Dafür müssen Mitarbeiter geradestehen

Das Wichtigste zur Arbeitnehmerhaftung

23.02.2010 von Renate Oettinger
Fenimore von Bredow zeigt auf, welche Pflichtverletzungen des Arbeitnehmers bei der betrieblichen Tätigkeit vorkommen können und wie sie rechtlich zu werten sind.

Der Autor Fenimore v. Bredow ist Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht und Mitglied der Deutschen Anwalts- und Steuerberatervereinigung für die mittelständische Wirtschaft e.V.

Fotolia, N.J. Schirado
Foto: Fotolia, N.J. Schirado

Unter dem Begriff "Arbeitnehmerhaftung" werden allgemein die Folgen von Pflichtverletzungen des Arbeitnehmers bei betrieblicher Tätigkeit zusammengefasst. Solche Pflichtverletzungen können z. B. sein:

- Schlechtarbeit (mangelnde Arbeitsqualität, Produktion von Ausschuss)

- mangelhafte Beaufsichtigung oder Bedienung von Eigentum des Arbeitgeber (Beschädigung von Maschinen oder Fahrzeugen)

- Schädigung von Personen (Verletzung von Kollegen, Kunden oder Dritten)

- Vernachlässigung sonstiger Pflichten (z.B. Obhuts- oder Herausgabepflichten bzgl. Material, Werkzeug oder Geld)

Da die Folgen solcher Pflichtverletzungen oft gravierende Folgen für den Arbeitnehmer haben können, die ihn schnell finanziell ruinieren können, gilt im Arbeitsrecht folgende Besonderheit.

Die "normalen" Regelungen zur Haftung und zum Schadensersatz des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) sind im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses weitestgehend durch Haftungsmilderungen verdrängt. Nachfolgend ein kurzer Überblick:

Personenschäden an Arbeitskollegen

Bei Personenschäden, die ein Arbeitnehmer an Arbeitskollegen verursacht, greift ein gesetzlich geregelter vollständiger Haftungsausschluss (§ 105 SGB VII) unter folgenden Voraussetzungen ein:

- ein Kollege des Arbeitnehmers wird bei einem Arbeitsunfall (§ 8 SGB VII) verletzt;

- der Arbeitnehmer hat den Arbeitsunfall nicht vorsätzlich herbeigeführt;

- es handelt sich nicht um einen sog. Wegeunfall gem. § 8 Abs. 2 Nr. 1-4 SGB VII (auf dem Weg von oder zur Arbeitsstelle);

- der Unfall ereignete sich in Ausübung betrieblicher Tätigkeit (keine private Auseinandersetzung).

Liegen diese Voraussetzungen vor, so besteht weder ein Schmerzensgeld- noch ein Schadensersatzanspruch des Kollegen gegenüber dem Arbeitnehmer; der verletzte Kollege hat dafür seinerseits Anspruch auf Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung (Berufsgenossenschaft).

Ausnahme: Bei mindestens grob fahrlässigem Verhalten des Arbeitnehmers kann die Berufsgenossenschaft unter Umständen Rückgriff bei diesem nehmen, muss dabei aber ihrerseits dabei auf die jeweiligen wirtschaftlichen Verhältnisse des Arbeitnehmer Rücksicht nehmen, § 110 Abs. 2 SGB VII.

Sach- und Vermögensschäden

Die gesetzliche Ausgangslage sieht folgendermaßen aus:

Der Arbeitnehmer haftet gegenüber seinem Arbeitgeber uneingeschränkt gem. § 280 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), wenn er seine Pflichten aus dem Arbeitsvertrag verletzt und dem Arbeitgeber dadurch einen Schaden verursacht. Der Arbeitnehmer haftet gegenüber außen stehenden Dritten gem. § 823 BGB, wenn er deren absolut geschützte Rechte (Eigentum, Gesundheit etc.) vorsätzlich oder fahrlässig und widerrechtlich verletzt - der Arbeitnehmer würde dabei selbst für leichteste Fahrlässigkeit haften.

Diese äußerst rigide gesetzliche Haftungsregelung wurde allgemein und mit Recht als zu starr und streng empfunden. Daher entwickelte die höchstrichterliche Rechtsprechung bereits sehr früh als Haftungserleichterung für Arbeitnehmer ein dreistufiges Haftungsmodell. Dieses sieht (nach vielen Wandlungen in der Praxis) derzeit folgendermaßen aus:

Den Arbeitnehmer trifft

- keine Haftung bei leichtester Fahrlässigkeit,

- eine anteilige Haftung bei mittlerer Fahrlässigkeit,

- die volle Haftung bei grober Fahrlässigkeit und Vorsatz.

Leichteste Fahrlässigkeit liegt vor, wenn es sich um geringfügige und leicht entschuldbare Pflichtwidrigkeiten handelt, die jedem Arbeitnehmer unterlaufen können. Der Arbeitnehmer haftet nicht.

Mittlere Fahrlässigkeit ist nicht ausdrücklich definiert und lässt sich daher nur beschreiben als das Verhalten, welches "zwischen leichtester und grober Fahrlässigkeit" liegt. Es kommt zu einer anteiligen Haftung des Arbeitnehmers.

Wichtig: Die Höhe des individuellen Haftungsanteils des Arbeitnehmers ist letztlich unter Berücksichtigung aller Umstände des jeweiligen Einzelfalls zu bestimmen. Dies richtet sich insbesondere auch nach der Versicherbarkeit eines Schadensfalles durch den Arbeitgeber, nach der Höhe des Verdienstes des Arbeitnehmers, seinem Vorverhalten und seinen sozialen Verhältnissen. Eine "anteilige Haftung" ist daher nicht automatisch gleichzusetzen mit einer "hälftigen Teilung" des Schadens, sondern bedeutet für den Arbeitnehmer in der Praxis meist einen geringeren Haftungsanteil.

Grobe Fahrlässigkeit

Grobe Fahrlässigkeit ist dann anzunehmen, wenn eine besonders schwerwiegende und subjektiv unentschuldbare Pflichtverletzung vorliegt, wenn nämlich der Arbeitnehmer diejenige Sorgfalt außer Acht gelassen hat, die jedem anderen in der vergleichbaren Situation sofort eingeleuchtet hätte. Dies führt in der Regel zur vollen Haftung des Arbeitnehmers.

Auch in einem solchen Fall grober Fahrlässigkeit können gleichwohl immer noch Haftungserleichterungen in Betracht kommen, z.B. bei einem deutlichen Missverhältnis zwischen dem Verdienst des Arbeitnehmers und der Höhe des Schadens, wenn z.B. die wirtschaftliche Existenz des Arbeitnehmers bei voller Inanspruchnahme bedroht wäre.

Beispiel: Ein Arbeitnehmer hat einen Nettoverdienst von 2.500 Euro/Monat - der Schaden beläuft sich auf 150.000 Euro - der individuelle Schadensanteil betrug letztlich 20.000 Euro (BAG vom 23.01.1997 in NZA 1998, 140); ein Aushilfstaxifahrer mit 165 Euro/Monat musste "nur" einen Schadensanteil von 2.000 Euro tragen (LAG Köln 09.11.2005 in NZA-RR 2006, 311).

Vorsatz setzt Wissen und Wollen der schädigenden Handlung und das Inkaufnehmen des Schadens voraus. Nicht ausreichend ist also der vorsätzliche Verstoß gegen Weisungen des Vorgesetzten, solange nicht zusätzlich Vorsatz hinsichtlich des Schadens gegeben ist. Auch in einem solchen Fall sind immer noch gewisse Haftungserleichterungen möglich, z.B. bei deutlichem Missverhältnis zwischen Verdienst und Höhe des Schadens (siehe oben). Auch ein evtl. Mitverschulden des Arbeitgebers kann zu Haftungsbegrenzungen führen.

Begrenzung des Haftungsanteils des Arbeitnehmers

Eine grundsätzliche summenmäßige Begrenzung ist gesetzlich aber nicht vorgesehen. Dennoch: Es besteht die Tendenz verschiedener Instanzgerichte, den Haftungsanteil des Arbeitnehmers zu begrenzen, etwa bei mittlerer Fahrlässigkeit auf ein halbes bis ein volles Monatsgehalt (LAG Nürnberg LAGE § 611 Arbeitnehmerhaftung Nr. 14); bei grober Fahrlässigkeit erfolgt eine Beschränkung auf drei Monatsgehälter unter dem Gesichtpunkt der Existenzgefährdung (LAG Köln LAGE § 611 gefahrgeneigte Arbeit Nr. 10).

Abdeckung der Schäden durch Versicherungen

Die Versicherbarkeit des Schadens hat große Bedeutung für die Bestimmung des Haftungsumfangs. Ggf. bestehende Versicherungen (Betriebshaftpflicht, Feuerversicherung etc.) muss der Arbeitgeber zuerst in Anspruch nehmen, bevor er Regress vom Arbeitnehmer fordern kann.

Ferner muss sich der Arbeitgeber so behandeln lassen, als hätte er zumutbare und übliche Versicherungen abgeschlossen (z.B. Vollkaskoversicherung für Dienst-Pkw, Betriebshaftpflicht). Die Haftung des Arbeitnehmers ist bei Fahrzeugschäden daher auf die übliche Selbstbeteiligung reduziert (da Kfz-Versicherungen nur bei grober Fahrlässigkeit des Arbeitnehmers bei diesem Regress nehmen können, bleibt es daher in der Regel außerhalb von Fällen der groben Fahrlässigkeit bei dieser Selbstbeteiligung).

Schadensberechnung

Eigene Steuervorteile muss sich der Arbeitgeber anrechnen lassen; bei Vorsteuerabzugsberechtigung darf die Mehrwertsteuer bei der Schadensberechnung nicht mit berücksichtigt werden. Ein evtl. eigenes Mitverschulden des Arbeitgebers (zum Beispiel Erzeugung von Termindruck, Überforderung des Arbeitnehmers, nicht haltbare Zeitvorgaben bei Lkw-Fahrern) wird hierbei ebenfalls individuell berücksichtigt.

Haftung im Außenverhältnis

Schädigt der Arbeitnehmer schuldhaft einen außen stehenden Dritten bei der Erbringung seiner Arbeitsleistung, ist er diesem gegenüber grundsätzlich zum Schadensersatz verpflichtet.

Aber: Soweit der Arbeitnehmer im Innenverhältnis zum Arbeitgeber nicht haften würde, hat er seinerseits einen Anspruch gegen den Arbeitgeber auf entsprechende Freistellung im Außenverhältnis. Evtl. vom Arbeitgeber mit dem Dritten vereinbarte Haftungsbegrenzungen (z.B. in AGB) gelten dabei auch im Verhältnis zum Arbeitnehmer. (oe)

Der Autor Fenimore v. Bredow ist Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht und Mitglied der Deutschen Anwalts- und Steuerberatervereinigung für die mittelständische Wirtschaft e.V. (www.mittelstands-anwaelte.de)

Weitere Informationen und Kontakt:

Fenimore v. Bredow, Domernicht, v. Bredow, Wölke Rechtsanwälte, Tel.: 0221 28304-0, E-Mail: v.bredow@dvbw-legal.de, Internet: www.dvbw-legal.de und www.mittelstands-anwaelte.de