Top 10 - Werner Schmidt, LVM

Der Mannschaftsspieler

28.11.2008 von Manfred Bremmer
Das Erfolgsrezept des LVM-CIO ist es, die Vorschläge seiner Mitarbeiter zu beachten.
LVM-CIO Werner Schmidt sieht den Preis "CIO des Jahres" weniger als persönliche Auszeichnung denn als Honorierung der Leistung seiner Mitarbeiter.
Foto: IDG Business GmbH

Werner Schmidt nimmt man es sofort ab, dass er erst wieder nach hartnäckigem Drängen eine Bewerbung für den Wettbewerb "CIO des Jahres 2008" eingereicht hat. "Ich bin es nicht gewohnt, so in der Öffentlichkeit zu stehen", erklärt der Diplommathematiker, der die IT der LVM Versicherungen Münster seit 1997 als Vorstand verantwortet.

Entsprechend versteht er den Preis weniger als persönliche Auszeichnung denn als Honorierung der Leistung seiner Mitarbeiter, die die Entscheidungen angeregt hätten. "In meinem Unternehmen ist es Kultur, dass die höchste Fachkompetenz auch die entsprechende Entscheidungskompetenz hat", so die Begründung. Sich selbst sieht Schmidt in der Rolle des Moderators der IT-Spezialisten, der die Geschäftsstrategie vermitteln und Lösungen Mehrwert abgewinnen muss. Durch die Optimierung der Gesamtkosten werde er zugleich zum Gestalter von strategischen Handlungsfreiräumen.

Um dem Management informationstechnisch den Rücken freizuhalten, schlägt der LVM-CIO auch ungewöhnliche, ja mutige Wege ein: So etwa im Jahr 2000, als er das Management davon überzeugen konnte, im Rahmen einer Neuausrichtung der IT im Innen- und Außendienst auf eine einheitliche, Linux-basierende Client-Server-Infrastruktur zu wechseln. Auf diese Weise sollte nicht nur das Ziel erfüllt werden, die IT-Lösungen des LVM-Konzerns möglichst schlank und einheitlich zu halten. Da die rund 2100 Außendienstler - beim LVM Vertrauensleute genannt - über ihre Laptops und via VPN und Mobilfunknetz (damals GPRS) auf die zentralen Daten und Funktionen zugreifen, wird auch eine maximale Datenaktualität gewährleistet.

Emotionale Entscheidungshilfen

Damit gab es aus IT-Sicht genügend Gründe für die Entscheidung, erläutert Schmidt - aber auch weil im Serviceverbund der gesamte Außen- und Innendienst auf einer gemeinsamen Systemplattform arbeitet. Nichtsdestotrotz wurde die Einführung von "emotionalen" Maßnahmen begleitet - mehreren Tagesveranstaltungen, auf denen auch mit Hilfe von Videos die Überzeugung vermittelt wurde, dass es der richtige Weg sei, keine Daten mehr dezentral vor Ort vorzuhalten.

In dem Projekt, mit dem sich Schmidt nun beworben hat, hatte die Münsteraner Versicherungsgruppe Anfang September begonnen, das Open-Source-IP-Telefonsystem Asterisk und Openstage-Telefone von Siemens in Agenturen einzuführen. Der Schritt war nötig geworden, da die bisherige Telefonielösung den geplanten Wechsel von einem ATM-Netz auf ein DSL- beziehungsweise MPLS-basierendes System nicht unterstützte. Bei der Suche nach einem geeigneten IP-Telefonie-System wurden dann die Produkte diverser Hersteller betrachtet, die allesamt den Vorstellungen nicht vollends entsprachen. "Die Verknüpfung von Sprache und Daten bedeutet schließlich mehr als das Wählen aus einer Anwendung heraus", erklärt Schmidt. "Irgendwann meinten dann die eigenen Mitarbeiter, wir kriegen auf Basis von Asterisk etwas Besseres hin." In einer Teststellung habe sich daraufhin gezeigt, dass die eigene Lösung einer Kauflösung bezüglich Kosten und Funktionalität überlegen ist.

Mit Asterisk habe LVM nun einen Schritt in puncto Handlungsfähigkeit getan, erklärt Schmidt. So könnten Außendienstmitarbeiter sich über eine Anwendung in das TK-System schalten und sehen, wer tagsüber für sie angerufen hat. Auch ein interner Test der Präsenzfunktion läuft derzeit an - natürlich, wie Schmidt betont, mit Begleitung des Betriebsrats: "Neue Technologien auszuprobieren geht nur mit Transparenz. Die Mitarbeiter müssen erkennen, dass es sich um keine Bedrohungen handelt."

Kultur der Freiheitsgrade

Allgemein, so der CIO, werde beim LVM eine Kultur der Freiheitsgrade gelebt, in der es Spaß mache, etwas zu gestalten. Das helfe auch, Mitarbeiter zu halten, wobei, wie er anfügt, Münster ja 2004 als lebenswerteste Stadt der Welt ausgezeichnet wurde. Die Geschäftsleitung wiederum gewähre solche Freiräume, da seine Abteilungen nicht nur als Auftragnehmer in Sachen IT gesehen werden, sondern auch als Enabler.

Dass das Management mit dieser Auffassung nicht ganz falsch liegen kann, belegen unter anderem die Auszeichnungen, die das Münsteraner Unternehmen für sein Agentursystem erhalten hat. So gewann der LVM im Jahr 2006 zum dritten Mal in Folge den Award Agentursysteme, der vom Versicherungsmagazin und dem Bundesverband Deutscher Versicherungskaufleute (BVK) verliehen wird, oder zuletzt die Auszeichnung als "Business Intelligence Performer 2008" von SAS-Institute. Nicht zu vergessen die Jury des diesjährigen Wettbewerbs "CIO des Jahres", die in ihrer Urteilsbegründung zu Schmidt vermerkt: stringente IT-Strategie, bevorzugter Einsatz von Open-Source-Software, verbesserter Informationsfluss für die Außendienstmitarbeiter, teamorientierter Führungsstil, sehr treffende Auffassung bezüglich IT- und Geschäftsstrategieverknüpfung.

Werner Schmidt, LVM Versicherungen (54)

Position: Mitglied der Vorstände.

Branche: Versicherungen/Finanzdienstleistungen (Mitarbeiter: zirka 9 500).

Ein CIO muss … das Business verstehen, um mit der IT das Unternehmen aktiv mitgestalten zu können.

Er liest gerade … John Grisham: "Berufung", Gunter Dueck: "Wild Duck".

Lieblingsfach in der Schule: Mathematik.

Wichtigstes Projekt: Serviceverbund 2.0.

Projektbeschreibung: Neuausrichtung der Netzanbindung als technische Basis zur strategischen Serviceausrichtung des gesamten Unternehmens; IP-basierende Telefonielösung auf Basis von Asterisk (SIP basierend); Rollout von bundesweit 3100 Standorten, Austausch aller Netzwerkkomponenten und Telefone; Service-orientiertes Netz für Daten- und Sprachanwendungen, Basis für konvergente Dienste.

IT-Bereiche des Projekts: Vernetzung/Telefonie; Service-Management.

Kernprodukte: Datus Indali OBX (Unified-Messaging-Lösung basierend auf Asterisk), Siemens-Openstage-IP-Telefone (XML-Anwendungen zur Unterstützung der Teamarbeit), Switches von Cisco und HP (Power over Ethernet).

IT-Umgebung: Linux/Open Source.

Besondere Herausforderungen: Applikationsintegration zur bestmöglichen Unterstützung der Mitarbeiter im Außendienst; Unterstützung des Serviceverbunds zwischen Innen- und Außendienst durch Nutzung gemeinsamer Anwendungen, zum Beispiel LVM-weite Präsenzanzeige, Collaboration.

Zeitrahmen: Bundesweiter Rollout 1.September bis 31. Oktober 2008.

Projektmitarbeiter: 50 (IT-Mitarbeiter gesamt: zirka 450).

Projekt-Budget: 18,5 Millionen Euro (IT-Budget allg.: 111 Millionen Euro).