Einvernehmliche Auflösung

Das Wichtigste zum Aufhebungsvertrag

11.08.2011 von Renate Oettinger
Michael Henn und Christian Lentföhr erklären, was bei Aufhebungsverträgen zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu beachten ist.
Oft sieht man sich zweimal im Leben: Die einvernehmliche Auflösung des Arbeitsvertrages kann daher von Vorteil sein.
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Wie bei jedem Vertrag kann auch bei einem Arbeitsvertrag dessen Auflösung einvernehmlich jederzeit durch die Vertragspartner vereinbart werden. Kündigungsschutzvorschriften sowie auch Kündigungsfristen müssen grundsätzlich für eine wirksame einvernehmliche Vertragsaufhebung nicht beachtet werden.

Der Kerninhalt eines Aufhebungsvertrags ist die Erklärung des Arbeitnehmers und Arbeitgebers, dass sich die Parteien darüber einig sind, dass das Arbeitsverhältnis zu einem bestimmten Datum endet, oder auch dass das Arbeitsverhältnis auf eine Kündigung hin mit Ablauf eines bestimmten Datums endet. Die rückwirkende Aufhebung des Arbeitsverhältnisses kann nach Beginn des Arbeitsverhältnisses nicht wirksam vereinbart werden.

Gemäß § 623 BGB ist der Wirksamkeit von Auflösungsverträgen Schriftform vorausgesetzt. Nach § 126 II BGB hat die Auflösungsvereinbarung schriftlich auf derselben Urkunde zu erfolgen. Ohne Wahrung der Schriftform wäre eine Auflösungsvereinbarung nach § 125 BGB nichtig.

Eine Annahme des Aufhebungsangebots ist wie jede andere Willenserklärung nach §§ 119, 123 BGB anfechtbar. Insoweit gilt Folgendes:

Eine Anfechtung wegen widerrechtlicher Drohung mit einer außerordentlichen Kündigung sieht das BAG dann als nicht gerechtfertigt an, wenn ein verständiger Arbeitgeber nach sorgfältiger Prüfung der Lage eine außerordentliche Kündigung in Aussicht stellt bzw. dies wegen gegebenen wichtigen Grundes hierfür auch in Aussicht stellen kann und der Arbeitnehmer vorsorglich in die Auflösung des Arbeitsverhältnisses einwilligt, um dem Makel einer fristlosen Kündigung bzw. der Einleitung eines Strafverfahrens zu entgehen. Auch das Argument, der Arbeitnehmer habe unter Zeitdruck ohne ausreichende Bedenkzeit den Aufhebungsvertrag unterschrieben, reicht für eine wirksame Anfechtung nicht aus.

Ist ein Arbeitnehmer ein "Verbraucher"?

Nach der Schuldrechtsreform des BGB war zunächst umstritten, ob ein Arbeitnehmer als "Verbraucher" im Sinne des § 13 BGB gilt und entsprechend §§ 312, 355 BGB entsprechend der Bestimmungen für Haustürgeschäfte hinsichtlich am Arbeitsplatz geschlossener Aufhebungsverträge die Pflicht zur Einräumung eines zweiwöchigen Widerrufsrechts besteht. Mit Urteil vom 27.11.03 (2AZR 135/02) hat das BAG jedoch klargestellt, dass aufgrund arbeitsrechtlicher Besonderheiten kein Widerrufsrecht bei arbeitsrechtlichen Aufhebungsverträgen einzuräumen ist.

Wegen arglistiger Täuschung wäre die Anfechtung begründet, wenn z.B. der Arbeitgeber über die betriebsbedingte Notwendigkeit einer Kündigung den Arbeitnehmer täuscht und der Arbeitnehmer daraufhin mit einer Vertragsaufhebung gegen eine unverhältnismäßig niedrige Abfindung einverstanden ist.

Eine Anfechtung aufgrund Inhaltsirrtum sieht das BAG im Fall z.B. einer Schwangeren, die in Unkenntnis ihrer Schwangerschaft ihren Willen zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses erklärt, aus folgendem Grund als in der Regel nicht gerechtfertigt an: Ein Inhaltsirrtum wäre gegeben, wenn der äußere Erklärungstatbestand dem Willen des Erklärenden zwar entspricht, dieser aber über Bedeutung oder Tragweite seiner Erklärung irrt.

Das kann ausnahmsweise auch bei einem Irrtum über Rechtsfolgen der Erklärung der Fall sein, wenn diese selbst Inhalt der Willenserklärung geworden sind und dem Erklärenden über diesen Inhalt ein Irrtum unterläuft. Wenn die Arbeitnehmerin jedoch in Unkenntnis über ihre Schwangerschaft bei Abgabe ihrer Willenserklärung war, konnte ein Irrtum über die Rechtsfolge des Verlustes von Mutterschutzrechten bereits dem Grunde nach nicht gegeben sein.

Zu beachten sind die sozialversicherungsrechtlichen Folgen und Aufklärungspflicht. Die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers gebietet, dass dieser den Arbeitnehmer über die sozialversicherungsrechtlichen Folgen eines Aufhebungsvertrags aufzuklären hat, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zum Abschluss des Aufhebungsvertrags aus eigenen Interessen veranlasst oder dem Arbeitnehmer die Tragweite seiner Willenserklärung offensichtlich nicht klar ist.

Tipps für Kündigung und Trennung
Tipps für Kündigung und Trennung
Wenn Mitarbeiter entlassen werden müssen, sollte dies möglichst schmerzfrei erfolgen. Frank Adensam sagt, wie Sie dabei vorgehen sollten.
Sorgfältig vorbereiten
Das setzt eine sorgfältige Vorbereitung voraus. Diese gelingt Unternehmen am besten, wenn sie, sobald feststeht, dass Mitarbeiter entlassen werden müssen, ein Drehbuch für den Kündigungs- und Trennungsprozess schreiben.
Ruhig und sachlich bleiben
In der Regel sollte der unmittelbare Vorgesetzte die betroffenen Mitarbeiter über ihre Kündigung informieren - selbst wenn diese von der Personalabteilung versandt wird. Auf dieses Gespräch muss er sich vorbereiten. Unter anderem, indem er sich im Vorfeld fragt: Teile ich in dem Gespräch dem Mitarbeiter nur die Kündigung mit und setze ich mich mit ihm anschließend nochmals zusammen, um zu vereinbaren, wie die Trennung gestaltet wird?
Nicht um den heißen Brei reden
Oft wollen Führungskräfte das Kündigungsgespräch möglichst schnell hinter sich bringen. Die Folge: Sie stoßen den Mitarbeiter vor den Kopf, indem sie ihm unvermittelt die Nachricht "Sie sind entlassen" entgegenschleudern. Zuweilen scheuen sie sich aber auch, die unangenehme Botschaft auszusprechen und reden um den heißen Brei herum. Beides ist unangebracht.
Emotionen akzeptieren
Auf diese Nachricht reagieren Mitarbeiter unterschiedlich - manche geschockt, manche gelassen, manche wütend. Lassen Sie zu, dass Ihr Mitarbeiter Emotionen zeigt. Äußern Sie hierfür Verständnis. Und geben Sie ihm ausreichend Zeit, die Fassung wiederzugewinnen. Gelingt ihm dies nicht, sollten Sie das Regeln der Trennungsmodalitäten vertagen - zum Beispiel, indem Sie vorschlagen: "Herr/Frau Müller, sicher müssen Sie den Schock erst verdauen. Was halten Sie davon, wenn wir uns übermorgen nochmals zusammensetzen und darüber reden ..."
"Sie haben doch gesagt, ..."
Ein Vorwurf, mit dem Führungskräfte bei Kündigungen oft konfrontiert werden, ist: "Aber vor einem Monat planten Sie mit mir doch noch ..." Oder: "Bei der Weihnachtsfeier sagten Sie, unsere Arbeitsplätze seien sicher." Dann sollten Sie zu Ihren Worten und Taten stehen. Bedauern Sie Ihren Irrtum. Sagen Sie, dass Sie zum damaligen Zeitpunkt die Situation anders einschätzten, diese sich aber in der Zwischenzeit aufgrund der Faktoren A, B, C geändert hat.
"Warum gerade ich?"
Dessen ungeachtet werden die zu kündigenden Mitarbeiter stets fragen: Warum gerade ich? Geben Sie dem Mitarbeiter eine inhaltlich verständliche Erklärung. Auf keinen Fall sollten Sie sich aber auf eine Diskussion über die Auswahlkriterien einlassen. Denn wer die Gründe für die Kündigung diskutiert, diskutiert die Kündigung selbst.
Kündigung begründen, ohne zu kränken
Entlässt ein Unternehmen mit mehr als 20 Mitarbeitern betriebsbedingt eine größere Zahl von Mitarbeitern, dann muss deren Auswahl meist gemäß den gesetzlichen Vorgaben anhand von Kriterien wie Alter, Familienstand und Dauer der Betriebszugehörigkeit erfolgen. Auch dann ist das Begründen vergleichsweise einfach, denn die Auswahl basiert auf objektiven Kriterien. Deshalb kann der Mitarbeiter eine solche Auswahl leichter akzeptieren als eine personenbezogene.
Die Zeit bis zum Ausscheiden regeln
Ist die Kündigung ausgesprochen und begründet, geht es darum, die Zeit zwischen der Kündigung und dem Austritt aus dem Unternehmen zu regeln. Hierfür können Sie einen separaten Termin vereinbaren. Im Trennungsgespräch selbst sollten Sie Ihrem Mitarbeiter einen Weg aufzeigen, wie der Trennungsprozess gestaltet werden kann. Außerdem sollten Sie ihm Hilfe beim Suchen einer neuen Stelle anbieten.
Den Blick wieder in Richtung Zukunft wenden
Oft ist eine bezahlte Freistellung bis zum Ausscheidetermin für beide Parteien die sinnvollste Lösung. Für die Gekündigten hat dies den Vorteil: Sie können sich voll auf das Entwickeln einer neuen Perspektive konzentrieren.

Sozialversicherungsrechtliche Folgen

Zu den sozialversicherungsrechtlichen Folgen ist insbesondere zu beachten:

Der Anspruch auf Leistungen der Krankenversicherung nach Beendigung des Pflichtversicherungsverhältnisses besteht nur einen Monat gemäß § 19 II SGB V weiter, außer es tritt die Krankenversicherungspflicht nach § 5 I Nr. 2 SGB V für Arbeitslose ein. Gemäß § 5 I Nr.2 SGB V gehört auch derjenige zum krankenversicherungspflichtigen Personenkreis, der Arbeitslosengeld oder -hilfe bezieht oder dessen Anspruch hierauf nur aufgrund einer Sperrzeit nach § 144 SGB III ruht.

Zu beachten ist, dass bei einem Ruhen des Arbeitslosengeldanspruchs gemäß § 143a SGB III im Fall eines Abfindungserhalts bei vor Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist beendetem Arbeitsverhältnis kein über § 19 II SGB V hinausgehender Krankenversicherungsschutz nach § 5 I Nr. 2 SGB V besteht (vgl. hierzu VIII. B und E).

Der Arbeitgeber ist gemäß § 2 II 2 Nr. 3 SGB III verpflichtet, seine (Noch-)Arbeitnehmer vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses frühzeitig

Da gemäß § 37b SGB III unverzüglich nach Kenntnis des Beendigungszeitpunktes die Meldung beim Arbeitsamt Pflicht ist und nach § 140 SGB III bei Verletzung dieser Meldepflicht Kürzungen des Arbeitslosengelds die Folge sind, ist die Einhaltung der Hinweispflicht nach § 2 Abs. II Satz 2 Nr.3 SGB III für den Arbeitgeber zur Vermeidung etwaiger Schadensersatzansprüche des Arbeitnehmers besonders relevant.

§ 37b SGB III bestimmt, dass sich Personen, deren Arbeitsverhältnis endet, spätestens 3 Monate vor dessen Beendigung persönlich melden müssen, haben sie nur kürzer Kenntnis, hat die Meldung innerhalb von drei Tagen nach Kenntnis des Beendigungszeitpunktes zu erfolgen.

Risiko Sperrzeit

Der Arbeitnehmer riskiert mit dem Abschluss eines Aufhebungsvertrags die Verhängung einer Sperrzeit bzgl. des Anspruchs auf Arbeitslosengeld nach § 144 SGB III. Nach Rechtsprechung des Bundessozialgerichts wird unabhängig von der Vertragsformulierung hinsichtlich des Initiators der Vertragsauflösung - die allerdings für die Steuerbegünstigung nach § 3 Nr.9 EStG relevant sein kann - bei jeglichem Aufhebungsvertrag von einer vom Arbeitslosen zu verantwortenden Lösung des Arbeitsverhältnisses ausgegangen, die eine Sperrzeit begründet.

Nicht als selbst auflösende Willenserklärung würde z.B. das Unterlassen der Erhebung einer Kündigungsschutzklage gewertet. Hatte der Arbeitnehmer einen wichtigen Grund für seine Vertragsauflösung, tritt keine Sperrzeit ein. Zu den Konsequenzen einer Abfindungszahlung im Hinblick auf die Arbeitslosenversicherung sei auf den bereits erwähnten § 143a SGB III und die Ausführungen hierzu im Skript unter Ziffer VIII.E verwiesen.

Die früher geltende Steuerfreiheit für Abfindungen seit seit dem 01.01,2006 entfallen. Echte Abfindungen, d.h. solche in die kein bereits geschuldetes Arbeitsentgelt eingerechnet wurde, bleiben aber sozialversicherungsfrei.

Weitere Informationen zum Thema und Kontakt:

Michael Henn, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Erbrecht, Fachanwalt für Arbeitsrecht und Präsident des VdAA, c/o Dr. Gaupp & Coll, Stuttgart, Tel.: 0711 305893-0, E-Mail: stuttgart@drgaupp.de, Internet: www.drgaupp.de und www.vdaa.de

Christian Lentföhr, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht, Mitglied im VdAA, c/o W. Schuster und Partner GmbH, Schuster, Lentföhr & Zeh, Tel.: 0211 658810, E-Mail: lentfoehr@wsp.de, Internet: www.esp.de

Alles zum Thema Abmahnung
Alles zum Thema Abmahnung
Abmahnungen haben eine große praktische Bedeutung im Arbeitsleben. Hier die Einzelheiten:
1. Begriff und praktische Bedeutung
Die Abmahnung stellt ein Mittel dar, den Vertragspartner auf die Verletzung vertraglicher Pflichten hinzuweisen. Dieser Hinweis arbeitsvertragswidrigen Fehlverhaltens erfolgt mit dem Ziel, in Zukunft weitere Vertragsverstöße zu vermeiden. Die Abmahnung ist in § 314 Abs. 2 BGB gesetzlich normiert.
2. Funktionen der Abmahnung
Folgende Funktionen erfüllt eine Abmahnung:<br /><br /> a) Rüge- und Dokumentationsfunktion:<br /> Der Arbeitgeber erfüllt die mit einer Abmahnung verbundene Rüge- und Dokumentationsfunktion nur dann, wenn er dem Arbeitnehmer seine arbeitsvertraglichen Pflichten hinreichend genau aufzeigt und darauf hinweist, welches genau bezeichnete Verhalten des Arbeitnehmers er als Pflichtverletzung wertet.<br /><br /> b) Warnfunktion:<br />Eine Abmahnung liegt vielmehr schon dann vor, wenn der Arbeitgeber in einer für den Arbeitnehmer hinreichend deutlich erkennbaren Art und Weise Leistungsmängel beanstandet und damit den Hinweis verbindet, dass im Wiederholungsfalle der Inhalt oder der Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährdet ist.
3. Keine "Strafe"
Durch das Erfordernis einer vergeblich gebliebenen Abmahnung vor dem Ausspruch einer verhaltensbedingten Kündigung soll letztlich der mögliche Einwand des Arbeitnehmers ausgeräumt werden, er habe die Pflichtwidrigkeit seines Verhaltens nicht gekannt oder jedenfalls nicht damit rechnen müssen, dass der Arbeitgeber dieses Verhalten als so schwerwiegend ansieht, dass er kündigungsrechtliche Konsequenzen ergreifen würde. Hat der Arbeitgeber durch eine entsprechende Klarstellung gegenüber seinem Arbeitnehmer die Möglichkeit solcher Einwände ausgeräumt, so liegt eine ausreichende Abmahnung vor.
4. "Erziehungsgedanke" der Abmahnung
Die Abmahnung dient als Mittel der möglichst ordnungsgemäßen und vollständigen Vertragserfüllung in der Zukunft. Sie soll bei Vertragsverstößen, die nicht so schwer wiegen, als dass aus ihrem einmaligen Vorkommen mit hinreichender Sicherheit eine nachteilige Einschätzung der zukünftigen Entwicklung gewonnen werden könnte, auf ordnungsgemäße Vertragserfüllung hinwirken. Erst wenn mit der Vertragserfüllung nicht mehr gerechnet werden kann, ist der Arbeitgeber berechtigt, das Arbeitsverhältnis zu kündigen.
5. Abmahnungsberechtigte
Zur Abmahnung berechtigt sind nicht nur kündigungsberechtigte Personen wie z. B. der Geschäftsführer einer GmbH oder der Vorstand einer AG, sondern alle Vorgesetzten, die nach ihrer Aufgabenstellung befugt sind, dem betroffenen Arbeitnehmer hinsichtlich des Ortes, der Zeit sowie der Art und Weise der vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung verbindliche Anweisungen zu erteilen.
6. Beteiligung des Betriebsrats
Der Betriebsrat muss vor einer Abmahnung weder angehört noch unterrichtet werden. Er darf daher weder verlangen, dass ihm eine Kopie der Abmahnung ausgehändigt wird, noch kann er von sich aus die Abmahnung in der Personalakte einsehen.
7. Erklärungsfrist für den Ausspruch einer Abmahnung
Für den Ausspruch einer Abmahnung besteht keine feste Ausschlussfrist. Das Recht zum Ausspruch einer Abmahnung kann aber nach längerem Zuwarten verwirken.
8. Wirkungsdauer einer Abmahnung
Eine wirksame Abmahnung kann allein aufgrund des Zeitablaufs unwirksam werden, wenn der betreffende Arbeitnehmer sich längere Zeit vertragskonform verhalten oder der Arbeitgeber weitere Pflichtverletzungen unbeanstandet hingenommen hat. Ob bei erneutem, identischem Fehlverhalten des Arbeitnehmers der Ausspruch einer verhaltensbedingten Kündigung gerechtfertigt ist oder aus Gründen der Verhältnismäßigkeit eine weitere Abmahnung erteilt werden muss, hängt von den Umständen des konkreten Einzelfalles, insbesondere von der Dauer des reibungslosen Verlaufs des Arbeitsverhältnisses, der Schwere des Verstoßes usw. ab.
9. Mehrere Abmahnungen
Die Warnfunktion einer Abmahnung kann erheblich dadurch abgeschwächt werden, dass der Arbeitgeber bei ständig neuen Pflichtverletzungen eines Arbeitnehmers stets nur mit einer Kündigung droht, ohne jemals arbeitsrechtliche Konsequenzen folgen zu lassen. Eine Abmahnung kann nur dann die Funktion erfüllen, den Arbeitnehmer zu warnen, dass ihm bei der nächsten gleichartigen Pflichtverletzung die Kündigung droht, wenn der Arbeitnehmer diese Drohung ernst nehmen muss. Dies kann je nach den Umständen nicht mehr der Fall sein, wenn die Kündigung jahrelang nur angedroht, letztlich aber nicht ausgesprochen wird.
10. Kündigungsverzicht
Entscheidet sich ein Arbeitgeber aufgrund eines Pflichtverstoßes eines Mitarbeiters zum Ausspruch einer Abmahnung, so ist er an diese gebunden. Diese Bindung des Arbeitgebers an die von ihm ausgesprochene Abmahnung bedeutet, dass er nicht mehr allein wegen des von ihm gerügten Verhaltens eine Kündigung aussprechen kann. Er hat vielmehr mit der Abmahnung auf sein Kündigungsrecht verzichtet. Nur die vergebliche Abmahnung kann für eine Kündigung herangezogen werden. Ohne einen weiteren Vertragsverstoß nach erfolgter Abmahnung kann daher nicht verhaltensbedingt gekündigt werden.
11. Kündigungsmöglichkeit
Es gibt zwar keine feste Regel, nach der vor einer Kündigung notwendigerweise mehrere Abmahnungen erteilt werden müssten. Es kommt insoweit vielmehr im konkreten Einzelfall auf das Gewicht der Pflichtverletzung und den darin liegenden Unrechtsgehalt an, ob eine weitere Abmahnung ausgesprochen werden sollte. Der Arbeitgeber muss daher eine Interessenabwägung vornehmen. Bei leichteren Pflichtverstößen oder Nebenpflichtverletzungen ist grundsätzlich eine mehrfache Abmahnung angebracht. Dies folgt daraus, dass das gesamte Arbeitsrecht und insbesondere das Kündigungsrecht vom sogenannten Ultima-ratio-Grundsatz beherrscht wird.