Schleppender Absatz und hohe Kosten

DEC steht erstmals vor Quartalsverlust

02.03.1990

MAYNARD/MÜNCHEN (bk) - Kein Grund zum Lachen hat derzeit DEC-Chef Kenneth Olsen: Noch dabei, die Übernahme-Spekulationen um sein Unternehmen zu verdauen (siehe auch CW Nr. 7, Seite 1), muß er sich bereits mit einer neuen Hiobsbotschaft auseinandersetzen. Digital Equipment, Nummer zwei auf dem DV-Weltmarkt, droht erstmals Quartalsverlust.

Rote Zahlen wagen für Digital Equipment bislang unbekanntes Terrain. Nun aber deutet nach Ansicht von Analysten alles darauf hin, daß der Mini-Marktführer erstmals in seiner 32jährigen Firmengeschichte einen Quartalsverlust wird hinnehmen müssen. Aufgrund eines derzeit mehr als flauen Absatzes in dein USA, der gepaart ist mit steigenden Kosten infolge langfristig angelegter Investitionen in neue Produkte, will selbst DEC-Chef Kenneth Olsen jetzt einen Minusbetrag für das dritte Quartal 1990 (31. März) nicht mehr ausschließen. O-Ton Olsen: "Dies kann durchaus geschehen."

Daß die Computergeschäfte für DEC in den USA momentan miserabel laufen, hat sich der DV-Riese indes selbst zuzuschreiben. Die im Herbst letzten Jahres angekündigte neue Mainframe-Serie VAX 9000 läßt auf sich warten.

Noch immer steht nicht fest, wann DEC mit den Auslieferungen beginnen wird. Zudem ist laut Insider-Informationen ein wahres Preis-Chaos bei den VAX-6000-Rechnern ausgebrochen. Da die Kunden auf die 9000-Serie warteten, würde derzeit niemand von der Systemfamilie 3000 auf die 6000 umsteigen. Folge: In den USA werden diese Rechner jetzt von Brokern bis zu 35 Prozent unter DEC-Listenpreis angeboten.

Das DEC-Management denkt nun über weitgreifende Sparmaßnahmen nach. Wie verlautete, will der Minimaker erst einmal personell kräftig abspecken. Von derzeit 125 900 Mitarbeitern sollen gut 8000 im Rahmen einer Sonderregelung freigesetzt worden. In der jüngsten Vergangenheit allerdings hatte der Computerriese mit solchen Programmen wenig Glück. Bereits im letzten Jahr bot DEC rund 700 Mitarbeitern in Fertigung und Verwaltung eine Trennung auf freiwilliger Basis an, doch nur 235 hatten davon Gebrauch gemacht. Im letzten Quartal wuchs die DEC-Belegschaft gar noch um 400 Mitarbeiter, obwohl bereits Personalkürzungen geplant waren.

Darüber hinaus hat Ken Olsen seine Manager zum zweiten Mal innerhalb der letzten sechs Monate aufgefordert, ihre Budgets zu kürzen. Die Sparkampagne des Firmengründers macht selbst vor der Entwicklungsabteilung nicht halt. DEC-Ingenieure berichten, daß auch ihnen bereits Gelder gesperrt wurden. Was immer aber Ken Olsen jetzt unternimmt: Den drohenden Verlust im dritten Quartal wird er nicht abwenden können. "Für diesen Abschnitt", so der DEC-Chef, "kommen alle Maßnahmen zu spät."