Soziales Netzwerk tritt gegen die Großen an

David will es gegen Goliath wissen

20.04.2010 von Hans Königes
Sie sind Optimisten und Kämpfer: Die Brüder Tarlig und Samet Aras haben ihren gutbezahlten Job gegen die Gründung eines sozialen Netzwerkes getauscht.

Facebook und MySpace waren auf weltweitem Expansionskurs und studiVZ machte es hierzulande nach: In einem nebensächlichen Plausch über das Internet im Allgemeinen und soziale Netzwerke im Besonderen stellte das Gründertrio Ibrahim und Ugur Tarlig sowie Samet Aras irgendwann Anfang 2007 im Cafe St. Oberholz in Berlin-Mitte fest, dass es kein entsprechendes Angebot für türkische Studenten in Europa gab. Was sie jedoch wussten war, dass der türkische E-Commerce-Markt noch in den Kinderschuhen steckte und die Nachfrage groß ist.

Ibrahim Tarlig gründete mit seinem Bruder Ugur das soziale Netzwerk studentSN.

Mit Hilfe von Marktanalysen in der Türkei und Deutschland sowie Hinzuziehung erfahrener Internet- und E-Commerce-Experten konnten die Gründer im Vorfeld wichtige und detaillierte Kenntnisse über Zielgruppen und Märkte sammeln. So wurde im Frühjahr 2007 aus der Idee schnell ein Geschäft. Die drei kündigten ihre sicheren und gutbezahlten Jobs. Der Betriebswirt Ibrahim Tarlig arbeitete mehrere Jahre bei Arthur Andersen, der Wirtschaftsinformatiker Urgur Tarlig war unter anderem auf zehn Jahre in der IT Industrie tätig und Samet Aras konnte auf rund 20 Jahre Unternehmertum verweisen, er ist in der türkischen Geschäftswelt gut vernetzt, wie die Tarlig-Brüder erzählen.

Der Server kostete 150 Euro im Monat

Ugur Tarlig: "studentSN ist heute in der Türkei mit etwa 600.000 Mitgliedern bereits eine feste Größe auf dem Markt."

"Wir wollten kein Plagiat sein", bekräftigt Ibrahim Tarlig das Alleinstellungsmerkmal. So fußt die Entstehung von studentSN (Service Network) auf der Idee von "brauchbaren" und erweiterbaren Services, die "über das Networking hinaus einen Mehrwert" erbringen sollen. Eine Online-Börse für Dokumente wie Klausuren, Seminar-und Hausarbeiten, ein Web2Mobile SMS-Service und Online-Games für Handy und PC runden heute das Angebot auf dem Service Network ab.

Wie bei anderen Startups auch, war die Kasse anfänglich leer: Die ersten Monate hat das Gründertrio quasi aus eigener Tasche und mit kleinen Geldern aus dem direkten Umfeld finanziert. Zur ersten Umsetzung heuerte man zunächst einen freiberuflichen Entwickler an und mietete sich einen Server für 150 Euro pro Monat an. Nach einigen Monaten Entwicklungszeit ging die Seite im Juni 2007 in der Türkei online - und das, obwohl das Programm ziemlich fehlerbehaftet war.

Monatelange Suche nach Geldgebern

Die positive Überraschung: Kurz nach dem Launch von studentSN.com gab es täglich mehr als 4000 Neuanmeldungen. Der 150-Euro-Server konnte die Last nicht mehr tragen, es musste schnell ein neuer her. Dies war auch gleichbedeutend mit der Suche nach Geldgebern. Nach monatelangem Tauziehen schloss man schließlich im Frühjahr 2008 die erste Finanzierungsrunde erfolgreich ab. Business-Angels wie Christophe Maire und Peter Schüpbach überzeugte das Konzept und sie überwiesen zusammen mit anderen Geldgebern insgesamt 600.000 Euro in die Kasse von studentSN. Kurzerhand stellte man sich ein professionelles Team zusammen und besorgte leistungsstarke Server.

Samet Aras ist der 3. Gründer im Bunde.

Von den Funktionalitäten ist studentSN als klassisches soziales Netzwerk einzustufen. Mitglieder können sich ein Profil zulegen und sich mit anderen Nutzern vernetzen. Als Zielgruppe habe man schätzungsweise rund 100 Millionen Schüler, Studenten, Hochschulabsolventen und Lehrer sowie Hochschulmitarbeiter in ganz Europa anvisiert. Der Unterschied von studentSN liegt im Geschäftsmodell, wie die drei Gründer betonen. Das Netzwerk schaltet (bislang) keine Werbung. Ziel sei es, sich über erschwingliche Gebühren für die Zusatzdienste zu finanzieren. So kostet beispielsweise der Versand einer SMS weltweit fünf Cent. Das Hoch- und Herunterladen von Dokumenten nach dem Vorbild von Hausarbeiten.de wird ebenfalls auf bis zu zehn Euro pro Dokument limitiert. Als weiteren Vorteil nennen die Berliner die virtuelle Währung, die man eingeführt hat: "Die `Credits` lassen sich nach Belieben von den Mitgliedern aufladen ohne dabei in eine Abofalle zu geraten", betont Ibrahim Tarlig. Diese Vorgehensweise werde gut aufgenommen, da sie einerseits transparent sei, andererseits für Sicherheit sorge. Bei studentSN ist man sich sicher, dass sich das Paid-Modell in Zukunft bewährt machen wird.

studentSN ist heute in der Türkei mit etwa 600.000 Mitgliedern bereits eine feste Größe auf dem Markt; insgesamt sind es mittlerweile 800.000 User. Seit Frühjahr 2008 bieten die Gründer mit türkischen Wurzeln ihren Service auch hierzulande an. Wichtige Unternehmen wie die Türkische Post PTT und Türkeis größter Mobilfunkanbieter Turkcell konnten als feste Partner gewonnen werden, um so das Konzept auf eine solide Grundlage zu stellen.