Der Absolventenkongress in Köln florierte in diesem Jahr ganz im Sinne des Veranstalters, des Staufenbiel Instituts: Vom Konzern über den Mittelständler bis zum Startup suchten 300 Firmen Wege, um die Aufmerksamkeit der Hochschulabsolventen auf Deutschlands größter Jobmesse zu gewinnen. Unterschiedlichste Branchen waren vertreten, insbesondere der Handel trumpfte mit den größten Ständen, bunten Werbeflächen und Einkaufswägen voller Obst auf. Die eigene Firmenpräsentation garnierte sich ein Discounter wie Lidl schon mal mit dem Sternekoch Kolja Kleeberg, andere punkteten mit kostenlosen Services wie Lebenslauf-Checks und Bewerbungsfotos.
Dass Firmen nicht unbedingt ein üppiges Budget oder einen großen Stand brauchen, um aufzufallen, demonstrierte das Schnäppchen-Portal Groupon. Das Online-Startup verteilte Tüten, die aber drei Mal so groß waren wie die der Konkurrenz. "Wir haben Großes vor" stand vollmundig drauf, und diesen Werbespruch trug bald darauf fast jeder dritte Messebesucher in XXL-Format mit sich herum. Andere Firmen wie Apple oder Porsche Consulting brauchten nicht einmal große Tüten, sie verließen sich ganz auf die Strahlkraft ihrer Marken. Und der Andrang der Studenten gab ihnen Recht.
Vorstellungsgespräch? Nein, der erste Eindruck zählt.
Der persönliche Kontakt zwischen Personaler und Bewerber bleibt für die meisten Unternehmen der wichtigste Grund, sich auch im Web-2.0-Zeitalter auf Jobmessen wie dem Absolventenkongress zu präsentieren. "Social Media und Online-Bewerbung sind wichtige Recruiting-Kanäle für uns. Diese ersetzen jedoch nicht den persönlichen Kontakt", sagt Anke Krämer vom BI-Spezialisten Cundus. "Im Beratungsgeschäft sind Kommunikationsfähigkeit und das persönliche Auftreten wichtige Anforderungen. Beim ersten Kontakt am Messsestand können uns Bewerber von ihrer Beraterpersönlichkeit überzeugen."
Für mittelständische Firmen wie Cundus oder Convista Consulting ist die messe eine gute Chance,sich ins Gespräch zu bringen. "Unsere gesamte Konkurrenz ist regelmäßig vertreten. Da müssen wir versuchen, am Ball zu bleiben und die Absolventen auf uns aufmerksam zu machen" sagte Julia Thomson von Convista Consulting aus Köln. Das SAP-Beratungshaus füllte für jeden Besucher auf der Messe nach dem Gespräch einen Bewerberbogen aus. Thomson dazu: "Darauf fassen wir unseren Eindruck kurz zusammen. Nur wenn die Bewertung gut ausfällt, werden die Unterlagen an die Fachbereiche weitergeleitet."
Zwar haben die meisten Gespräche zwischen Bewerber und Unternehmen auf dem Absolventenkongress nur Informationscharakter und können kein Vorstellungsgespräch ersetzen. Dennoch ist ein erster positiver Eindruck der Türöffner. Das bestätigt auch Tanja Schmidt, Department Manager HR Development bei Metro Systems: " Die Eindrücke der Personalreferenten und Kollegen aus den Fachbereichen sind ausschlaggebend für die Entscheidung zu einem späteren Gespräch. Diese Empfehlung wird nach dem Gespräch auf der Messe notiert. " Allerdings müsse das Unternehmen den Bewerbern schnell ein Feedback geben, insbesondere wenn es die guten Kandidaten für sich gewinnen will. Das bestätigt auch Karlheinz Deitz, zuständig für University & Talent Relations bei Bayer Business Services: "Wer die Highflyer haben will, muss sich beeilen." Im Bayer-Konzern, für den allein in Deutschland 3000 und weltweit 6000 Mitarbeiter in der IT arbeiten, ist das Ziel, binnen drei bis vier Wochen auf eine Bewerbung zu reagieren. Dank Online-Formularen und dem entsprechenden Bewerbungs-Management-System seien die Bewerbungen innerhalb des Konzerns besser zu steuern.
Absolventen wollen herausfordernde Aufgaben
Ein paar Gespräche an den Ständen genügen auch den Studenten, um zwischen interessanten und weniger attraktiven Arbeitgebern unterscheiden zu können. " Es waren einige Firmen dabei, die sehr gut auf die möglichen Fragen von Absolventen und somit potenziellen Arbeitnehmern vorbereitet waren. Andere wiederum verwiesen einen durchgehend auf die eigene Internet-Präsenz. Das finde ich sehr schwach, denn dafür brauche ich mich nicht auf einer Jobmesse zu präsentieren", sagte Ralf Janßen. Er hat schon sieben Jahren in der IT-Branche gearbeitet, bevor er IT-Management an der Rheinischen Fachhochschule zu studieren begann. Mittlerweile im fünften Semester und kurz vor dem Bachelor-Abschluss weiß er ganz genau, was er will: "Einen abwechslungsreichen und herausfordernden Job, gern auch Projekte im Ausland, viel Kontakt mit Menschen und Kunden, Dienstreisen sind kein Problem."
Sein Kommilitone Sebastian Severin hat ähnliche Präferenzen: Consulting und Projekt-Management stehen auf seiner Wunschliste ganz oben, wichtiger als das Einstiegsgehalt sind ihm die Aufgaben. Dennoch verwundert es die Studenten, dass die wenigsten Unternehmen auf dem Absolventenkongress die Frage nach den Einstiegsgehältern beantworteten. Dazu Janßen: "Dabei müsste es doch für die Firmen nachvollziehbar sein, dass diese Frage zu einer der interessantesten für Absolventen zählt."
Begehrte Wirtschaftsinformatiker
(Wirtschafts-) Informatiker gehören neben Betriebswirten zu den begehrten Bewerbern auf dem Absolventenkongress. Das hat auch Katja Rzheutskaya gemerkt. Die 28-Jährige wird im Mai 2012 ihr BWL-Studium mit den Schwerpunkten Controlling und IT an der Universität Mainz abschließen und sieht ihrer beruflichen Zukunft nach dem Kongressbesuch positiv entgegen: " Es gibt sehr viele Stellen für Controlling und IT, gerade auch bei IT-Beratungen." Rzheutskaya hatte den Kölner Kongress schon im vergangenen Jahr besucht und damals ein Praktikum bei der Messe Frankfurt gefunden. Ein Jahr später hat sie den Eindruck, dass die Nachfrage nach IT-Absolventen stärker als das Angebot gestiegen ist. "Man muss nicht mehr anstehen. Es ist viel leichter, mit den Firmen in Kontakt zu treten", sagt die Bachelor-Studentin.
Das Gefühl, wieder gefragt zu sein, gibt den Studenten neues Selbstbewusstsein. Allerdings ist der Absolventenkongress trotz der Fülle der ausstellenden Unternehmen kein Marktplatz der unbegrenzten Möglichkeiten, wie drei Beispiele zeigen. Zum einen finden sich unter den Ausstellern in Köln auch Unternehmen, die nur aus Imagegründen dabei sind und gar keine offenen Positionen zu besetzen haben. Diese Botschaft erfährt der Messebesucher aber nicht.
Zum anderen ist die Jobsuche auch in Zeiten des so genannten Fachkräftemangels nicht für jeden leicht. Wer schlechtere Noten hat, tut sich schwer. Vor allem große Unternehmen legen nach wie vor Wert auf formale Kriterien, die Metro Systems etwa nimmt selbst für IT-Ausbildungsberufe nur Bewerber mit Abitur und räumt Nachwuchsprobleme ein, weil die Bewerber nicht die gewünschten Qualifikationen mitbrächten. Mühsam ist der Berufseinstieg auch für Frauen, die schon während des Studiums ein Kind bekommen haben und zum Beispiel eine Teilzeitstelle suchen.
Zwar diskutierten auf dem Absolventenkongress erfolgreiche Frauen, wie sie sich nicht nur durch Leistung, sondern auch durch Marketing in eigener Sache und gezieltes Networking behaupteten. Doch für die Absolventin aus dem Publikum, die von den Unternehmen immer wieder gefragt wird, wie sie einen Job mit ihren drei kleinen Kindern vereinbaren wolle, hatten sie keine Patentlösung. Natürlich seien solche Fragen im Vorstellungsgespräch unzulässig, würden aber in der Realität immer wieder und fast ausschließlich Frauen gestellt. Ein Studium trotz Kinder erfolgreich abgeschlossen zu haben, sei auch ein Beweis dafür, dass man sich gut organisieren kann. Das müsse man im Vorstellungsgespräch ebenso wie die sichergestellte Betreuung hervorheben, empfahl etwa Petra Raspels, Partnerin bei der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PwC.