Multi-Cloud-Umgebungen werden Realität

Das Rennen um den Cloud-Markt ist noch nicht entschieden

25.09.2018 von Wolfgang Herrmann
Die Kombination aus internen IT-Systemen und Cloud-Services unterschiedlicher Anbieter gerät für Unternehmen schnell zu einem komplexen Unterfangen. Um die Fähigkeit zur Cloud-Orchestrierung zu entwickeln, müssen sie personelle und technische Voraussetzungen schaffen.

"Eine leistungsstarke, ausfallsichere und agile IT wird zur Grundvoraussetzung, um in der Digital Economy mitspielen zu können", sagt Carlo Velten, Chef des Marktforschungs- und Beratungshauses Crisp Research. Schon jetzt setzten viele Unternehmen für ihre digitalen Workloads und vermehrt auch für den Betrieb von Enterprise Applications auf die Cloud.

AWS und Microsoft dominieren den Public-Cloud-Markt. Doch im Zeitalter der Multi-Cloud haben auch andere Anbieter noch Chancen, allen voran Google, IBM, Oracle und regionale Player wie ProftBricks.
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Mit dem Zusammenspiel von Public- und Private Cloud-Architekturen sieht er die Nutzer aber auch "auf einer Reise in ein umfangreiches und mitunter auch komplexes IT-Paradigma." Der parallele und vernetzte Betrieb verschiedener Infrastruktur-Komponenten erfordere umfangreiche personelle und technische Ressourcen. "Cloud-Orchestrierung" gehöre deshalb zu den wichtigsten Fähigkeiten, die Unternehmen oder Managed Service Provider heute entwickeln müssten.

Sowohl das Design als auch das Zusammenspiel von IT- und Cloud-Architektur sowie die Verteilung der Workloads auf die passende Infrastruktur gestalte sich mit zunehmender Menge immer schwieriger, beobachtet der Analyst. Hinzu komme, dass die Cloud-Architekturen täglich oder gar im Stundentakt neue Services auf ihre Plattformen nähmen.

Gemeinsam mit dem Cloud-Dienstleister PlusServer und der deutschen Intel-Tochter hat Crisp Research das Thema Cloud Orchestration unter die Lupe genommen. Im Juni und Juli 2018 wurden dazu 159 IT-, Digitalisierungs- und Business-Entscheider aus deutschen Unternehmen befragt. Fast zwei Drittel entwickeln demnach aktuell ihre Cloud-Strategien und planen die konkrete Ausgestaltung.

Die Private Cloud ist kein Auslaufmodell

Neben der Public Cloud spielt die Private Cloud in den Plänen der Entscheider weiterhin eine wichtige Rolle. "Als Betriebsgrundlage für bestehende Workloads, aber auch als Alternative für die Public Clouds gehören Private-Cloud-Umgebungen zur Digital-Infrastructure-Plattform", kommentieren die Studienautoren. Sie gehen davon aus, dass 2020 bereits 38 Prozent des gesamten Unternehmens-Traffics über Private Clouds laufen.

Dessen ungeachtet scheint das rasante Wachstum im Public-Cloud-Segment ungebrochen weiterzugehen. Nach Prognosen von Crisp Research werden 2018 rund 49,4 Milliarden Dollar für Infrastructure-as-a-Service und Platform-as-a-Service ausgegeben. Schon im Jahr 2020 könnten die Umsätze auf mehr als 80 Milliarden Dollar steigen.

Wie sich Cloud-Deployments in den Unternehmen verteilen

Geht es um den konkreten Cloud-Einsatz, bieten sich Unternehmen heute vielfältige Möglichkeiten. Zumindest in den Köpfen zahlreicher Entscheider stehe Cloud Computing oft noch als Synonym für die Public Cloud, berichten die Analysten. In der Praxis werde das Cloud-Paradigma aber schon deutlich breiter definiert. So bauten Unternehmen etwa eigene Cloud-Infrastrukturen in Form von Private Clouds aus, die aus technischer Sicht viel gemeinsam mit den Public Clouds hätten. Ferner würden immer mehr Cloud-Initiativen in Form von Hybrid und Multi-Clouds verfolgt, in denen verschiedene Cloud-Architekturen parallel und teilweise auch vernetzt genutzt werden.

Viele Entscheider geben dennoch an, derzeit mehrheitlich "Reinformen" der Cloud in Form einer Public (26 Prozent) oder Private Cloud (42 Prozent) zu nutzen (siehe Grafik). Diese Optionen bleiben mit 28 beziehungsweise 38 Prozent auch in Zukunft noch relevant. Andererseits aber geht die Entwicklung doch deutlich in Richtung hybrider und Multi-Cloud-Szenarien, die im Jahr 2020 rund 34 Prozent aller Cloud Deployments ausmachen sollen.

Viele Entscheider berichten, derzeit mehrheitlich “Reinformen” der Cloud in Form einer Public (26 Prozent) oder Private Cloud (42 Prozent) zu nutzen
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Entscheider setzen auf mehrere Cloud-Provider

Geht es um die Auswahl des Cloud-Anbieters, setzen immer mehr Entscheider offenbar auf zwei oder mehr Provider. Sogenannte Single Clouds, in denen nur ein einziger Cloud-Anbieter zum Zug kommt, bevorzugen der Studie zufolge schon heute nur noch 33 Prozent der Unternehmen. Dagegen entwickelten sich "Dual- und Multi-Cloud-Strategien" für 44 Prozent der Befragten zum Mittel der Wahl.

Bewegung im Public-Cloud-Markt

Bei der Frage, wer künftig die bevorzugten Cloud-Anbieter für deutsche Unternehmen sein werden, kommt Crisp Research zum Teil zu überraschenden Ergebnissen. Vor allem im Public-Cloud-Segment scheint es Bewegung zu geben. Laut der Studie beherrschen die Platzhirsche Amazon Web Services (AWS) und Microsoft mit Azure zwar nach wie vor den größten Teil des Markts. Doch insbesondere Google arbeite intensiv daran, diese Vormachtstellung zu brechen. Die Google Cloud Platform mit ihrem stetig wachsenden Angebot sehen die Auguren im Aufwind. Dank zahlreicher neuer Plattform-Services und der "Vorherrschaft im Bereich Container, Machine Learning und Co." hätten einige Entscheider Google auf ihre Shortlist genommen.

Auch die klassischen IT-Konzerne vom Schlage IBM, SAP und mit einigen Einschränkungen auch Oracle gewönnen an Bedeutung, da sie aufgrund bestehender Kundenkontakte und ihrem breiten Portfolio durchaus gute Argumente hätten. Auch für regionale Anbieter wie ProfitBricks sehen die Analysten durchaus noch Chancen. Sie könnten vor allem mit eigenen IaaS-Angeboten und hohen Datenschutzstandards punkten und dabei insbesondere für regionale Kunden eine ernsthafte Alternative zu den Cloud-"Hyperscalern" bieten.

Kubernetes wird zum Tool für das Cloud-Management

Ob Private-, Public-, Hybrid- oder Multi-Cloud: Unternehmen brauchen in jedem Fall ein einheitliches Management, fordert Crisp Research. Nur so ließen sich der IT-Betrieb insgesamt und die Administration der diversen Infrastruktur-Komponenten vereinfachen. Die Wahl einer geeigneten Management-Plattform und einschlägiger Tools kann in diesem Kontext erfolgskritisch sein. Die Analysten unterscheiden dabei grob zwischen Open-Source- und Lizenzsoftware.

Quelloffene Tools etwa könnten heute fast alle Infrastrukturen per API verwalten. Nachholbedarf im Vergleich zu kommerziellen Systemen gebe es in puncto Feature Set, Self Service und Support. Proprietäre Tools dagegen ließen sich häufig nicht nahtlos in bestehende Architekturen integrieren. Nicht zuletzt aus diesem Grund entscheiden sich derzeit 37 Prozent der Unternehmen für eine Open-Source-Variante, wenn es um das Thema Cloud Management geht.

Einen regelrechten Boom erlebt das Container-Management-System Kubernetes. Die "Containerisierung" von Anwendungen als alternative Virtualisierungsmethode werde immer populärer, erläutern die Auguren. Container abstrahieren einzelne Anwendungen und erstellen Pakete, die einen plattform- und betriebssystemunabhängigen Betrieb erleichtern. Die ursprünglich von Google entwickelte Open-Source-Lösung Kubernetes eigne sich besonders gut, um Container-Cluster und damit große Anwendungspakete in verteilten IT-Infrastrukturen zu betreiben. Laut der Studie sehen bereits 42 Prozent der Entscheider in Container-Plattformen wie Docker und Kubernetes eine strategische Technologie für den künftigen Betrieb der Unternehmens-IT.