage später die Startup-Firma Boniva, die Software für Personalverwaltung anbietet. Zwar verfügt SSA Global durch die Baan-Akquise bereits über CRM-Produkte, doch die reichten offenbar nicht aus, um gegen die führenden Hersteller SAP und Siebel zu bestehen.

Anders als Oracle versucht SSA Global nicht, die übernommenen Produkte zu einem neuen System zusammenzuführen, sondern vertreibt - von kosmetischen Änderungen abgesehen - die bestehende Software weiter. In Deutschland verkauft die Firma in erster Linie die Baan-Produkte.

Dominiert wird das CRM-Segment in Deutschland von SAP, gefolgt von Siebel, jedoch mit einigem Abstand. Der CRM-Spezialist tut sich schwer, die Marktanteile zu halten. Einerseits wird das Unternehmen von SAP bedrängt, andererseits machen ihm die Hosting-Anbieter Salesforce.com und Rightnow zu schaffen. Der Wettbewerb bewog Siebel zu Restrukturierungen und einigen Veränderungen im Management. Und Miet-CRM („On-Demand“) offeriert die Firma auch. Siebel setzte mit dem On-Demand-Angebot auf einen Trend, dem sich offenbar auch SAP nicht länger verschließen will. Ob dabei der Kunde die Software über monatlich zu zahlende Raten erwirbt oder tatsächlich nur eine Benutzungsgebühr entrichtet, steht noch nicht fest.

Welchen Einfluss Hosting-Angebote auf die CRM-Branche im Allgemeinen und das Lizenzgeschäft im Besonderen haben werden, ist nach Ansicht des Gartner-Analysten Pang noch nicht ausgemacht: „Mietlösungen sind noch zu jung, als dass man schon eine Bewertung abgeben könnte.“

Fragmentierte Märkte

An dritter Stelle in der CRM-Liste rangiert der von Oracle übernommene Anbieter Peoplesoft, gefolgt von Update Software AG aus Österreich und der Karlsruher CAS Software AG. Zu den Schwergewichten zählt ferner SAS Institute, das Business-Intelligence Software für analytisches CRM erfolgreich vermarktet.

Ähnlich fragmentiert wie das CRM-Geschäft präsentiert sich der hiesige Markt für Supply-Chain-Management (SCM). Dies liegt unter anderem daran, dass viele Anbieter bestimmte Branchen beziehungsweise Funktionsschwerpunkte bedienen. Führend ist wieder einmal SAP. Bedeutende SCM-Lieferanten sind ferner die ERP-Vollsortimenter Oracle und Intentia sowie Spezialisten wie IBS, i2, Manugistics und Ariba. Letztere hatte durch den Kauf von Freemarkets ihre Position auf dem deutschen Markt festigen können. Die britische DCS verkauft ihre Lösungen an die Automobilindustrie. Retek (von Oracle übernommen) liefert Warehouse- Management-Systeme für den Handel.

* Der Autor FRANK NIEMANN ist Redakteur bei der Computerwoche. [fniemann@computerwoche.de]