Arbeitgeber kann sofort handeln

Das Wichtigste zur Verdachtskündigung

26.02.2010 von Renate Oettinger
Allein schon der Verdacht ist ausreichend, das zur Fortsetzung des Arbeitverhältnisses erforderliche Vertrauen des Arbeitgebers in die Redlichkeit des Arbeitnehmers zu zerstören.

Sie erinnern sich? Die fristlose Kündigung einer seit mehr als 30 Jahren beschäftigten Kassiererin wegen der unrechtmäßigen Verwendung von Leergutbons im Wert von 1,30 Euro zum eigenen Vorteil war gerechtfertigt. Damit bestätigten im vergangenen Jahr die Richter der 7. Kammer des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg in ihrer Entscheidung vom 24.02.2009 (LAG Berlin-Brandenburg Az: 7 Sa 2017/08) das erstinstanzliche Urteil.

Medienwirksames Urteil

Fotolia, G. Krautberger
Foto: Fotolia, G. Krautberger

Kaum ein landesarbeitsgerichtliches Urteil hat in den Medien in jüngster Zeit so viel Aufmerksamkeit erfahren wie dieses. Und wie so häufig ist die öffentliche Wahrnehmung der durchaus zutreffenden Rechtsprechung in den Medien - gewollt oder ungewollt - arg verzerrt. Dabei ist die Fallkonstellation einer Verdachtskündigung in der arbeitsrechtlichen Praxis keineswegs selten. Darauf verweist der Kölner Fachanwalt für Arbeitsrecht Frhr. Fenimore von Bredow von der DASV Deutschen Anwalts- und Steuerberatervereinigung für die mittelständische Wirtschaft e. V. mit Sitz in Kiel.

In dem Urteil ging es um die fristlose Kündigung einer langjährig beschäftigten Kassiererin in einem Supermarkt durch den Arbeitgeber. Der hatte den dringenden Verdacht, dass die Kassiererin im Dienst eine Straftat zum Nachteil des Arbeitgebers begangen habe. Konkret wurde ihr vorgeworfen, zwei Leergutbons im Wert 0,48 Euro und 0,82 Euro aus dem Kassenbüro entnommen und für sich eingelöst zu haben. Der Verdacht eines solchen Verhaltens stellt nach Auffassung des Gerichts einen wichtigen Grund i.S. des § 626 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) dar, der zum Ausspruch einer fristlosen Kündigung berechtige.

Verdacht einer Pflichtverletzung reicht aus

Dabei, so von Bredow, hat das Gericht die Voraussetzungen einer Verdachtskündigung sehr genau und im Ergebnis auch zutreffend geprüft. Unter dem Begriff "Verdachtskündigung" werden im Arbeitsrecht solche Fälle zusammengefasst, in denen die Kündigung nicht auf eine tatsächlich begangene Pflichtverletzung gestützt wird, sondern auf den bloßen Verdacht, eine solche Pflichtverletzung - zumeist eine Straftat oder ein gravierender Vertrauensbruch - begangen zu haben. Entscheidend ist, dass allein schon der Verdacht ausreichend ist, das zur Fortsetzung des Arbeitverhältnisses erforderliche Vertrauen des Arbeitgebers in die Redlichkeit des Arbeitnehmers zu zerstören. Die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses und - je nach Schwere des Verdachts - auch die Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist ist dem Arbeitgeber dann nicht länger zumutbar.

Objektive Tatsachen und Pflichtwidrigkeit

Voraussetzung einer Verdachtskündigung ist, dass sich der Verdacht aus objektiven, im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung vorliegenden Tatsachen ergeben muss. Bloße Vermutungen oder gar Gerüchte, die einer Nachprüfung nicht standhalten, sind nicht ausreichend. Der Verdacht muss ferner dringend sein; aufgrund der Umstände des Falles muss eine große Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass der Arbeitnehmer die Pflichtwidrigkeit begangen hat. Die Pflichtwidrigkeit muss ihrerseits so schwer wiegen, dass sie - einmal unterstellt, die Tat sei bewiesen - ausreichte, die beabsichtigte Kündigung zu rechtfertigen.

Bei Vermögensdelikten spielt der Wert keine Rolle

Dies ist bei dem Verdacht einer Straftat regelmäßig der Fall, und zwar bei Vermögensdelikten auch vollkommen unabhängig von der Höhe des Wertes. Denn es geht keineswegs um die Frage, um wie viel der Arbeitgeber geschädigt wurde, sondern um die objektive Prognose, ob sich das Arbeitsverhältnis in der Zukunft auf einer gemeinsamen Vertrauensbasis fortführen lässt. Der Wert würde im Strafverfahren vor dem Amtsgericht bei der Frage der Strafzumessung möglicherweise eine Rolle spielen - im Kündigungsschutzprozess vor dem Arbeitsgericht geht es jedoch nicht um den Ausspruch einer Bestrafung, sondern um den Bestand des Arbeitsverhältnis.

Keine Unschuldsvermutung

Deswegen gilt hier auch nicht die im Strafprozess übliche Unschuldsvermutung zugunsten des Arbeitnehmers. Der Arbeitgeber muss aber seinerseits alles ihm Zumutbare zur Aufklärung des Sachverhalts unternehmen, insbesondere ist er verpflichtet, den verdächtigten Arbeitnehmer mit dem Verdacht zu konfrontieren und ihm Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Ohne eine solche Anhörung wäre der Ausspruch einer Verdachtskündigung unwirksam, so von Bredow.

Sobald der Arbeitgeber alle relevanten Fakten zusammen getragen hat, beginnt die 14-Tages-Frist des § 626 Abs. 2 BGB an zu laufen. Der Arbeitgeber hat nun zwei Wochen Zeit, sich zu überlegen, wie er mit der Angelegenheit verfahren will. Lässt er diese Frist ungenutzt verstreichen, kommt eine fristlose Kündigung nicht mehr in Betracht. Will er dagegen kündigen, muss dem Arbeitnehmer die Kündigungserklärung vor Ablauf dieser Frist zugehen.

Diese Voraussetzungen waren in dem jetzt entschiedenen Fall gegeben, weshalb das Landesarbeitsgericht aus juristischer Sicht zu Recht die erstinstanzliche Entscheidung bestätigt hatte.

Von Bredow empfiehlt sowohl Arbeitgebern als auch Arbeitnehmern, die Voraussetzungen einer Verdachtskündigung genauestens im Blick zu behalten und bei aufkommenden Fragen dazu unbedingt kompetenten Rechtsrat in Anspruch zu nehmen, und und verweist in diesem Zusammenhang u. a. auch auf die DASV Deutsche Anwalts- und Steuerberatervereinigung für die mittelständische Wirtschaft e. V. (www.mittelstands-anwaelte.de). (oe)

Weitere Informationen und Kontakt:

Fenimore v. Bredow, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht, c/o Domernicht, v. Bredow, Wölke Rechtsanwälte, Köln, Tel.: 0221 283040, E-Mail: v.bredow@dvbw-legal.de, Internet: www.dvbw-legal.de und www.mittelstands-anwaelte.de