Dell 2.0: Der Konzern droht Wettbewerbern mit Design

14.09.2006
Unter Druck wechseln sich die Paradigmen schneller, als man glaubt: Dell will sich neu erfinden und künftig auf gutes Aussehen der Produkte Wert legen.
Kevin Rollins und Michael Dell: Zwei Männer mit Sorgen.

Investoren sind vergrätzt, die Börsenaufsicht ermittelt, Finanzberichte verzögern sich, Gewinne schmelzen, die Einnahmen wachsen nur noch langsam, der CEO steht in der Kritik, dem Rivalen Hewlett-Packard geht es wieder besser, und zudem müssen 4,1 Millionen fehlerhafte Notebook-Akkus ausgetauscht werden: Das Jahr 2006 wird Firmengründer Michael Dell lange Zeit in schlechter Erinnerung bleiben. Seine bitterste Erfahrung wird wohl sein, dass Kunden nicht wirklich mit Details zu schlanken Lieferketten für die Produkte zu begeistern sind. Allerdings ist Dell mit dem Problem, die Bedeutung des Marketings unterschätzt zu haben, in der IT-Branche nicht allein. Davon können sich die Texaner aber auch nichts kaufen.

Daher bemüht sich das Management derzeit mit Nachdruck, die Krise einzudämmen. Helfen soll die Renovierung des angekratzten Konzern-Images. Unter dem Schlagwort "Dell 2.0" - in Anlehnung an das seit geraumer Zeit allgegenwärtige "Web 2.0" - gelobt der Kistenschieber Besserung. Einerseits will Dell Fabriken in Wachstumsmärkten (Brasilien, Indien, Osteuropa) aus dem Boden stampfen, andererseits soll mehr Nachdruck auf das Design gelegt werden, verkündete CEO Kevin Rollins am Dienstag auf einer Technologiekonferenz des Unternehmens in New York.

"Wir haben 22 Jahre damit verbracht, dem Geschäftsmodell von Dell zu folgen", sagte Rollins, "doch die Märkte haben sich verändert und mit ihnen die Bedürfnisse und Vorlieben der Kunden." Jeder Aspekt des Geschäftsmodells stehe nun auf dem Prüfstand, angefangen von der Lieferkette und dem Design der Rechner über den Kundendienst bis hin zum Support. Der Plan sieht konkret vor, bis Ende des Jahres ein Team von 60 Designern zusammenzustellen, die das Aussehen und die "Usability" der Geräte verbessern sollen. Die Konzentration auf Preise und Leistungsmerkmale muss vorerst ins zweite Glied zurücktreten.

Das unzulängliche Design der Dell-Rechner war lange Jahre kein Problem - schließlich standen die Computer in der Regel unter dem Tisch oder unter dem Monitor. Seit jedoch viele Menschen über einen tragbaren PC verfügen und dies auch der Umwelt zur Kenntnis bringen wollen, sieht man die fehlende Pracht der Dell-Geräte immer öfter: Das Material erinnert an Armaturenbretter koreanischer Kleinwagen, und die Farbpalette passt hervorragend in das Ambiente einer Aussegnungshalle.

Die Entdeckung des ominösen "Wow!-Faktors" durch Dell ist sicherlich ein erster Schritt zur Besserung. Allerdings muss sich der Konzern auf einen Marathon einstellen, denn Vorurteile in den Köpfen der Kunden lassen sich nicht über Nacht aus dem Weg räumen. Auch Apple ist nicht erst seit der Erfindung des "iPod" als Anbieter von optisch höherwertigen Rechnern bekannt. Zudem hat Dell ein ganz spezielles Problem: Rund 80 Prozent seines Geschäfts macht der Konzern mit Unternehmenskunden. Hier spielt Design keine Rolle bei der Investitionsentscheidung, was sich eben in dem Umstand niederschlägt, dass Dell vier Fünftel seines Geschäfts mit Unternehmenskunden macht.

Im Frühjahr dieses Jahres sagte Michael Dell gegenüber europäischen Journalisten, dass eine Spaltung des Konzerns in eine Unternehmens- sowie eine Consumer-Marke nicht zur Diskussion steht. Damals hatte Dell allerdings auch noch keine AMD-Prozessoren im PC-Portfolio. (ajf)