Working Capital

Der Jo-Jo-Effekt muss vermieden werden

24.04.2015 von Jonas Schöfer
Oft wird die hektisch zum Jahresende verkürzte Kapitalbindungsdauer schnell wieder aufgebaut. Dieser Negativeffekt lässt sich durch konsequente Maßnahmen vermeiden.

Die hektischen Maßnahmen zum Ende des laufenden Geschäftsjahres erinnern oft an Radikaldiäten. Das abgebaute "Gewicht", also die so verkürzte Kapitalbindungsdauer, wird schnell wieder aufgebaut. Diese Vorgehensweise zeigt zudem ungesunde Nebenwirkungen: Das Geschäftsjahr wird unter falschen Voraussetzungen gestartet, die nichts mit der realen Marktsituation zu tun haben. Auch die Unternehmensstruktur und -strategie werden falsch belastet und ungenügend umgesetzt. Mehr noch: Die Beziehungen zu den Zulieferern werden empfindlich gestört und der Kundenservice wird negativ beeinflusst.

Alle Jahre wieder versuchen viele Unternehmen zum Geschäftsjahresende noch den letzten Cent in die Kasse zu holen.
Foto: Bloom Design, Shutterstock.com

Langfristig wird die Profitabilität durch einen derartigen Endspurt gefährdet. Dabei gibt es Regeln und Gebote, mit deren Befolgung die Kapitalbindungsdauer nachhaltig verkürzt und die Unternehmensliquidität ebenso nachhaltig optimiert wird. Der Vorteil: Diese Maßnahmen sind relativ einfach umsetzbar in die unternehmerische Praxis, obwohl sie die für die Working Capital-Effizienz wichtigen Prozesse und Verfahren beeinflussen und verbessern - ohne jegliche hektische Torschlusspanik vor Ende des Fiskaljahrs.

Die Zehn Gebote gegen den Jo-Jo-Effekt

  1. Das unternehmerische Rechnungswesen und die Finanzabteilung müssen sich auf die wichtigen Kundenkonten konzentrieren und strategisch wirksame Forderungstechniken entwickeln - mit korrekten und fairen Kreditbedingungen und Zahlungszielen für die Kunden.

  2. Ein aktives Beschwerdemanagement, basierend auf eindeutigen internen Vorgaben und Transparenz bezüglich Preisen, Skonti und sonstigen Preisabschlägen oder auch Qualitäts- und Mengenzusagen verhindert Zahlungsverzögerungen und verbessert den Kundenservice.

  3. Die Zahlungsbedingungen und -ziele für wichtige Schlüsselkunden müssen sorgfältig analysiert und angepasst werden.

  4. Entsprechend müssen die Zahlungsbedingungen mit den Lieferanten vereinbart werden, um die Liquidität sicherzustellen und Forderungen und Verbindlichkeiten zu harmonisieren.

  5. Zahlungsroutinen müssen neu ausgerichtet werden. Das heißt, zu schnelle Zahlungen müssen abgebaut und Lieferanten müssen gemahnt werden, wenn ihre Vertragstreue zu wünschen übrig lässt. So wird Liquidität geschaffen und die Prozesseffizienz gesteigert.

  6. Bestandshaltung und Warenwirtschaft muss soweit wie möglich auf schnelldrehende und saisonale Posten hin ausgerichtet werden, um überflüssige Bestände gegen Jahresende zu vermeiden.

  7. Die Planung zum Jahresende muss bereits die Bedingungen im folgenden 1. Quartal berücksichtigen. Zudem sollten die Kunden die Möglichkeit haben, Lieferungen gegen Jahresende zu speziellen Bedingungen zu erhalten. So kann der Abverkauf forciert werden - mit der Folge weiterer Bestandsreduzierung.

  8. Langsamdrehende Produkte und Fertigwaren, die zu veralten drohen, müssen rasch verkauft werden, um Wertberichtigungen beziehungsweise Abschreibungen zu vermeiden.

  9. Die funktionalen Kennzahlen müssen direkt mit den unternehmensweiten Working Capital-Zielen verknüpft werden. Dazu gilt es, auch den Grad der monatlichen Leistungsentwicklung zu definieren, mit dem die Jahresendziele erreicht werden können.

  10. Schließlich muss ein vollständiges Berichtswesen installiert werden, das die Auswirkungen all dieser Working Capital-Einflussfaktoren exakt erfasst und abbildet - sowohl für den Geschäftsalltag, als auch für das Management, das durch die so geschaffene Transparenz auch die langfristige Nachhaltigkeit der Veränderungen sichern kann.

7 Fehler im Kennzahlen-Management
7 Fehler im Kennzahlen-Management
Kennzahlensysteme sind ein probates Mittel zur Kosten-Nutzen-Analyse in der IT. Leider machen Unternehmen bei der Anwendung gravierende Fehler.
1. Out of the Box ist trügerisch
Kennzahlen "Out of the Box" sind zweifellos verlockend, und sie kommen überraschend häufig vor. Das starre Korsett mit standardisierten Messpunkten kann jedoch zu einer unreflektierten Sichtweise und Einschätzung führen. Kosten und Leistungen müssen auf Grundlage der bestehenden Struktur gemessen werden.
2. Irreführende Schätzungen
Der Top-down-Ansatz wird scheitern, wenn das Unternehmen die hierfür vorgesehenen Kennzahlen nicht vernünftig bilden kann. Sind die Basisdaten in der geforderten Form nicht vorhanden, müssen sie entweder geschätzt oder über eine mühsame Implementierung beschafft werden. Das Ergebnis ist entweder ungenau oder aufwendig zu bilden, so dass der Nutzen auf der Strecke bleibt.
3. Unscharfe Kennzahlen
Häufig kalkulieren Unternehmen mit fragwürdigen Werten, weil sie die benötigten Werte nicht messen können. So lässt sich die Zahl der Hardwaretypen im Windows-Umfeld nur schwer bestimmen, wenn die Geräte in unterschiedlichen Abteilungen eingesetzt werden und kein umfassendes Asset-Management existiert. Der Einfachheit halber wird dann die Kennzahl der unterschiedlichen Windows-Versionen herangezogen, weil diese durch die Softwarelizenzierung bekannt ist. Jedoch ist diese Zahl ein schwächerer Komplexitätstreiber als die Hardwaretypen, weshalb das Abbild der Organisation unscharf wird.
4. Top-Level-Informationen ohne Basis
Wenn das Projekt vom Vorstand angestoßen wurde, müssen die angeforderten Zahlen geliefert werden. Durch die Verwendung grober Schätzwerte sind Drilldowns zu den tatsächlichen operativen Kennzahlen kaum möglich: Die Ursache-Wirkungs-Kette ist nicht belastbar. Schaltet eine Top-Level-Kennzahl auf Rot, erwartet das Management, dass der Grund hierfür bekannt ist oder zumindest schnell gefunden wird. Deshalb sind die richtigen Basisinformationen viel wichtiger für die Steuerung der Organisation als die Top-Level-Informationen. Ohne die passende Grundlage hängen die Top-Level-Kennzahlen in der Luft.
5. Verwirrende Komplexität
Kennzahlen berechnen sich nicht automatisch aus komplizierten Formeln. So ist beispielsweise die Zahl der Windows-Server eine reguläre Leistungskennzahl, die zudem für das Asset-Management benötigt wird. Auch bei umfassenden Kennzahlensystemen ist Komplexität kein Grundpfeiler des Erfolgs. Unternehmen müssen die richtige Balance finden zwischen einer realistisch machbaren Vorgehensweise und dem, was einen Leistungs-, Kosten-, Komplexitäts- oder Risikotreiber genau repräsentiert.
6. Fehlerhafte Umsetzung
Vor der Entwicklung eines Kennzahlensystems steht die Definition, welche Aspekte der IT konkret gesteuert werden sollen. Jeder IT-Verantwortliche hat seine eigene Philosophie und setzt andere Prioritäten: Einer bevorzugt Prozesse und ITIL, ein anderer plädiert für Services und Servicekataloge, der Dritte schließlich bleibt bei klassischen Funktionen wie der Anwendungsentwicklung und der Infrastruktur. Entsprechend müssen die Kennzahlen angeordnet werden.
7. Falsche Schlüsse
"Normale" Kennzahlen haben einen kleinen Haken: Sie zeigen zumeist nur an, ob die Arbeit richtig gemacht wird - und nicht, ob die richtige Arbeit gemacht wird. So weist etwa Organisation A ein sehr gutes Kostenniveau bei ihren Unix-Servern auf, während Organisation B nur eine unterdurchschnittliche Performance bei ihren Mainframes zeigt. Vergleicht man hingegen die Kosten für den einzelnen Bausparvertrag oder für das einzelne Depot bei beiden Organisationen, kann das Preis-Leistungs-Verhältnis schon ganz anders aussehen. Aus der Perspektive des Topmanagements stellt sich vielleicht die Leistung des relativ schlechten Mainframe-Bereichs besser dar als die Leistung der relativ guten Unix-Abteilung. An den geschäftlichen Stückkosten zeigt sich der Unterschied von Effektivität und Effizienz.

Der Teufel steckt im Detail

Wenn diese zehn Gebote konsequent und stringent befolgt werden, stellen sich nicht nur sehr schnell Erfolge ein, sondern es wird auch die Grundlage geschaffen für eine nachhaltige Optimierung des Working Capital. Prozesse werden effizienter, die Mitarbeiter ändern zielgerichtet ihr Verhalten, der Umgang mit und das Verhältnis zu den Kunden und Zulieferern verbessert sich.

Aber auch bei der Umsetzung dieses Programms steckt der Teufel im Detail: Diese zehn Gebote müssen exakt und mit Vorbedacht befolgt werden. Es genügt also nicht, nur die Diskrepanz zwischen dem Status quo und den strategischen Zielen zu definieren. Unternehmen müssen die Lagerhaltung und Warenwirtschaft sowie das prozessuale Wechselspiel zwischen Forderungen und Verbindlichkeiten gründlich analysieren und verstehen. Nur dann können sie Optimierungschancen erkennen und auch umsetzen.

Nur kurzfristig wirksame kosmetische Maßnahmen im Working Capital-Bereich, wie eingangs beschrieben, kommen die Unternehmen oft teuer zu stehen. Außerdem belasten sie das Verhältnis zu den Kunden und den Zulieferern. Strukturelle Veränderungen durch die Befolgung dieser zehn Gebote sind über das Jahr gesehen - und langfristig darüber hinaus - weitaus produktiver und erfolgreicher. (bw)