Was Ihr Systemhaus können muss

Der ideale IT-Partner

05.12.2003 von von Patrick
Mit der Qualität des Dienstleisters steht und fällt der Erfolg von IT-Projekten. Doch was macht das ideale Systemhaus eigentlich aus?

 „WIR KÖNNEN NUR BILLIG“ - mit diesem Slogan warb vor nicht allzu langer Zeit eine große deutsche Elektrohandelskette. Geiz ist zwar vielleicht für manche geil - aber letztlich nicht alles. Zumindest dann nicht, wenn es um die Gestaltung der künftigen IT eines Unternehmens geht. So sehen es jedenfalls die typischen IT-Partner des Mittelstands: die zahlreichen kleinen und größeren Systemhäuser. Der mündige IT-Kunde, so behaupten sie, schaut keineswegs nur auf den Preis beim Einkauf von Hardware, Software und Dienstleistungen.

Sicherheit ist Trumpf

Überhaupt habe sich das Einkaufsverhalten geändert: „Sicherheit gewinnt einen zunehmend hohen Stellenwert“, glaubt Reinhard Traemann, Prokurist beim Systemhaus Messerknecht in Bremen. Und Stefan Beckmann, Marketing- Leiter der Essener März AG, konstatiert: „Das Produktgeschäft tritt in den Hintergrund. Gefordert sind heute in erster Linie Dienstleistungen.“ Im Rahmen des Wandels mussten sich die ursprünglich weitgehend herstellergebundenen Lieferanten von Hard- und Software umorientieren. „Von uns wird heute gefordert, dass wir Strategien mitentwickeln oder beim Outsourcing Dienstleistungen vollständig übernehmen“, berichtet Ulf Meyer, Produkt-Manager beim Hamburger Systemhaus Bios.

Für zusätzlichen Schub bei der Neuausrichtung sorgte die Krise der vergangenen Jahre. Sie hat zu einem Preiskampf geführt, der mit dem Vorteil geringerer Kosten für die Kunden einherging - allerdings nur vordergründig, denn die Zeche zahlten viele Auftraggeber, als die Partner mitten im Projekt unter dem Preisdruck zusammenbrachen.

Jeder wählt anders aus

Die Umwälzungen haben die Branche nicht übersichtlicher gemacht. Die regionalen und überregionalen Anbieter offerieren eine Vielzahl von Lösungen. Welche davon für ein Unternehmen geeignet ist, müssen Anwender selbst herausfinden. Doch wenn es um einen Partner für die langfristige Zusammenarbeit geht, ähneln sich die Kriterien vieler Kunden.

Dennoch gehen sie bei der Suche nach einem Systemhaus ganz unterschiedlich vor. Von der Internet-Recherche über den Besuch von Messen oder die Durchsicht von Prospekten bis zur Inanspruchnahme der Kenntnisse der eigenen Mitarbeiter führen viele Wege nach Rom. Selbst die „kalte Akquise“ über direkte Anrufe eines Dienstleisters beim potenziellen Kunden kann zu einer Zusammenarbeit führen, bestätigt Klaus Rotter, EDV-Leiter bei der Ulmer Zwick GmbH. Zwick arbeitet als Hersteller von Maschinen und Software für Materialprüfung jeweils projektbezogen mit verschiedenen Systemhäusern zusammen.

„Eine große Rolle bei der Auswahl eines Systemhauses spielen die Erfahrungen in der Branche“, meint Rotter. Sein Unternehmen führe zwar selbst Marktanalysen durch, höre sich aber zusätzlich in der Region um, welchen Eindruck Systemhäuser bei anderen Kunden hinterlassen. Um das zu erleichtern, organisieren die Anbieter teilweise eigene Veranstaltungen, auf denen sich ihre Kunden präsentieren. Damit entsteht eine Möglichkeit für den Erfahrungsaustausch.

Einen anderen Weg wählt Günter Stoverock, EDV-Leiter bei der Tröber GmbH, einem Großhändler für Werbemittel im Norden Hamburgs. „Ich kenne die Bedürfnisse unserer EDV“, sagt Stoverock. Daher halte er sich über die für ihn relevanten technischen Entwicklungen auf dem Laufenden, indem er Messen oder Workshops besucht und auch Mailing-Listen zu bestimmten Themen verfolgt. Das ermöglicht es ihm, interessante Anbieter von sich aus anzusprechen und sich ein erstes Bild von ihnen zu machen.

Einen solchen hohen Kenntnisstand registriert auch Oliver Schlüter, Vorstand des Systemhauses Taskarena in Unna, häufig bei seinen Kunden. Das Systemhaus als „Kistenschieber“, das Kartons mit Hardware und Software liefert, gehört der Vergangenheit an. Stattdessen „müssen wir ein umfassendes Wissen zu unseren Lösungen vorzeigen können“, so Schlüter.

Ulf Tegtmeier bestätigt das. Der Leiter der Abteilung für PC und Netzwerke beim Hersteller von Aluminiumprofilen Eduard Hueck im westfälischen Lüdenscheid - und einer von Schlüters Kunden - erklärt: „In unseren Projekten kennen wir uns natürlich aus, aber bei den Lösungsvorschlägen sollte uns das Systemhaus durch ein Plus an Wissen voraus sein.“

Gerhard Simon hebt einen anderen Aspekt hervor. Er ist IT-Leiter des Jahreszeiten- Verlags in Hamburg, der neben Publikumszeitschriften wie „Petra“ und „Für Sie“ auch Hochglanzmagazine wie „Merian“ veröffentlicht. Für größere Projekte schreibt der Verlag Aufträge auch öffentlich aus. „Aus den Antworten können wir bereits entnehmen, wie gut ein Systemhaus unsere Fragestellung verstanden hat“, berichtet Simon. „Damit lässt sich dann auch abschätzen, was wir noch erklären müssen.“ Da die verlagseigene IT-Abteilung Projekte zwar begleiten, aber nicht ausgiebig unterstützen kann, muss der Erklärungsbedarf so gering wie möglich ausfallen.

Viele Systemhäuser weisen ihre Sachkompetenz auch über Zertifikate von Software- oder Hardwareherstellern etwa als HP-Systemintegrator oder als SAP-Systemhaus aus. Dafür müssen sie ihre Mitarbeiter häufig für teures Geld bei den Herstellern schulen lassen. Schmückt ein entsprechendes Logo die Web-Seiten, kann das die Auswahl unterstützen. „Wenn ein Systemhaus die Zertifikate vernachlässigt und mir bei Nachfragen mit Ausflüchten kommt, etwa unter Verweis auf die Kosten, hinterlässt das einen negativen Eindruck“, sagt Stoverock vom Werbemittelhändler Tröber.

Dagegen akzeptiert der Verlags-ITler Simon die Zertifikate als verlässlichen Maßstab für den Kenntnisstand der Systemhaus-Mitarbeiter. Doch gleichzeitig steht er den Nachweisen wegen ihrer hohen Kosten skeptisch gegenüber. „Sollten keine Zertifikate vorhanden sein, erkundigen wir uns, wie die Mitarbeiter des Systemhauses geschult werden“, so Simon. Denn ihm ist wichtiger, dass ein Systemhaus über einen guten Draht zum jeweiligen Anbieter verfügt, damit Lösungen im Problemfall auch über den Hersteller gefunden werden können.

Häufig währt die Zusammenarbeit zwischen Systemhaus und Kunde mehrere Jahre. So arbeitet Stoverock bereits seit 1998 mit der Ettlinger Command AG zusammen. Auch der Westfale Tegtmeier hat Erfahrung mit langfristiger Kooperation und meint: „Es sollten Sympathien vorhanden sein, das erleichtert die Arbeit.“ Über den persönlichen Kontakt ließen sich Schwierigkeiten häufig sehr viel einfacher beheben. Simon hat das mit der Hamburger ECS AG ähnlich erlebt: „Das Geschäft hat sehr viel mit Menschen zu tun.“ Da helfe der kollegiale Umgang, wenn bei ECS schnell ein Ansprechpartner gefunden werden müsse.

Im Lauf der Zeit gewinnt das Systemhaus auch an Know-how über den Kunden, das sich wiederum in einer präziseren Beratung niederschlägt. „Als Verlag arbeiten wir mit einem heterogenen Netzwerk, in dem sowohl Appleals auch Intel-Rechner zum Einsatz kommen“, erläutert Simon. Netzwerkprojekte müssten daher beide Welten berücksichtigen. Der Partner ECS könne durch die Kenntnis der Firma und ihrer Prozesse diese Umstände bereits im Vorhinein berücksichtigen. Zudem entsteht eine Vertrauensbasis zwischen den Partnern, so dass Kunden auch bei neuen Vorhaben häufig erst einmal den Rat des langjährigen Dienstleisters suchen.

Geografische Nähe zählt

Erleichtert wird der persönliche Kontakt durch die geografische Nähe von Systemhaus und Kunde. Zwar erlaubt die Technik, dass etwa die Entwickler der Command AG aus Süddeutschland im Notfall direkt auf den Rechner bei Tröber in Hamburg zugreifen können. Trotzdem schätzt Stoverock den Service, den ihm die Hamburger Niederlassung bietet. „Kurze Wege sind gerade bei der Projektarbeit von Vorteil“, sagt auch Tegtmeier. „Der Wunsch nach Nähe zum Anbieter ist sicherlich ein spezielles Kennzeichen des Mittelstands“, meint Simon. Zudem ermögliche die Nachbarschaft unkomplizierte Treffen und spare Reisekosten.

Die Systemhäuser beantworten das Bedürfnis ihrer Kunden auf unter- schiedliche Weise. So kann ECS den Jahreszeiten-Verlag bei der Zeitschrift „Prinz“, die in 13 deutschen Städten mit einer lokalen Ausgabe erscheint, durch ein Geflecht von eigenen Niederlassun- gen und Partnerschaften mit anderen Systemhäusern unterstützen.

Dagegen bietet das „virtuelle Sys- temhaus“ (so die Eigenwerbung) I-Team ein bundesweites Dach, unter dem sich 225 Systemhäuser zusammengefunden haben. „Wir recherchieren selbst nach Partnern und gehen von uns aus auf ge- eignete Anbieter zu“, sagt Geschäfts- führer Cemal Osmanovic. Für die Aus- wahl von I-Team sind dabei die Kriteri- en der regionalen Abdeckung und die Konzentration der Systemhäuser auf Spezialgebiete gleichwertig.

 Ebenso wie persönlichen Kontakt und Nachbarschaft zum Systemhaus erwarten die Kunden Flexibilität. „Auch eine kurzfristige Kontaktauf- nahme sollte möglich sein“, sagt Tegt- meier. „Und es hilft mir wenig, wenn ich bei einem Anruf erst einmal in der Warteschlange der Hotline lande“, lau- tet das Plädoyer seines Kollegen Simon vom Jahreszeiten-Verlag gegen einen umständlichen und formalen Umgang mit den Kunden.

Dass die Kunden kurze Reaktionszeiten zunehmend zu schätzen wissen, bestä- tigt auch Julian Hein, Geschäftsführer des Spezialisten für Netzwerküberwa- chung Netways in Nürnberg. Netways hat sich auf freie Software spezialisiert und erspart seinen Kunden damit Li- zenzkosten für die Software. „Bei unse- rer Arbeit überzeugen wir trotzdem vor allem durch unsere Flexibilität und we- niger durch die geringeren Kosten“, meint Hein.

Referenzkunden überzeugen

Zwar verlässt sich Netways bei der Akquise vor allem auf die eigenen Web- Seiten, doch überzeugen kann die kleine Firma Interessenten vor allem durch die Liste ihrer Referenzkunden. Die spielen auch für Anja Bissinger vom System- haus Bissinger eine große Rolle. Daher halte ihr Unternehmen auch Artikel be- reit, in denen die Zusammenarbeit mit ausgewählten Kunden beschrieben wird.

Die Kunden nehmen die Referenzen häufig in Anspruch. „Gerade wenn es um die Zusammenarbeit mit einem bis- lang unbekannten Systemhaus geht, greifen wir gerne auf die Erfahrungen anderer Kunden zurück“, sagt Tegtmeier. Auch Simon orientiert sich bei mög- lichen neuen Partnern an den Erfahrun- gen anderer: „Wenn ein Systemhaus zeigen kann, dass es die Bedürfnisse un- serer Branche bereits kennt, können wir mit Zeitersparnis rechnen, da wir nicht alles von Grund auf erklären müssen.“

Eine Liste von Referenzkunden liefert auch ein Indiz für den bisherigen Geschäftserfolg eines Systemhauses. Gerade die Jahre des Internet-Hype haben die Kunden vorsichtig gemacht, da sie durch Insolvenzen ihrer Partner beim Platzen der Dotcom-Blase in Mitleidenschaft gezogen wurden. Systemhäuser mit einer längeren Unternehmensgeschichte sind da im Vorteil, denn zentrale Projekte mit strategischer Be- deutung können über Jahre laufen, und da ist die Standfestigkeit des System- hauses wichtig.

Die Größe muss stimmen

In diesem Zusammenhang dient bei- spielsweise dem IT-Leiter der Ulmer Zwick GmbH die Größe des System- hauses als weiterer Orientierungspunkt. „Nur bei weniger umfangreichen Projekten arbeiten wir auch mit kleineren Häusern zusammen, die 30 bis 50 Mitarbeiter haben“, so Rotter. Ähnlich denken und handeln viele Anwender. Bei kleineren Anbietern hegen sie den Verdacht, dass die wenigen Mitarbeiter schnell überlastet sein könnten.

„Wir bewegen uns gern auf Augenhöhe“, heißt es deshalb beim Jahreszeiten-Verlag. Einerseits möchte das Unternehmen mit seinen 500 Mitarbeitern ungern der größte Kunde eines System- hauses sein, um keine Abhängigkeiten zu schaffen. Andererseits strebt der Verlag danach, zu den wichtigen Kunden eines Anbieters zu gehören. „Durch das passende Größenverhältnis können wir sicherstellen, dass ein Systemhaus sich auch ausreichend um uns bemüht“, sagt IT-Leiter Simon.

Wenn es um die Kosten geht, halten sich die Systemhäuser mit klaren Aus- sagen über Kundenwünsche zurück. Anders die Kunden, sie reagieren sensibel: „In einem Projekt mögen einzelne Posten zwar vernachlässigbar sein“, sagt Tegtmeier. Doch um einen Blick für das Verhältnis von Preis und gebotener Leistung zu bekommen, hole Hueck zu jedem Angebot auch entsprechende Gegenangebote ein.

Misstrauen gegen Dumping-Preise

„Bei längerer Zusammenarbeit feil- schen wir sicherlich nicht um den Cent“, meint der Tröber-IT-Chef Stoverock, schließlich wüssten die Partner, was sie aneinander haben. „Geiz ist hier gar nicht geil“, denn darunter leide der wesentliche Faktor Qualität, meint der Hamburger.

 Auch Simon betrachtet Dumping- Preise, die durch den Preiskampf der Systemhäuser entstehen, mit Misstrauen: „Wir können zwar keine Apotheke bezahlen, aber durch allzu niedrige Preise gefährdet sich ein Systemhaus unter Umständen selbst.“ Daher diene der Preis nicht als vorrangiges Kriteri- um für die Auswahl eines Systemhauses, sondern sei im Zusammenhang mit Qualität und Leistung zu sehen.

„Das Problem der Systemhäuser ist, dass alle Kunden dieselbe Software an- geboten bekommen, ob sie für das ein- zelne Unternehmen nun passt oder nicht“, lautet der Vorwurf von Manfred Schnellbügel von der Unternehmensbe- ratung Kolbenschlag (UBK), die ihre Kunden bei der Softwareauswahl berät. Hier sei grundsätzlich der entgegenge- setzte Weg einzuschlagen: „Das Sys- temhaus muss zuerst die Geschäftspro- zesse des Kunden aufnehmen und dann die bestmögliche Lösung am Markt suchen“, so Schnellbügel.

Bei Zwick recherchiert der IT-Leiter deshalb zunächst selbst. „Zuerst muss das Produkt überzeugen“, sagt Rotter. Auch Stoverock setzt sich mit den An- geboten der Systemhäuser kritisch aus- einander und fragt nach der Zukunftsfä- higkeit der jeweiligen Technik.

Außerdem müssen die angebotenen Lösungen auch den Wertschöpfungs- prozess des Unternehmens unterstützen. Als Beispiel führt Stoverock die Software „Oxaion“ der Command AG an. Zwar böte Command als SAP-Systemhaus auch die Unterstützung der Walldorfer Software an, doch die hauseigene Lösung von Command lasse sich in einem Bruchteil der Zeit aufsetzen und schaffe ein hohes Maß an Transpa- renz in den Abläufen des Unternehmens. Auf diese Weise könnten die Auslandsvertretungen der Firma den Lagerbestand selbst prüfen und Bestellun- gen auch kurzfristig aufgeben.

Die enge Zusammenarbeit mit dem Systemhaus führt denn auch in diesem Fall dazu, dass Stoverock bei Command die speziellen Wünsche seines Außenhandelsunternehmens anmelden kann. Sie sollen in der kommenden Version der Software bereits berücksichtigt sein.

Wer nur billig kann, wird sich mit solcher Art der Kundenbindung schwer tun.