Neuer Wein in alten Schläuchen

Der Aufstieg des computerintegrierten ManagementsEin Ergebnis der Organisationsentwicklung - die Technologie gibt's schon von der Stange

19.06.1987

Wer schnell und kundenindividuell auf Marktanforderungen regieren will, muß auf Computer-Integration setzen. Das erfordert von der Informationstechnologie Netzwerkkommunikation, Ausfallsicherheit, Softwaretechnologie der vierten Generation, um Datenstrukturen flexibel an Strukturwandlungen bei Technologien und Märkten anpassen zu können. Vor allem aber erfordert das von der Organisationsentwicklung eine Unternehmenskultur, die zum Management des Wandels befähigt.

Interessant ist das Beispiel des CISR-Direktors betreffend Northwest Industries (Umsatz: acht Milliarden Dollar), dessen President und CEO Ben W. Heinemann regelmäßig täglich einige Stunden am Computerterminal arbeitet. Bei Northwest Industries mit neun angeschlossenen Unternehmen hat das ESS eine solche Bedeutung, daß bisher für Pflege und Aufbau 1 Promille des Umsatzes aufgewendet wurden. Die ESS-Datenbank umfaßt bei Northwest Industries (1) 350 finanzielle oder operationale Kennzahlen über geplante, budgetierte oder prognostizierte und aktuelle Monatsergebnisse für jedes operierende Unternehmen mit einer Zeitreihe von acht Vor- und vier Planjahren; (2) 45 Zeitreihen ökonimischer Kenndaten und (3) verschiedene, extern bezogene Informationsdienste wie der von Standard & Poor.

Die Executive Support Systeme (ESS) entwickeln sich dabei in der Regel nach dem Strukturschema des CISR-Datenwürfels. Anforderungen, Struktur und Teilnahme an einem solchen ESS unterscheiden sich natürlich von Unternehmen zu Unternehmen und von Branche zu Branche. Wie jedoch ein derartiges Gebilde aussehen könnte, zeigt beispielhaft für Teilaspekte die Prinzipskizze für Handelsunternehmen (siehe Abbildung 14: Prinzipskizze ESS-Datenwürfel).

In den meisten Unternehmen besteht die Notwendigkeit, die Geschäftsentwicklung für eine größere Zahl von Filialbetrieben, in Hunderten von Verkaufsbezirken für Tausende von Kunden, Produkten oder Teilsortimenten durchschaubar zu machen, verdichtet zu den Markttrends und bezogen auf die Engpaßfaktoren (CSF), auf jeden Fall befreit von den (wohl schwer vermeidbaren) Zahlenfriedhöfen der Prozeßabrechnung. Dazu benötigt jede Verkaufsorganisation, sei es nun in Produktions- oder Handelsbetrieben, Meßlatten für die Ertragskraft von Kunden oder Sortimenten. Einmal abgesehen von den Auftrags- oder Einzelfertigern folgt die Verkaufsorganisation dabei in der Regel den Grundsätzen des Handels.

Das Verkaufen erfolgt dabei anders als das Fertigen überwiegend mit nicht-artikelgebundenen Produktionsmitteln, wie Lagerhäusern, Speditionen, Verkaufsorganisationen. In der Regel werden umfangreiche Sortimente an eine große Anzahl von Kunden verkauft. Das Verfahren richtet sich dabei auf die Kontinuität einer möglichst weitgehenden Bedarfsdeckung der Kunden. Für eine Verkaufsorganisation kann daher überwiegend nicht der einzelne Auftrag Kostenträger sein, denn unrentable Aufträge werden durch rentable subventioniert. Verkauft wird eigentlich die Intensität des Dienstleistungsbündels bei der Versorgung mit Waren oder Dienstleistungen.

Kostenträger für eine Verkaufsorganisation ist daher in der Regel das gesamte Geschäft mit einem Kunden oder in einem Sortiment in einem festgelegten Zeitraum. Beurteilungsmaßstäbe für die Ertragskraft werden daher eher abzuleiten sein aus der Umsatzrendite einerseits einer Kunden- und andererseits einer Warenergebnisrechnung. Die Umsatzrendite wird dabei ermittelt aus der Bruttomarge, das ist die Spanne aus Nettoverkaufserlös abzüglich Einkaufs- oder Herstellungskosten ausgedruckt in Prozent der Nettoverkaufserlöse, abzüglich der Kosten für die vielfältigen Dienstleistungen der Verkaufsorganisation. Ohne hier auf Details eingehen zu können, zeigt Abbildung 15 das Prinzip einer solchen Wertschöpfungsrechnung für beliebige Verkaufsorganisationen.

Die Umsatzrendite ist eine komplexe Information

Unschwer ergibt sich dabei, daß die Umsatzrendite als Meßlatte eines Executive Support Systems für die Beurteilung der Ertragskraft von Filialen, Kunden oder Sortimente eine relativ komplexe Information ist. Für Verkaufsorganisationen ist nämlich die Kostenzurechnung besonders schwierig. Kosten sind eigentlich nichts anderes als die bewerteten Aktivitäten der Verkaufsorganisation für die von ihr angebotenen Dienstleistungen (zum Beispiel Einkaufen, Verkaufen, Lagern, Zustellen, Kreditgeben etc.). Die Kosten der Verkaufsorganisation werden dabei jedoch nur zum geringeren Teil durch Wert oder Beschaffenheit der verkauften Artikel verursacht (siehe Abbildung 2: Kostenstruktur in Teil 1).

Diese Kosten beziehen sich auf den Warenfluß, wie Lagerhaltung und Transport. Sie sind Kunden oder Sortimenten daher über bewegte Volumina oder Gewichte zu belasten. Die eigentlichen Verkaufskosten werden jedoch durch den Auftragsfluß ausgelöst, der den Warenfluß anstößt und in Bewegung hält. Der Verrechnungsmaßstab für die "lnformationskosten" (zum Beispiel Einkaufen, Beraten, Verkaufen) kann sich in der Regel nicht an den verkauften Produkten, sondern nur an den verursachten Verkaufsvorgängen, und das heißt an den Auftragszeilen, orientieren. Für diese Verkaufskosten ist es verhältnismäßig gleichgültig, ob es sich bei der verkauften Ware um Goldbarren oder Waschlappen handelt.

Auch diese Zusammenhänge der Kostenstruktur von Verkaufsorganisationen können hier nur angedeutet werden. Abbildung 16 gibt daher lediglich beispielhaft einen Überblick über das Prinzip einer solchen Kalkulationsformel, das heißt der Zusammenstellung der Kostensätze für verschiedene Dienstleistungen der Verkaufsorganisation, gebündelt nach verschiedenen Auftrags- und Geschäftsarten. Den Regelkreis, nach dem diese Cost (= Einkaufswert) Plus (= Dienstleistungsbündel)-Kalkulationsformel in die Wertschöpfungsrechnung mittels Leistungsmengen oder Bezugsgrößen (wie Auftragszeilen oder Raummeter) übergeleitet werden können, zeigt im Prinzip das DuPont-Schema (Abbildung 17).

Diese kurze Prinzipdarstellung verdeutlicht, daß die Informationsverarbeitung für den Beurteilungsmaßstab "Umsatzrendite" der Regionen, Kunden oder Sortimente im ESS-Datenwürfel (siehe Abbildung 14) einen ganzen Regelkreis von Informationen vernetzen muß. Daran wird deutlich, daß es sich hierbei um eine ganz andere Qualität von Informationen handelt als bei den herkömmlichen Ergebnisverdichtungen der Prozeßabrechnung (zum Beispiel Umsatz oder Warenrohertrag eines Kunden oder Sortiments). Gleichzeitig verdeutlicht der Datenwürfel beispielhaft, daß ein solches Executive Support System auf relativ wenige erfolgsbestimmende Faktoren beschränkt werden kann (zum Beispiel Auftragszeilenwert oder Außenstandsdauer), die sich natürlich an den Besonderheiten der Branche oder des Unternehmens orientieren müssen.

Diese hochaggregierten Faktoren können dann aber als einheitlicher Beurteilungsmaßstab dienen für eine große Anzahl von Kunden, Verkaufsbezirken oder Sortimenten. Dazu lassen sich Bandbreiten bilden, so daß gravierende Abweichungen als Frühwarnsystem Handlungsbedarf anzeigen. Dabei muß immer bedacht werden, daß die Informationsverarbeitung lediglich Handlungsbedarf aufzeigen, nicht jedoch Marktstrukturen oder andere Besonderheiten verändern kann.

Natürlich kann diese verkürzte, beispielhafte Darstellung nur einen ersten Eindruck geben, was gemeint ist, wenn von geänderter Qualität der Informationen in der informationsgestützten Gesellschaft gesprochen wird. Und sicher ist: Auch bei der informationsgestützten Organisation führen viele Wege nach Rom. Die angesprochenen Prinzipskizzen sollen und können nur beispielhaft andeuten, in welche Richtung sich derartige Gebilde wie Führungshilfen entwickeln könnten.

Auf jeden Fall gilt für die Computerintegration der Rat Albert Einsteins an seine Studenten: "So einfach wie möglich, aber bitte nicht einfacher." Spricht CISR-Direktor John F. Rockart: "Diese dramatischen Veränderungen finden statt - ob es einem nun gefällt oder nicht. Und: Bis zum Management der 90er Jahre sind es noch ganze vier Jahre."