In vielen Unternehmen gelten E-Mails als wahre "Produktivitätsfalle". Das Problem sind dem Beratungsunternehmen Softrust zufolge nicht die E-Mail-Systeme an sich, sondern der Umgang der Mitarbeiter mit dem Kommunikationsmittel. Eine E-Mail ist schnell geschrieben und noch schneller verschickt. Ob der Empfänger mit der Mitteilung überhaupt etwas anfangen kann, überlegen sich viele vorher nicht.
Die Kommunikationstrainerin Martina Dressel sieht denn auch eine der Hauptursachen für die misslungene elektronische Verständigung in einer Art "Egoismus auf Absenderseite". Das Motiv hinter vielen E-Mails sei nichts weiter als das Bestreben eines Mitarbeiters, in einer Angelegenheit auf der sicheren Seite zu stehen. "Das geht nach dem Motto: Ich habe Euch ja informiert", erklärt Dressel. Als Leiterin der Webgold-Akademie hält sie seit vielen Jahren Kommunikationsseminare in Unternehmen.
Viele Absender versetzten sich zu wenig in die Lage des Empfängers. Genau das müsse der Schreiber aber tun. "Wenn bei einem Thema Rückfragen vorprogrammiert sind, sollte ich mir überlegen, ob ein persönliches Gespräch nicht besser wäre", sagt Dressel. Ansonsten entstünden schnell die gefürchteten "Ping-Pong-Mails", deren Betreffzeilen von einer ganzen Schlange an "Re: Re: Re:" angeführt würden.
Auch der Informatik-Professor Jürgen Plate von der Münchner Fachhochschule plädiert dafür, sich in den "virtuellen Gegenüber" hineinzuversetzen. Dass eine E-Mail etwas salopper formuliert sei als ein Brief, sei üblich. Wer hier allerdings über die Stränge schlage, solle sich überlegen, welchen Eindruck er damit beim Empfänger hinterlasse.
Die Großschreibung ganzer Wörter zum Beispiel werde vom Leser in der Regel als Schreien interpretiert. Einzelne Passagen kann man zur Hervorhebung ab und zu in Großbuchstaben verfassen, allerdings nicht die ganze Nachricht. "Schreien Sie die Leute nicht an. Es ist unhöflich", rät Jürgen Plate. Umgekehrt ist auch durchgehende Kleinschreibung dem Hochschullehrer ein Dorn im Auge. "Wenn mir jemand so eine E-Mail schickt, neige ich dazu, in der Antwort hinzuzufügen: 'PS: Ihre Shift-Taste scheint kaputt zu sein'."
Weniger ist oft mehr
All zu pessimistisch ist Plate indes nicht, was den Umgangston im elektronischen Nachrichtenverkehr angeht. "Es ist eher zu beobachten, dass sich die E-Mail immer mehr dem normalen Brief angleicht", sagt er.
Für Dressel lautet eines der Prinzipien für den E-Mail-Verkehr "Weniger ist mehr". Das fange schon beim Verteiler an. Warum eine E-Mail an 20 Kollegen schicken, wenn es auch ausreichen würde, wenn das Schreiben acht Leser findet? Auch hier spiele bei vielen egoistisches Denken eine Rolle. "Aus einem angelegten Verteiler einzelne Adressen herauszunehmen, kostet mich ja Zeit", erläutert sie den Gedankengang vieler.
Texte gliedern
Der Text einer E-Mail solle kurz und prägnant "auf den Punkt" geschrieben sein. "Die besten E-Mails sind die, die man ohne Scrollen vollständig lesen kann", sagt Martina Dressel. Manche E-Mails kommen auch völlig ohne Textkörper aus. Wenn beispielsweise nur ein Termin bestätigt werden müsse, könne man dies auch allein über eine aussagekräftige Betreffzeile mitteilen, rät die Kommunikationsexpertin. Ein "-Ende-" am Schluss der Kurzmitteilung signalisiere in diesem Fall dem Leser, dass er die Nachricht gar nicht öffnen müsse.
Bei längeren Texten kann eine saubere Gliederung nicht schaden. Jürgen Plate rät, Absätze zu machen und durch Leerzeilen voneinander zu trennen. "Texte lesen sich besser, wenn sich das Auge an optischen Marken festhalten kann", erklärt er.
Die Betreffzeile sollte der Verfasser nicht leer lassen. Martina Dressel bezeichnet sie gar als "Türöffner". Das Thema der Mitteilung sollte klar benannt werden. Das ist Plate zufolge sinnvoller als aus Sicht des Schreibers besonders wichtige Nachrichten mit dem roten Ausrufezeichen für "Hohe Priorität" zu kennzeichnen.
Standardisierte Betreffzeilen
"Manche Firmen haben sogar schon standardisierte Betreffzeilen für bestimmte Sachverhalte oder Vorgänge festgelegt", berichtet Dressel. Ein aussagekräftiger Betreff erleichtere später auch die Ablage und das Wiederfinden einzelner Nachrichten.
Während E-Mails ohne Betreff bei Jürgen Plate ungelesen im Papierkorb landen, sind aus Sicht des Informatikers auch überlange Betreffzeilen fehl am Platze. Manche E-Mail-Programme hätten damit Schwierigkeiten, außerdem sei in der Voransicht meist nicht genug Raum, um ellenlange Betreffzeilen vollständig anzuzeigen.
Kein HTML
Bei der Gestaltung des Textkörpers ist Schlichtheit angesagt. Schließlich gehe es nicht darum, sich durch eine besondere Schriftart, womöglich noch in grellen Farben hervorzutun, meint Beraterin Dressel. Statt HTML sei das reine Textformat vorzuziehen. "Die Chance, dass der andere die E-Mail so auf dem Bildschirm angezeigt bekommt wie ich, ist dann wesentlich größer."
Wichtig ist, dass das E-Mail-Programm des Empfängers die verwendeten Zeichen richtig dekodieren kann. Mit dem ASCII-Zeichensatz dürfte es Plate zufolge hier nicht zu Schwierigkeiten kommen, auch ISO-8859-15 sei gängig. Der Informatiker rät zudem, in der Betreffzeile keine Zeichen zu verwenden, die nicht im ASCII-Zeichensatz enthalten sind.
Der Versand von Nur-Text- anstelle von HTML-Nachrichten kann für die Kommunikationspartner sogar geldwerte Vorteile haben. Dressel verweist auf den höheren Bedarf an Speicherplatz von HTML-E-Mails. Der könne sich beim Nachrichten-Aufkommen in größeren Unternehmen schnell zum Kostentreiber entwickeln.
Text statt grafischem Aufputz
Manche Unternehmen hätten dort Vorkehrungen getroffen und erlaubten ihren Mitarbeitern die Darstellung der Nachrichten nur im Textformat. Aufwändig grafisch gestaltete Mitteilungen kämen dort nur als "Krüppel" an, gibt Martina Dressel zu bedenken.
Wer in einer E-Mail die vorangegangene Korrespondenz zitiert, sollte sich dabei auf das Wesentliche beschränken. Nichts hält Jürgen Plate vom Prinzip "TOFU" - Text oben, Full Quote unten. Zitiert werden sollte so wenig wie möglich. Hauptsache, der Empfänger versteht, worauf sich der Verfasser in seinen Ausführungen bezieht. Umgekehrt bedeutet das, dass der Schreiber alles andere, worauf er in seiner Antwort nicht eingeht, löschen sollte.
Vorsicht beim Datei-Anhang
Wer anderen im Anhang Dokumente schickt, sollte sich gut überlegen, welches Format er wählt. Aus Sicht von Jürgen Plate ist es eine "Unsitte, Formate wie Word, Powerpoint oder Excel als weltweit gültige Form des Datenaustauschs zu betrachten". Wer nur Text versenden wolle, könne diesen auch direkt in die E-Mail hineinkopieren. Bei den genannten Dokument-Typen bestehe zudem oft die Gefahr, dass der Empfänger etwas sehe, was er gar nicht zu Gesicht bekommen soll. So lassen sich etwa bei Word-Dokumenten über die Änderungsverfolgung frühere Versionen der Datei aufrufen.
Sicherer fahre, wer solche Dokumente vor dem Versenden in PDF-Dateien umwandle. "Dann kriegt der Empfänger wirklich nur, was er auch sehen soll", versichert Plate. Entsprechende kostenlose Software gebe es inzwischen zuhauf.
Was die Bearbeitung von E-Mails neben allen anderen Tätigkeiten im Büro angeht, raten Dressel und Plate zur Besonnenheit. "Eine E-Mail ist schließlich kein Chat", meint Plate. Auch Dressel betont, dass es sich beim E-Mail-Verkehr um eine Art der asynchronen Kommunikation handle.
Für sinnvoll halten es beide, neue Nachrichten zwei- bis dreimal innerhalb eines Arbeitstages blockweise abzuarbeiten. Immer sofort zu antworten, sei im Sinne eines gesunden Zeit-Managements nicht ratsam, meint Martina Dressel. Im Laufe eines Werktages könne der Absender allerdings mit einer Antwort rechnen. Ließe sich seine Anfrage so schnell nicht bearbeiten, solle man ihm eine Zwischennachricht schicken, in der auch ein Zeitrahmen für die Bearbeitung genannt wird. Die alle paar Minuten am Bildschirm aufblinkende Benachrichtigung über neue E-Mails sollte man indes am besten abschalten, sagt Jürgen Plate.