Analyse von Hartmut Lüerßen

Den Business-Mehrwert durch IT-Kennzahlen steigern

11.01.2010 von Hartmut Lüerßen
Viele Unternehmen verbinden Kennzahlen aus dem IT-Betrieb nicht mit Daten aus BI- und BPM-Systemen der Fachbereiche. Dadurch verschenken sie erhebliches Verbesserungspotenzial, weil sie Flaschenhälse und Kostenfallen in Geschäftsprozessen nicht erkennen.
Hartmut Lüerßen ist Partner bei der Lünendonk GmbH.

Die IT-Abteilung eines Unternehmens ist als technischer Betreiber vieler Geschäftsprozesse der einzige Bereich, der aufgrund seiner Querschnittsfunktion diese Geschäftsprozesse durchgängig betrachtet. Die Hoheit über die Prozesse liegt jedoch in einer klassischen Unternehmensstruktur in den vertikalen Unternehmensbereichen wie Entwicklung, Produktion, Einkauf, Vertrieb oder Marketing.

Um diese Geschäftsprozesse durch die IT effizient betreiben zu können, haben sich IT-Service-Management-Prozesse auf der Basis von ITIL (IT Infrastructure Library) bewährt und als Marktstandard durchgesetzt. Mehr und mehr Unternehmen arbeiten dabei mit Software-Lösungen für das IT-Service-Management, die den Automatisierungsgrad erhöhen und die Qualität der IT Services steigern. Beispiele für solche Management-Lösungen sind unter anderem "Service Resource Planning" von BMC, IBMs "Tivoli Service Management" oder "theGuard! Service Management Center" von Realtech.

Die Perspektive der Fachbereiche

Das Business Process Management, also das Messen, Steuern und Gestalten der Geschäftsprozesse eines Unternehmens, ist typischerweise Aufgabe der Unternehmensbereiche. Sollen die Abläufe verbessert werden, geschieht diese Modellierung meist unter Einsatz von Software-Werkzeugen wie Microsoft Visio, der Aris-Umgebung von IDS Scheer oder anderen Software-Tools.

Die Fachbereiche nutzen für ihre Entscheidungen darüber hinaus Business-Intelligence-Tools, mit denen sie betriebswirtschaftliche Kennzahlen wie Umsatzentwicklung, Lagerauslastung oder Umschlaghäufigkeit auswerten.

Eine Verbindung dieser Daten mit technischen Prozess-Kennzahlen aus dem IT-Service-Management findet jedoch meist nicht statt. Dabei lassen sich aus der Verbindung der IT-Kennzahlen mit Kennzahlen aus der betriebswirtschaftlichen Perspektive wichtige Informationen über Flaschenhälse oder Kostenfallen in Geschäftsprozessen aufdecken.

Ein Beispiel: Ein Bestellprozess lässt sich vereinfacht beschreiben durch die Teilprozesse Bestellungseingang (Vertrieb), Prüfen der Verfügbarkeit der Produkte (Lagerhaltung, Produktion), Prüfen der Zahlungsfähigkeit (Finanzen, Controlling), Auftragsbestätigung (Vertrieb) und Übergabe zur Konfektionierung (Lagerhaltung, Logistik).

Will das Unternehmen beispielsweise erreichen, dass 90 Prozent aller verfügbaren Güter innerhalb von zwei Tagen versendet werden, so müssen neben der Lagerhaltung und der Produktionssteuerung auch die Bearbeitungszeiten in den verantwortlichen Bereichen und Abteilungen sowie etwaige Liegezeiten analysiert werden.

Flaschenhälse in den Prozessen

Welchen Sinn macht es aus unternehmerischer Sicht, wenn eine Verwaltungs- oder Vertriebsabteilung durch Unterbesetzung wertvolle Stunden oder Arbeitstage "opfert", während die Produktion im Mehrschicht-Betrieb rund um die Uhr arbeitet? Oder wenn aus Kostengründen ein zu geringer Service-Level vereinbart wurde und in der Folge von den Fachbereichen gemeldete Störungen und Probleme mit einem Zeitfenster von sechs Stunden bearbeitet werden?

Derartige Flaschenhälse in den Prozessen lassen sich mit Hilfe der Analyse von Liege- und Durchlaufzeiten in den darunter liegenden IT-Systemen sehr effizient aufdecken.

Business Process Management und Business Service Management aus technischer Sicht

Durch die kontinuierliche Weiterentwicklung Tools für das System- und Netzwerkmanagement zum Business Service Management (BSM) ist es inzwischen möglich, das Monitoring - also die Überwachung -von der Anwendungs-Ebene auf die Prozess-Ebene zu erweitern und darüber hinaus diese Informationen mit der Prozesssicht der Modellierungs-Werkzeuge zu verbinden. Dadurch wird die technologische Lücke zwischen den IT-Systemen, welche die Geschäftsprozesse abbilden, und den Werkzeugen, mit denen die Prozesse anhand der fachlichen Anforderungen gestaltet und dokumentiert werden, erstmals geschlossen.

Business Service Management steht jedoch nicht nur für eine Gruppe von IT-Management-Technologien, sondern auch für ein Konzept zum Management der IT aus der Unternehmensperspektive. Der Begriff wurde von BMC Software geprägt und stellt eine Ergänzung zur IT Infrastructure Library (ITIL) dar.

Unter einem Business Service wird dabei ein IT-Service verstanden, der für den Benutzer im Fachbereich sichtbar ist und sich an einem Business-Ziel orientiert. So wird aus der Verfügbarkeit einer Anwendung als technischer KPI (Key Performance Indicator) beispielsweise eine automatisierte Status-Meldung über die Lieferung eines Produktes an die Kunden innerhalb eines bestimmten Zeitraums als Business KPI. Allein diese Veränderung der Perspektive führt zu einer stärkeren Business-Orientierung im Service Management.

War es in der Vergangenheit eher so, dass sich die IT auf den operativen Betrieb der Anwendungen konzentrierte und vergleichsweise wenig Input für Geschäftsprozess-Optimierungen lieferte und liefern konnte, ändert sich diese Situation mit einer Ausrichtung der IT-Prozesse an den Geschäftsprozessen sowie der Einführung von BSM-Lösungen grundlegend. Das zeigt auch die aktuelle Lünendonk-Trendstudie "Geschäftsprozesse intelligent steuern, messen und gestalten - Business Process Management und Business Service Management als Instrumente zur Steuerung von Business und IT", die von der Lünendonk GmbH in Zusammenarbeit mit Realtech durchgeführt wurde.

So bieten die Lösungen beispielsweise über Portale und sogenannte Business Views rollenspezifische Informationen über den Status von Geschäftsprozessen, so dass etwa der Fachbereich bei Störungen schnell reagieren kann. Andere Auswirkungen bestreffen die Projektkultur, die Planungsprozesse oder die Zusammenarbeit zwischen den Fachbereichen und der IT.

IT-Potenzial besser nutzen

Die IT-Abteilung eines Unternehmens als technischer Betreiber vieler Geschäftsprozesse ist der einzige Bereich, der aufgrund seiner Querschnittsfunktion diese Geschäftsprozesse durchgängig betrachtet. Dieses Geheimnis sollte die IT nicht länger für sich behalten. Denn aus unternehmerischer Sicht ist es nicht akzeptabel, dass dieses Potenzial ungenutzt bleibt.