Ratgeber Netz-Management

Dem Tempo auf der Spur

21.09.2009 von Gabriele Lutz
Netz-Management bedeutet für (fast) jeden etwas anderes. Trotzdem sind Trends erkennbar: Die Überwachung und Analyse bezieht mittlerweile neben den Netzdiensten auch Anwendungen und deren Leistungsdaten mit ein.

Es gibt kaum ein Unternehmen, das in seinem Netzwerk ohne irgendeine Form von Überwachung und Management auskommt. Selbst die kleinsten Netzwerke verfügen über Management-Funktionen. Das kann schon eine simple "Geht/geht-nicht" Erkennung sein, die die Server, auf denen Microsoft Exchange und die File-Services laufen, im Auge behält. Schon 2003 ergab eine Studie des Marktforschungsunternehmens Lünendonk, dass 95 Prozent der befragten IT-Entscheider und Netzwerkadministratoren solche Tools bereits einsetzen oder den Einsatz in den nächsten drei Jahren planen. In den meisten Fällen ist Netz-Management heute aber eine erheblich umfassendere Aufgabe. Mit zunehmender Wichtigkeit von Netzwerken für den Unternehmenserfolg rückten deren Verfügbarkeit und Leistung in den Vordergrund. Dabei verschwammen auch die Grenzen zwischen Netzwerk und Anwendungen: Während früher Netzwerk-Management spätestens ab Oberkante Betriebssystem aufhörte, ist heute eher ein ganzheitlicher Ansatz gefragt.

Definitionsfrage

Der Fokus im Netz liegt mittlerweile auf der Performance der Anwendungen.
Foto: Fotolia, S. Gladwell

Noch wichtiger als die Frage, welche Komponenten überwacht und verwaltet werden sollen, ist die Entscheidung, über welche Bereiche das Netzwerk-Management ausgedehnt wird. Standard und Basis zugleich ist die Kontrolle, ob und mit welcher Leistung ein System funktioniert. Nimmt man einen Switch als Beispiel, können dessen Funktionen, seine Auslastung und die Fehlerrate pro Port überwacht werden. Historisch begann die Überwachung in zahlreichen Firmen auf diese Weise, mit dem Ziel, eine bessere Kontrolle über die Verfügbarkeit der Netze aufzubauen. Im Lauf der Zeit haben sich die Schwerpunkte verschoben, heute haben Sicherheitsthemen wie Compliance-Anforderungen Eingang in das Netz-Management gefunden.

So ist etwa Network Access Control (NAC) in erster Linie eine Frage des Zusammenspiels verschiedener Management-Komponenten. Das bestätigt auch Markus Nispel, Vice President Solutions Architecture bei Enterasys Networks, der Netzwerk-Infrastruktur und -Security-Sparte der Siemens Enterprise Communications Group: "Für ein funktionierendes NAC-System müssen alle Komponenten auf der gesamten Netzwerkstrecke zentral verwaltet werden können. Nur so lässt sich ein umfassender Sicherheitskordon aufbauen."

Leistung rückt in den Vordergrund

Neben der Sicherheit ist ein weiterer Aspekt der Netzwerküberwachung in den Vordergrund gerückt. Während diese sich früher vor allem auf die Bereitstellung der Basisdienste im Netzwerk konzentrierte, wurde der Fokus mittlerweile auf die Anwendungen erweitert. Ob alles ordnungsgemäß läuft, wird am Endpunkt definiert, dort wo der Anwender seine Aufgaben mit Hilfe des Computers erledigen muss. "Probleme mit Verzögerungen bauen sich oft über lange Zeit auf, zeigen dann aber ganz plötzlich Auswirkungen", so Rainer Bemsel, Technical Representative bei NetQoS. "Daher ist es sehr wichtig, eine Baseline des normalen Betriebs von Applikationen zu etablieren, damit Abweichungen schnell und zuverlässig erkannt werden."

Die Lösung heißt Application Performance Monitoring. Je komplexer die eingesetzten Business-Applikationen sind, desto wahrscheinlicher treten Probleme auf, die mit einfachen Statistik- und Übersichtswerten nicht gelöst werden können. In der Praxis muss deshalb erheblich tiefer analysiert und ausgewertet werden. So greift der Einsatz von Standardwerkzeugen wie SNMP und NetFlow zu kurz, weil Applikationsprobleme oft auf deutlich höheren Ebenen entstehen, als diese Tools analysieren.

Anwendungen simulieren

Application Performance Monitoring hingegen überwacht speziell die Qualität der Benutzertransaktionen aus Sicht der Anwendungsebene. Entscheidend ist, welche Ressourcen dabei verbraucht werden und wann, wie häufig und warum das passiert. Dabei ist das Zusammenspiel der einzelnen Applikationskomponenten genauso wichtig wie das Verhalten der eingebundenen Backend-Systeme. "Nicht jede Anwendung ist wichtig genug, um eine lückenlose Überwachung der Transaktionsleistung aufzubauen", beschreibt NetQoS-Mann Bemsel einen sinnvollen Ansatz zur Umsetzung. "Jedes Unternehmen muss selbst definieren, welche Programme für den Geschäftsbetrieb so wichtig sind, dass eine besonders intensive Überwachung notwendig ist."

Verschiedene Management-Ansätze

Klassisch:

  • SNMP,

  • NetFlow,

  • greifen heute zu kurz, da sie Anwendungen nicht erfassen.

Aktuell Performance Monitoring mit:

  • Synthetischen Transaktionen,

  • Open-Source API "Application Response Measurement",

  • Client-basierenden Agenten,

  • passive Analyse der Protokolldaten.

Um die Application Performance zu kontrollieren, stehen Unternehmen verschiedene Ansätze zur Verfügung. Eine Variante sind synthetische Transaktionen. Dabei wird das Nutzungsprofil der Anwendung mit einem oder mehreren Clients simuliert und die Reaktionszeiten des Anwendungs-Servers gemessen. Der Vorteil dieser Methode liegt im relativ geringen Aufwand, passende Scripts und Test-Frameworks werden für die meisten typischen Business-Applikationen wie SAP oder Exchange angeboten. Oft wird jedoch kritisiert, dass die Simulation der realen Situation nicht so nahe kommt, wie sie sollte, und die ermittelten Werte von der Wirklichkeit abweichen. Ein weiterer Nachteil, den synthetische Transaktionen mit allen anderen, aktiven Test-Tools gemein haben, ist der Einfluss des Tests auf das Produktionsnetz. Jede simulierte Anfrage belastet Netzwerk und Server.

Verschiedene Testmethoden

Nur mit intelligenten Analyseverfahren lässt sich ein Durchblick im Netz gewährleisten.
Foto: BT

Das gilt auch für die zweite Testmethode, die Softwareschnittstelle in der Anwendung. Hier liefert die Applikation selbst aktuelle Informationen über ihre Auslastung, Verzögerungen und andere Statistikdaten. Die Open-Source-API "Application Response Measurement" ist so eine Schnittstelle, die auch von großen Herstellern wie SAP und Oracle unterstützt wird. Die gewonnenen Daten haben einen enormen Umfang. Deshalb sind sie eher für Entwickler geeignet als für einen Administrator, der auf einen reibungslosen Betrieb achtet. In größeren Unternehmen, wo es einige Dutzend kritische Anwendungen und Dienste gibt, müsste auch jedes Programm einzeln über die API überwacht werden - ein nicht zu rechtfertigender Aufwand.

Eine andere Möglichkeit zur Überwachung der Anwendungsleistung sind Monitoring-Systeme auf Client-Basis. Hier liefert ein Software-Agent auf dem Client selbst Messdaten über Reaktionszeiten und Durchsatz. Allerdings sind die Messwerte auf die überwachten Clients beschränkt: Wer nicht jeden PC mit einem Agent belasten will, riskiert, dass Probleme an unüberwachten PCs unbemerkt bleiben. Fehlt noch die letzte Variante des Performance-Monitoring: das passive Analysieren der Protokolldaten. Während die bereits genannten Ansätze versuchen, von oben nach unten zu analysieren, geht diese Variante den umgekehrten Weg. Durch das Sammeln aller Datenpakete kann ein entsprechender Analyzer ein lückenloses Bild des Anwendungsverhaltens aufzeichnen - von der Anfrage des Clients bis hin zum Backend-Request an die Datenbank. "Eine passive Methode hat für das Netzwerk die geringsten Auswirkungen", erklärt Bemsel, "Beeinflussungen werden praktisch ausgeschlossen."

Künftige Herausforderungen

Sicherheit und Application Performance sind zwei Themen des Netz-Managements, doch momentan zeichnen sich schon zwei neue Entwicklungen ab: Eine davon ist die Virtualisierung. Durch die zunehmende Verbreitung von Virtualisierungstechnologien in den Rechenzentren wird es für Netz-Management-Lösungen immer wichtiger, Daten aus virtuellen Maschinen (VM) zu erhalten. Hier sind sowohl die Hersteller von Virtualisierungsprodukten als auch von Management-Plattformen gefragt, um Schnittstellen zum gegenseitigen Datenaustausch anzubieten.

Der zweite Trend hat mit Kosten und Budgets zu tun. Auch wenn Firmen zögern, das Netz-Management auszulagern, gibt es mittlerweile zahlreiche Service-Provider für diese Dienstleistung.