Interview mit Otto Shell zur Digitalisierung

Der CDO ist tot, es lebe der CDO!

23.01.2017 von Winfried Felser
Von Otto Schell, Chief Disruption Officer bei GM und Vorstand der DSAG, wollte ich wissen, welcher Manager-Typ eine digitale Transformation einleiten kann.

Alle rufen nach der Digitalisierung. Das Problem dabei: Oft greift die Digitalisierung zu kurz und es wird nur 1:1 automatisiert oder dematerialisiert ohne wirklich die eigene Wertschöpfung neu zu denken. Dann hilft unter Umständen auch kein Digital Officer. Brauchen wir vielleicht einen Disruption Officer für die Transformation, der weniger auf die Technologien achtet als auf die potenziellen Bedrohungen und Chancen im Digitalen Zeitalter und notfalls auch auf die Tische springt, wenn ein Unternehmen die Zukunft verschläft?

Ist es der Chief Digital Officer, der ein Unternehmen in die Digitalisierung führt? Oder ist die Transformation mit einem Chief Disruption Officer eher zu schaffen?
Foto: Sergey Nivens - shutterstock.com

Was hier noch humorig klingt, kann bitterer Ernst werden. Wer wäre für ein Interview zu diesem Thema besser geeignet als Otto Schell, selbst seit kurzem Chief Disruption Officer bei GM (Opel & Co), Vorstand der DSAG - d.h. Vertreter aller deutschsprachigen SAP-Anwender - und vor allem Vater des Konzepts der "Transformation 4.0".

Von der Transformation 4.0 zur Forderung nach einem Disruptions-Officer

Felser: Als viele Industrie 4.0 noch technisch missverstanden, hast Du schon früh auf eine Transformation 4.0 gedrängt. Dem sind zum Glück viele gefolgt. Jetzt forderst Du den neuen CDO - Chief Disruption Officer - als transformatorische Alternative zum technologie-orientierten Chief Digital Officer. Was läuft falsch mit der Digitalisierung?

Schell: Jetzt wo wir endlich erkannt haben, dass etwas gemacht werden muss, scheint leider vieles als Selbstzweck angegangen zu werden. Wir digitalisieren - aber oft optimieren wir Silos oder versuchen bestehende Organisationen mit parallelen "Start Ups" zu umgehen. Oder wir benennen einen Chief Digital Officer, ohne zu die Erwartungshaltung und die Transformations-Richtung in der Organisation vorab zu klären.

All das hat für mich wenig mit der Transformation zu tun, die ich im Kopf habe, sondern eher mit einem Aktivismus. "Dabei sein" versus neue strategische Visionen. In diese Falle laufen wir zu oft. Digitale Cargo-Kulte beziehungsweise Ersatzhandlungen werden uns aber im globalen Wettbewerb nicht retten.

Von daher ist die Forderung nach einem CDO als Chief Disruption Officer mehr als berechtigt, auch wenn natürlich nicht jeder Wandel disruptiv sein wird und ich auch keine Grundsatzdiskussionen zur Disruption beginnen möchte. Wir müssen aber aus unseren alten (Denk-)Grenzen ausbrechen und das Unbekannte suchen, und nicht nur das Bestehende technologisch optimieren oder marginal verändern. Weltmarkführung in Zeiten der Transparenz und Agilität eines IoT sieht halt anders aus.

Der Chief Disruption Officer als Akteur gegen das Beharren?

Felser: Jede Innovation sorgt für den Widerstand der Träger der bisherigen Alt-Logik. Was könnte da ein Chief Disruption Officer leisten, was der Chief Digital Officer nicht leistet? Reicht es, wenn einer im Unternehmen dauernd hinterfragt?

Schell: Letztendlich geht es nicht nur darum, zu hinterfragen, sondern vor allem Alternativen aufzuzeigen. Man wird da nur glaubhaft sein, wenn man neben "Abliefern" auch neue Wege geht. Oder anders gesagt, eine neue Stellenbeschreibung "CDO" reicht alleine nicht aus. Es ist ein Thema, was die gesamte Organisation und deren Umfeld angeht.

Nur weil man einen neuen Titel bekommt, wird nichts passieren, wenn man es nicht vorlebt, oder man Angst um seine nächste Beförderung hat - weil man als CDO Grenzen überschreiten muss. Ich versuche genau das rüberzubringen, es ist keine Rolle, es ist die Einstellung zum permanenten Wandel, die mich treibt.

Digitalisierung: 8 Tipps für das Change Management und den Rollout
Wie Sie Mitarbeiter für die digitale Transformation begeistern
Die Analysten von IDC geben Tipps, wie die Digtialisierungsstrategie von CDO und CIO in kurz-, mittel- und langfristigen Schritten geplant werden sollte. Der Fokus richtet sich dabei auf den Faktor Mensch, denn nur mit motivierten Mitarbeitern wird die digitale Transformation ein Erfolg.
Tipp 1: Prozesse überprüfen
Schritt 1 - kurzfristige Maßnahmen: Durchleuchten Sie die aktuellen Digitalisierungsinitiativen. In welchem Maß erfordern diese Projekte Veränderungen an den organisatorischen Abläufen, den Arbeitsprozessen und der Zusammenarbeit zwischen den Abteilungen?
Tipp 2: Bedenken der Mitarbeiter sondieren
Schritt 2 - kurzfristige Maßnahmen: Besprechen Sie gemeinsam mit den Abteilungsleitern, welche Bedenken die Mitarbeiter hinsichtlich der Veränderungen haben könnten.
Tipp 3: Sorgen der Mitarbeiter adressieren
Schritt 3 - kurzfristige Maßnahmen: Überlegen Sie, wie die möglichen Sorgen der Mitarbeiter hinsichtlich der Veränderungen durch Kommunikationsmaßnahmen angesprochen werden können.
Tipp 4: Fokusgruppen bilden
Schritt 1 - mittelfristige Maßnahmen: Führen Sie für künftige Digitalisierungsinitiativen, die organisatorische Veränderungen zur Folge haben, Fokusgruppen oder Interviews mit Mitarbeitern ein, um deren Bedenken kennenzulernen.
Tipp 5: Kommunikationsstratiegie ausarbeiten
Schritt 2 - mittelfristige Maßnahmen: Prüfen Sie die Möglichkeiten, wie die interne Kommunikation für künftige Rollouts eine Kommunikationsstrategie gestalten kann, um diese Bedenken zu adressieren.
Tipp 6: Mitarbeiter motivieren
Schritt 3 - mittelfristige Maßnahmen: Überlegen Sie, wie Sie durch die Einbindung der Mitarbeiter in den Planungsprozess deren Engagement im Vorfeld des Rollouts gewinnen können.
Tipp 7: Mitarbeiter schulen
Schritt 1 - langfristige Maßnahmen (12 bis 24 Monate): Bauen Sie ein gutes Verhältnis zur internen Kommunikation und zur Personalabteilung auf. Prüfen Sie die Möglichkeiten, wie diese Abteilungen mit Kommunikation und Mitarbeitertraining die menschliche Komponente der digitalen Transformation flankieren können.
Tipp 8: Budget prüfen
Schritt 2 - langfristige Maßnahmen: Identifizieren Sie mögliche Auswirkungen dieser menschlichen Komponente innerhalb der digitalen Transformation auf das Budget. Suchen Sie Unterstützung bei der Rechtfertigung zusätzlicher Mittel, um die Akzeptanz der Mitarbeiter im Rahmen eines Digitalisierungsprojekts effektiv sicherzustellen.

Kompetenzen des Chief Disruption Officers

Felser: Ein Disruption Officer könnte schnell an der Akzeptanz scheitern. Welche Kompetenzen muss er mitbringen, um erfolgreich zu sein? Warum setzt GM auf Otto Schell? Worauf würdest Du in dieser Rolle achten?

Schell: "Mitnehmen" ist einer der Erfolgsschüssel. Es sind so viele Talente in unseren Unternehmen, so viele Ideen, die runter diskutiert werden oder in der Frustration enden. Ein anderer Erfolgsschlüssel ist das "Vorleben". Wenn ich aus Meetings rausgehe, muss sich jeder der Frage seiner "Relevanz für morgen" stellen. Nur wenn Menschen sehen, dass ich das für mich selber mache, werden Sie es adaptieren und Veränderung vorantreiben.

Daneben ist es aber auch immer wichtig, wie oben schon gesagt, "abzuliefern". Nur das bringt den nötigen Respekt für so eine Rolle. Am Ende zählen Fakten.

Netzwerk der Disruptiven

Felser: Ein Disruption Officer allein kann die Last des Disruptiven nicht so erfolgreich meistern wie ein Netzwerk. Als DSAG Vorstand und Vertreter des Diplomatic Council bist Du ein erfahrener Netzwerker. Was sind da Deine Zukunftspläne?

Schell: Wir leben in einer für unsere Generation genialen Zeit. Wir können auf einer IoT Plattform mitgestalten, mit beeinflussen. Dazu gehört nicht nur über Grenzen zu gehen, sondern auch in diesem Netzwerk zu agieren, wie gesagt, jeder ist irgendwo relevant, vielleicht an einer anderen Stelle.

Regierungsverantwortung legislaturperioden-bezogen, das interessiert die IoTler wenig, soziale Architekturen werden uns bestimmen. Ob die Robotor Steuern zahlen, wird uns beschäftigen müssen, um den sozialen Ausgleich zu wahren. Meine Zukunftspläne sind einfach: Diese Themen mit der künftig verantwortlichen Generation global anzugehen, solange ich noch relevant bin.

Dies im Netzwerk mit Gleichgesinnten zu tun, erhöht die Erfolgswahrscheinlichkeit …

Felser: Vielen Dank für das Interview.