Der Markt für Business Intelligence: Jedermanns Glaskugel

27.09.2006
Business Intelligence (BI) ist ein Dauerbrenner. Obwohl schon seit über 30 Jahren entscheidungsunterstützende Systeme am Markt sind, steht das Thema wieder ganz oben auf der Prioritätenliste von Managern und CIOs.

Der zentrale Trend: Nicht nur das Top-Management soll Entscheidungen mit Hilfe von genauen Daten aus BI-Tools treffen, sondern auch die Fachabteilungen. Seit Jahrzehnten dienen BI-Werkzeuge zur Aufbereitung von Geschäftsdaten. Im Idealfall geht es um das Fahnden nach zusätzlichen Chancen, tatsächlich aber kontrollieren die meisten Anwender damit ihre Finanzen. BI-Werkzeuge haben sich in den schwierigen Jahren dabei bewährt, Transparenz zu schaffen, sprich: unrentable Geschäftsfelder, Kunden und Mitarbeiter sowie andere Risiken herauszufinden.

BI hat höchste Priorität

Angesichts des globalen Wettbewerbsdrucks, neuer Transparenzregeln wie dem Sarbanes Oxley Act oder den Basel-II-Vorgaben zur Kreditvergabe sehen die Unternehmen auch bei gut gehenden Geschäften keinen Grund, ihr BI-gestütztes Controlling schleifen zu lassen. Im Gegenteil. Nach einer Umfrage des Marktforschungsunternehmens IDC rangiert das Thema in den kommenden zwei Jahren auch in allen anderen Fachbereichen, etwa im Vertrieb und selbst in der Produktion, bei mehr als 90 Prozent aller Befragten ganz oben - im Rechnungswesen waren es 100 Prozent.

Top 10

Business-Intelligence-Software Marktanteile in Deutschland 2004 nach Umsatz Hersteller Marktanteil in Prozent

  1. SAS Institute 19,3

  2. SAP 17,9

  3. Business Objects 14,2

  4. Cognos 10,7

  5. Microsoft 9,5

  6. Hyperion 5,9

  7. Arcplan 3,2

  8. Microstrategy 2,7

  9. Oracle 2,3

  10. Applix 1,8

Da Gartner die Zahlen für den BI-Markt des Vorjahres erst im November erhebt, sind die genannten Zahlen aus dem Jahr 2004. Quelle: Gartner

Die IDC-Umfrage spiegelt einen zentralen Branchentrend wider: Business Intelligence ist nicht mehr nur eine Aufgabe für Analysespezialisten, sondern für Manager auf allen Ebenen und in allen Bereichen. Getrieben wird dieser Trend nicht nur von den schon erwähnten Transparenzregeln und deutlich benutzerfreundlicheren Tools. In den großen Firmen wirkt vor allem das Vorbild aus der Führungsetage. Wer weiß, dass sein Chef Entscheidungen mit Datenmaterial absichern möchte, wird sich dem Trend nicht verweigern. Zudem bilden die BI-Empfehlungen in Zeiten unsicherer Arbeitsverhältnisse einen guten Schutz gegen spätere Kritik. Allerdings birgt die Versachlichung von Entscheidungen auf allen Ebenen nicht nur Vorteile. Sie führt zu deutlich mehr Bürokratie und fördert eher Sicherheits- als unternehmerisches Denken.

Für die BI-Anbieter bedeutet diese Entwicklung, dass sie an Kundenschichten herankommen, die sich bislang wenig mit der systematischen Vereinheitlichung und Analyse von Geschäftsdaten beschäftigten. Dazu gehört, dass auch Mittelständler erwägen, ihre Spreadsheets um ausgefeiltere BI-Tools zu ergänzen.

Boomen ist was anderes

Dennoch boomt der Markt nicht in dem Maße, das man angesichts des großen Interesses vermuten würde. Stand im vergangenen Jahr auf diesen Seiten noch die einhellige Prognose von weiterhin stabilen Wachstumsraten zwischen zehn und 20 Prozent, so rechnen die Spezialisten von IDC und Gartner in den kommenden Jahren lediglich mit einem Wachstum von rund fünf Prozent. So erwies sich die Annahme der inzwischen von Gartner geschluckten Meta Group vor zwei Jahren als falsch, die erwartete, dass der eigentliche Boom mit der Erholung der Gesamtwirtschaft erst beginnen werde. Zum Zeitpunkt dieser Prognose lagen die Wachstumszahlen zwischen 16 und 20 Prozent.

Carsten Bange, Geschäftsführer des Business Application Research Center (Barc), hält für dieses Jahr allerdings Wachstumsraten zwischen sechs und zehn Prozent für realistisch, die Unternehmensberatung Lünendonk glaubt sogar an knapp zweistellige Zuwächse. Dieser Optimismus könnte daher rühren, dass hierzulande das Geschäft mit Business-Software angezogen hat, in die zunehmend BI-Komponenten integriert werden. Das gilt insbesondere für ERP-Markführer SAP, der sich 2004 hinter SAS Institute auf den zweiten Platz von Gartners BI-Rangliste vorschieben konnte. Im Teilmarkt Data-Mart- und Data-Warehouse-Pakete ist die SAP laut IDC sogar mit 67 Prozent Marktführer in Deutschland.

Dieser Erfolg spiegelt einen zweiten, für die BI-Spezialisten nicht ungefährlichen Trend wider. Die bislang vor allem von ihnen angebotenen Funktionen tauchen zunehmend auch in Produkten von Plattformanbietern wie SAP, Oracle oder Microsoft auf, die damit ihren Stammkunden neue Releases, im Falle der SAP die Netweaver-Plattform, schmackhafter machen.

Weniger erfolgreich war bislang ERP-Konkurrent Oracle mit seinen Werkzeugen, obwohl BI relativ nahe am Datenbankmarkt angesiedelt ist. Insofern dürfte es dem Unternehmen nicht schwer gefallen sein, sich auf das zugekaufte "Siebel Analytics" als BI-Angebot zu konzentrieren. Oracle selbst betont allerdings weniger die Siebel-Qualitäten als den Verbundcharakter seiner "Business Intelligence Suite", in der auch die Datenbank "10g" und die Middleware "Fusion" eine Rolle spielen.

Ernsthafte Konkurrenz

Während die Marktteilnehmer den Strategiewechsel bei Oracle zwar interessiert, aber gelassen zur Kenntnis nehmen, sehen sie in Microsoft einen ernsthaften Konkurrenten. Der Grund: Business Intelligence findet in vielen Unternehmen vor allem via Spreadsheet, sprich mit Microsofts Excel, statt. Für Management-Reporting, Geschäftsplanung, Finanzberichtswesen, Konsolidierung und Performance Scorecards/Dashboards setzen nur 20 bis 30 Prozent der Unternehmen professionelle BI-Tools ein, weitere 25 bis 35 Prozent arbeiten mit analytischen ERP-Lösungen. BI-Anbieter unterstützen daher fast durch die Bank Excel als Frontend-Werkzeug. Die Integration in die hauseigenen Office-, CRM- und Datenbankprodukte kann aber keiner von ihnen so gut leisten und vor allem so kostengünstig anbieten wie Microsoft selbst. Vor allem die BI-Anbieter von Basisfunktionen und Reporting-Spezialisten dürften durch das Engagement aus Redmond unter Druck geraten.

Die BI-Aktivitäten von SAP, Microsoft und Co. entsprechen zudem dem Bedürfnis der Anwender, möglichst wenige unterschiedliche Techniken einsetzen zu müssen. So sind für eine BI-Architektur in der Regel mindestens zwei bis drei Komponenten nötig. Hinzu kommen die vielen operativen Systeme, in denen die Daten erzeugt werden, die allesamt zu einer unternehmensweit einheitlichen Form und Bedeutung harmonisiert werden müssen. Der dafür nötige Aufwand müsste Best-of-Breed-Strategien denkbar ungeeignet erscheinen lassen. Trotzdem erfreuen sich diese Ansätze bei den Anwendern großer Beliebtheit.

BI als Web-Service

Die klassischen BI-Anbieter reagieren auf diese Situation, indem sie möglichst umfassende End-to-End-Lösungen aufbauen. Um Lücken zu schließen, kaufen die großen Anbieter weiterhin Mitbewerber auf und halten damit den seit Jahren andauernden Konzentrationsprozess in Gang. Besonders begehrt waren hier in den vergangenen Jahren Spezialisten, deren Programme halfen, die Datenqualität zu messen oder zu verbessern.

Unter dem Druck von Microsoft und den ERP-Anbietern weichen die BI-Spezialisten zunehmend auf vertikale Märkte aus. Dabei gehört die Finanzbranche mit ihren Risc-Management-Anforderungen und ihrer Bereitschaft, viel Geld für IT auszugeben, nach wie vor zu den begehrtesten Kunden. Zu den Hoffnungsträgern zählt auch der von Reformen gebeutelte Gesundheitsmarkt. Insbesondere die Krankenhäuser fahnden nach Einsparpotenzialen.

Technische Flexibilität verschaffen sich die Anbieter, indem sie ihre Software in Service-orientierten Architekturen (SOA) aufbauen. Web-Service-Techniken spielen generell eine zentrale Rolle bei der Einbindung von BI-Funktionen in geeignete Anwendungen, aber auch für das Konfigurieren von BI-Komplettlösungen. Cognos hat daher die Version 8 seiner Software vollständig in einer entsprechenden Architektur aufgebaut. Die Mitbewerber folgen, auch weil sie dadurch für künftige Entwicklungen flexibler werden. Auch andere Softwerker profitieren von der Attraktivität leicht einbindbarer BI-Funktionen. Unklar sind jedoch die Vorteile für die Anwender. So befürchtet das US-amerikanische Marktbeobachtungsunternehmen Ventana Research, dass das Konzept von "BI as a Service" die eigentlich beabsichtigte einheitliche Sicht auf das Unternehmen erschweren könnte. Seit rund zwei Jahren propagiert die Branche, BI nicht nur zur Aufbereitung von Unternehmensdaten zu entscheidungsrelevantem Wissen zu verwenden, sondern damit auch die Prozesse zu überwachen (Business Activity Monitoring) und zu planen (Business Performance Management = BPM) beziehungsweise Corporate Performance Management).

An der Spitze dieser Bewegung stehen Cognos und Hyperion, wobei SAP als Spezialist für ERP-Prozesse als wichtigster Herausforderer gilt. Ihre klare Positionierung hat den zwei kleineren Anbietern auf der Lünendonk-Liste zu Platz zwei und drei auf der generellen BI-Rangliste verholfen. Mit BPM ist der bislang in die Vergangenheit gewandte Blick von BI nicht mehr ausreichend. Vielmehr müssen Informationen heute zeitnah bereitgestellt und ausgewertet werden.

Vor Cognos und Hyperion rangiert auf der Lünendonk-Liste der langjährige Marktführer und Branchenpionier SAS Institute. Dass die SAP fehlt, die sich in der Gartner-Liste vom fünften auf den zweiten Platz vorgeschoben hat, liegt daran, dass Lünendonk nur Unternehmen aufgenommen hat, die hierzulande mindestens die Hälfte ihres Umsatzes mit BI machen. Deshalb fehlt bei Lünendonk auch Microsoft.

Neue Player

Zu den führenden BI-Anbietern zählt auch Business Objects. Das französische Unternehmen verfügt in Europa über die ausgefeilteste Kombination aus direktem und indirektem Vertrieb. Außerdem hat der Analyse-Spezialist sich mit Crystal Decisions Marktanteile in einem Bereich erworben, in dem er zuvor nicht tätig war: formatiertes Standardreporting.

Als neue Player im BI-Markt werden in jüngster Zeit Google und auch der Security-Spezialist Symantec genannt. Dabei bietet Google vor allem ein Frontend-Werkzeug für BI-Partner wie SAS Institute oder Business Objects. Sie integrieren die Suchmaschine, um ungeübten Nutzern Zugang zu Informationen aus ihren BI-Tools bieten zu können. Damit unterstützt Google den eingangs erwähnten Trend, BI auf möglichst viele Bereiche auszuweiten. n