Cloud Computing und App Store im Auto

Das vernetzte Auto der Zukunft

24.04.2011 von Michael Unruh
Schneller ans Ziel, weniger Staus, erste Hilfe im Notfall - mit Hilfe der Telematik werden vernetzte Autos künftig ein Teil der Cloud.
Intelligent untereinander vernetzt, sollen Autos künftig Staus automatisch umfahren beziehungsweise bereits im Vorfeld zur Stauvermeidung beitragen.
Foto: Fotolia, Kara

Der Trend ist eindeutig: für immer mehr junge Menschen tritt der Wunsch nach einem eigenen Auto in den Hintergrund. In einer Zeit, in der jeder mit jedem zum Teil über mehrere soziale Netzwerke miteinander in Kontakt steht, ist die physische Mobilität nicht mehr so wichtig. Die Internet-Generation fühlt sich zu den "i-Produkten" der TK-Industrie zunehmend mehr hingezogen als zu den neuen Modellen der Automobilindustrie. Diese indes buhlt um die junge Kundschaft, sei es mit neuen Mobilitätskonzepten vom Car-Sharing bis zum Elektroroller, die kein eigenes Auto notwendig machen; oder mit neuen Internet- und Telematikdiensten in den Fahrzeugen, um ein eigenes Auto attraktiver zu machen. Beide Strategien erfordern einen erheblichen Invest in eine IT-Infrastruktur sowohl im Fahrzeug als auch außerhalb.

Das treibt die Entwicklung

Aber nicht nur das geänderte Käuferverhalten der jungen Generation bewegt die Automobilindustrie, neue Produkte und Konzepte zu schaffen. Es ist auch das steigende Sicherheits- und Komfortbedürfnis der Autofahrer, das die Hersteller durch intelligente Fahrerassistenzsysteme zu befriedigen suchen. Und die EU ruft schon seit langem nach einem europaweiten Standard für ein automatisches Notrufsystem (eCall). Hierbei soll bei einem Unfall über den aufgehenden Airbag, einen Crash-Sensor oder manuell ein Notruf abgesetzt werden. Dieser sendet über GSM beziehungsweise SMS die aktuelle Position sowie sonstige Fahrzeugdaten an eine Zentrale. Die Notrufzentrale kann über die gesendete Telefonnummer einen Rückruf herstellen und über die Positionsdaten den genauen Unfallort bestimmen. Dies ermöglicht bessere und schnellere Reaktionen bespielsweise der Rettungskräfte und der Polizei.

Daneben hat Industrie selbst ein wachsendes Interesse an Telematiklösungen, weil sie als Basistechnologie dazu verwendet werden kann, Informationen über die Fahrzeuge im Einsatz zu sammeln, um damit ihre Produkte stetig zu verbessern und weiterzuentwickeln. Im Übrigen können personalisierte Telematikdienste den Autoherstellern auch helfen, den Kontakt zu Zweit-, Dritt- oder späteren Besitzern zu halten und dadurch die Kundenbindung zu verbessern.

Weitere Treiber sind die Bestrebungen der Verkehrsflussoptimierung, etwa die Unterstützung bei der Stauumfahrung oder der Suche nach einem freien Parkplatz. Entsprechende Lösungen setzen immer eine Kommunikation mit dem Fahrzeug voraus. Ebenso benötigt die Entwicklung der Elektrofahrzeuge Telematikdienste im Fahrzeug, um etwa freie und erreichbare Ladestellen zu finden und zu reservieren.

Es gibt also genügend Gründe, warum Telematiklösungen in der Automobilindustrie weiterentwickelt werden. Welche Basistechnologien werden hierfür benötigt? Welche technologischen Trends ermöglichen die Vielzahl an benötigten Lösungen erst?

Ford Mondeo
Das obere Management fährt ihn gar nicht, das mittlere Management nimmt ihn auch eher selten. Selbst für die Service Ingenieure ist ein Ford Mondeo nur in 8,5 Prozent der Fälle eine gute Alternative. Das ergab der aktuelle Gehaltsvergleich der Unternehmensberatung Interconsult, die 11.500 Positionen in 104 Hightech-Firmen auswertete.
VW Passat Kombi
Während Kombis im oberen Management verpönt sind, sind sie bei Service-Ingenieuren und Kundendienstleitern am häufigsten im Einsatz. Mehr als jeder Vierte von ihnen fährt einen VW Passat oder Golf-Kombi.
Mercedes S-Klasse
Big ist beautiful, but expensive, Teil 1: Bei einem Listenpreis ab 73.720 Euro fahren nur 2,9 Prozent aller Geschäftsführer die größte Mercedes-Limousine.
Audi A8
Big ist beautiful, but expensive, Teil 2: Bei einem Netto-Listenpreis ab 75.042 Euro fahren nur 3,1 Prozent aller Geschäftsführer die größte Audi-Limousine.
3er BMW
Ob Regionalverkaufsleiter oder Vertriebsingenieur, alle schwören auf einen 3er BMW. Während unter diesen Berufsgruppen das 3er-Modell der beliebteste Firmenwagen ist, fahren ihn nur fünf Prozent der Geschäftsführer.
Mercedes C-Klasse
Die deutschen Autohersteller haben die Nase vorn, was das Geschäft mit Firmenwägen betrifft. Auf Platz vier des Rankings findet sich die C-Klasse von Mercedes, die fast neun Prozent der Geschäftsführer fahren. Auch bei Gesamt- und Regionalverkaufsleitern sowie Vertriebsbeauftragten findet sich dieser Mercedes unter den fünf beliebtesten Dienstwägen.
Audi A6
Der Audi A6 ist nicht nur bei Geschäftsführern (12,1 Prozent) und Vertriebschefs (15,4 Prozent) beliebt, sondern auch bei Regionalverkaufsleitern, die nach dem 3er BMW vor allem den zweitgrößten Audi fahren.
Mercedes E-Klasse
Auf Platz zwei des Rankings schaffte es die E-Klasse vom Mercedes, die 28,1 Prozent aller Geschäftsführer und 19,1 Prozent aller Gesamtverkaufsleiter fahren. War früher die E-Klasse nur den Bossen vorbehalten, fahren auch mittlerweile einige Regionalverkaufsleiter und Vertrieblern ohne Leitungsfunktion die E-Klasse.
5er BMW
Auch für die Hightechindustrie gilt: Je größer der Wagen, desto höher die Stellung. Mit einem 5er BMW fahren die Geschäftsführer und Vertriebsbosse der IT- und Elektronikhersteller am liebsten vor. Jeder Dritte von ihnen bevorzugt dieses BMW-Modell.

Verbessertes Human-Machine-Interface (HMI)

Notrufsäulen könnten bald ein Relikt der Vergangenheit sein. Beim von der EU vorgeschlagenen eCall-System ruft das Auto nach einem Unfall automatisch die Rettungskräfte.
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Eines der Themen, das die Automobilhersteller und ihre Zulieferer im Zusammenhang mit Telematikdiensten im Fahrzeug am meisten beschäftigt, ist die Frage der ablenkungsfreien beziehungsweise -armen Bedienung entsprechender Anwendungen. Nachdem dem Fahrer die Benutzung von Mobiltelefonen im Allgemeinen untersagt ist, muss man sich fragen, wie lange die manuelle Bedienung eines Navigationsgerätes noch erlaubt sein wird. Alle Beteiligten sind sich einig, dass sich ein HMI an der Fahrsicherheit orientieren muss - aber auch an der Ergonomie. Gerade nach der massenhaften Verbreitung der Smartphones erwarten die Benutzer ein intuitives HMI. Gefragt sind hier Schnittstellen zur Erkennung von Gestik und der natürlichen Sprache. Ebenso dürften Touchscreen-Displays als Ein- und Ausgabelösung eine breite Akzeptanz erfahren. Wichtig ist dabei nicht, dem Benutzer die neuesten Technologien anzubieten, sondern je nach Funktionalität das geeignetste HMI. So haben Studien gezeigt, dass Fahrer bei der Bedienung von Entertainment- und Telematikinhalten besonders positiv auf ein HMI mit Display reagieren. Für sicherheitsrelevante Funktionen werden dagegen von der Mehrzahl der Fahrer Haptik und Sprache bevorzugt.

Integration von Smartphones

Studien zeigen, dass rund 40 Prozent der Smartphone- Nutzer ihre Geräte im Fahrzeug auch zur Navigation einsetzen. Als Fahrer ist es allerdings nicht erlaubt, ein entsprechendes Smartphone während der Fahrt zu benutzen. Hierauf reagieren aktuelle Lösungen mit einem sogenannten "Terminal-Mode": das Display des Smartphones wird auf das Display des Fahrzeugs überträgt. Zusammen mit einer benutzerfreundlichen Bedienkomponente im Fahrzeug wäre auf diese Weise eine schnelle Integration möglich, und man könnte jede App auf dem Smartphone über Bedienelemente im Fahrzeug benutzen, angefangen beim MP3-Player über Navigationsdienste bis hin zum sozialen Netzwerk. Offen ist, ob Automobilhersteller diese Lösung uneingeschränkt annehmen, untergräbt sie doch zugleich ihre Bemühungen, eigene Navigations- oder Infotainment-Lösungen zu verkaufen. In eingeschränkter Form findet man bereits solche Lösungen auf dem Markt. Das Mini Connected Konzept beispielsweise erlaubt bestimmten Smartphone Apps den Zugang zum Fahrzeug. Ähnliches hat Ford mit seiner Sync-Lösung, die für 2011 angekündigt ist.

Öffnung der Diensteentwicklung (App Stores)

Aktuell ist es noch der Fahrzeughersteller, der die Anwendungen entwickelt, die im Fahrzeug laufen können. Doch seit Apple den App Store erfunden hat und allen wirkungsvoll gezeigt hat, dass die Dynamik eines solchen Marktplatzes für Apps den schnellen Durchbruch und die Akzeptanz neuer Produkte ermöglichen kann, wird dieses Konzept auch in der Automobilindustrie diskutiert. Erste Prototypen, entwickelt von Telematik Service Providern, gibt es bereits. Beim Aufbau und Betrieb entsprechender App Stores für die Fahrzeughersteller wird sicher auch die TK-Industrie mitreden. Schließlich betreibt sie bereits App Stores und kann so einen entscheidenden Mehrwert liefern. Es ist also nicht unwahrscheinlich, dass sich die Entwicklergemeinde für Apps im Fahrzeug bald über die ganze Welt verteilt. Abzuwarten bleibt, ob die Fahrzeughersteller auch eine Schnittstelle offenlegen werden, damit Apps auf fahrzeugspezifische Daten zugreifen können (etwa die GPS-Koordinaten des Fahrzeugs).

Doch bevor das alles Wirklichkeit werden kann, haben die Autohersteller noch ein paar Hausaufgaben zu erledigen. Eine offene App-Entwicklung setzt eine offene Plattform im Fahrzeug voraus, und diese muss erst noch geschaffen werden. Es gibt zwar verschiedene Initiativen einzelner Fahrzeughersteller, Zulieferer und Konsortien (etwa. http://www.genivi.org/), doch ein neuer Standard scheint noch weit entfernt. Es bleibt abzuwarten, ob es hier nicht bald einen Industriestandard geben wird, der durch einen Innovationstreiber gesetzt wird.

Personalisierung der Dienste im Fahrzeug

Jeder Benutzer hat eigene Vorlieben für bestimmte Dienste. So wie man sich auf sein Mobiltelefon genau die Apps lädt, die man benötigt, möchte man dies auch im Fahrzeug tun. Dabei hat die Personalisierung sicher dort ihre Grenzen, wo die Corporate Identity des Herstellers betroffen ist. Jeder Hersteller wird die Benutzeroberfläche mit einem markenspezifischen Image versehen, das nicht verändert werden kann - also ähnlich dem Branding von Smartphones durch Mobilfunk-Provider. Die Auswahl der Apps und möglicherweise ihre Anordnung auf dem Display wird dann dem Benutzer überlassen. Denkbar sind auch verschiedene Benutzerprofile mit unterschiedlichen Konfigurationen, die entweder manuell oder durch eine automatische Fahrererkennung (etwa durch unterschiedliche Schlüssel) ausgewählt werden können.

Datenhaltung in der Cloud

Verkehrsströme werden zu Datenströme. Analysten und Consultants sehen bereits den App Store für das Auto kommen.
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Es ist eigentlich nicht einsehbar, warum ein Benutzer einen Podcast, den er sich auf seinen PC geladen hat, nicht im Auto weiterhören kann. Oder umgekehrt. Dies zu realisieren erfordert jedoch, die Daten entweder zwischen den einzelnen Geräten zu synchronisieren, oder sie zentral abzulegen, so dass man mit einem beliebigen Gerät zu jeder Zeit darauf zugreifen kann. Die zentrale Ablage könnte im Internet (in der Cloud) erfolgen. Man stelle sich vor, überall und zu jeder Zeit auf seine Musiksammlung, seine Fotos, Videos, aber auch seinen Kalender, sein Adressbuch oder anderen personalisierten Content zugreifen zu können. Eine solch allumfassende Connectivity wird durch Cloud Computing möglich. Diese Bewegung wird voraussichtlich nicht durch die Automobilindustrie allein angestoßen. Aber je mehr unterschiedliche Geräte ein Benutzer besitzt - und ein Auto wäre in diesem Sinn ein weiteres Device - ,um so größer wird sein Wunsch nach einer zentralen Ablage seiner persönlichen Daten.

Neues Ökosystem fehlt

Der Markt für Telematikanwendungen ist stark in Bewegung. Die großen Player aus der TK- und der Automobilbranche müssen eng zusammenarbeiten, um zukunftsweisende und auf dem Markt durchsetzbare Lösungen zu entwickeln. Daneben spielen viele kleinere, aber teilweise weltweit agierende Unternehmen als kreative Innovationstreiber ebenfalls eine Rolle. Alle Beteiligten erhoffen sich ein Stück vom Kuchen, wenn dieses neue Ökosystem entsteht, in dem plötzlich nicht mehr nur ein Autokäufer einem Automobilhersteller oder. einem seiner Händler gegenübersteht, sondern in dem auch ein Mobilfunkdienstanbieter, ein Smartphone-Hersteller, ein Telematik Service Provider, ein Navigationsdienstanbieter, ein Call Center, ein AppStore Provider, usw. Geld verdienen möchten. (hi)