iPad-Rivale mit schwerem Stand

Das Motorola Xoom im Praxistest

12.06.2011 von Manfred Bremmer
Mit seinem ersten Tablet versucht Motorola, dem Siegeszug von iPad und iPad 2 Einhalt zu gebieten. Gelingt das Unterfangen?

Mit einem Marktanteil von fast 90 Prozent ist der gegenwärtige Tablet-Boom vor allem dem iPad von Apple sowie dessen Nachfolger iPad 2 zuzuschreiben. Die Geräte der Wettbewerber, selbst das vergleichsweise früh gestartete Samsung Galaxy Tab 7, sind bestenfalls Randerscheinung. Noch zumindest. Denn wie bereits im Smartphone-Bereich geschehen, schläft auch im Tablet-Umfeld die Konkurrenz nicht und versucht, die Apple-Dominanz mit einer Breitseite an neuen Geräten zu überrollen. So hat nicht nur der Blackberry-Hersteller Research in Motion mit dem Playbook ein besonders auf das Business-Umfeld ausgelegtes Gerät entwickelt. Anfang des Jahres wurden auf der Consumer Electronics Show in Las Vegas auch über 50 Tablets mit Android-Betriebssystem gezeigt. Etliche von diesen werden zwar kaum über den Prototypen-Zustand hinausgehen. Es gibt jedoch auch eine Reihe von ernstzunehmenden Kandidaten, darunter das Motorola Xoom, das sowohl durch zeitgemäße Hardware (Dual-Core-CPU) wie auch Software (Android 3.0 - Honeycomb) hervorsticht. Die COMPUTERWOCHE hat das Gerät einer näheren Prüfung unterzogen.

Der erste Eindruck

Beim Design und Abmessungen muss sich das Motorola Xoom nicht vor dem Apple iPad verstecken.

Bereits beim Herausnehmen überrascht die Tester das stattliche Gewicht des Geräts. Kein Wunder - mit 730 Gramm und 12 Millimeter Dicke ist das Motorola Xoom nicht unbedingt schlank und rank geraten. Zwar entsprechen die Maße in etwa denen des Apple iPad - was Motorola bei der Entwicklung nicht wusste, ist jedoch, dass dessen Nachfolger iPad 2 deutlich leichter (613 Gramm) und mit acht Millimeter auch noch dünner ausgefällt. Auch bei dem Aluminium-Deckel, der auf der Vorderseite den Rahmen für das Display bildet, hat sich Motorola offenbar stark an dem ersten Apple-Tablet orientiert. Als Resultat weist das Xoom hier ähnlich scharfe Kanten auf wie das iPad. Der sanfte Übergang beim iPad 2 dokumentiert hingegen, dass es noch einen Ton eleganter geht - das Apple-Device war bei der Vorstellung des Xoom im Januar 2011 allerdings noch nicht einmal angekündigt. Besser gelöst ist bei dem Motorola-Gerät die Abdeckung der Antennen - hier verhindert eine gummiartige Beschichtung im oberen Bereich der Rückseite mögliche Funkstörungen.

Das iPad 2 wirkt dagegen optisch eine Generation voraus.

Apropos oben/unten: Anders als das iPad/iPad 2 ist das Xoom nicht für die Nutzung im Hochformat konzipiert. So gibt es zwar keine physischen Knöpfe auf der Vorderseite und die Ansicht wechselt dank Lagesensor natürlich (wenn auch mit starker Verzögerung) in die richtige Position. Erst im Querformat kann der Nutzer jedoch auf die verschiedenen Bedienelemente zugreifen, ohne sich nahezu die Finger zu brechen. So hat Motorola etwa den Ein/Ausschalter unüblicherweise auf der Rückseite platziert, gleich neben dem einen Lautsprecher und der Rückkamera. Diese ungünstige Position hat nicht nur zur Folge, dass die Kamera - zumindest anfänglich - etliche Tapper abbekommt. Sie erschwert außerdem die Nutzung im Liegen, da man das Gerät beim Wechsel in den Standby-Modus anheben muss, um an den Schalter zu kommen.

Nichts für Grobmotoriker: Die Lautstärkeregelung

Besser erreichbar sind die - wenn auch sehr klein geratenen - Knöpfe für die Lautstärkeregelung, sie liegen von vorne betrachte links oben am Rahmen.

Der Vollständigkeit halber: Als weitere Elemente befinden sich auf der Unterseite zudem ein Anschluss für eine externe Tastatur (Motorola-Zubehör), eine proprietäre Ladebuchse (eine einheitliche Regelung zum Aufladen via USB wie bei Handys gibt es nicht), sowie eine Micro-HDMI- (zur Übertragung von 1080p-Videos) und eine Micro-USB-Buchse. Den SIM-Karten-Slot sowie einen Einschub für eine externe Speicherkarte (MicroSD-Card) hat Motorola wiederum im oberen Teil des Rahmens untergebracht, der Kartenleser und die Möglichkeit, USB-Geräte wie einen Game-Controller anzuschließen (USB-Host), werden allerdings erst über ein anstehendes Software-Update (Android 3.1) aktiviert.

Hardwareausstattung vom Feinsten

Das 10,1-Zoll-Display des Motorola Xoom löst mit mit 1280 mal 800 Bildpunkten auf.
Foto: Motorola

Während das Xoom optisch eher auf dem Niveau des Ur-iPad rangiert, muss es sich technisch auch vor dessen Nachfolger nicht verstecken. So ist der Motorola-Flachmann mit einem "Tegra2"-Chipsatz von Nvidia mit Dual-Core-CPU, basierend auf ARMs Cortex-A9-Architektur (1 Ghz Taktung), ausgestattet und verfügt über 1 Gigabyte Arbeitsspeicher sowie 32 GB Speicherplatz. Die beiden Kameras lösen mit 5 beziehungsweise 2 Megapixel auf und sind den Module des Apple-Tablets (1,3/0,3 Megapixel) somit haushoch überlegen. Als weitere Features sind ein elektronischer Kompass, ein Gyrometer und ein Beschleunigungssensor zu erwähnen, in punkto Konnektivität unterstützt das Xoom Bluetooth 2.1, UMTS/HSPA und 802.11n-WLAN, wie beim iPad ist aber auch eine reine WLAN-Variante erhältlich.

Hervorzuheben ist zudem der Lithium-Ionen-Akku mit üppigen 24,5 Wh, der das Motorola Xoom selbst bei intensiverer Nutzung von WLAN oder Multimedia problemlos durch den Arbeitstag (und darüber hinaus) bringt -allerdings sind auch iPad und iPad 2 Experten auf diesem Gebiet. Formell bessere Karten im Vergleich zur Apple-Konkurrenz weist das Xoom dagegen beim Bildschirm auf. Hier setzt Motorola anstelle des 4:3-Formats von iPad und iPad 2 auf ein breiteres 16:10-Verhältnis. Der Screen ist mit 10,1 Zoll zudem etwas größer und mit 1280 mal 800 Bildpunkten auch hochauflösender (iPad/iPad 2: 9,7 Zoll; 1024 mal 768 Pixel). Der Nutzer profitiert dabei zweifellos von der besseren Darstellung von Dokumenten oder Websites - sofern ihm nicht die mobile Version angeboten wird. Anders als für iOS gibt es bislang auch nur wenige Android-Apps, die speziell an Tablets und deren größere Bildschirme angepasst (und nicht nur hochgerechnet) sind, geschweige denn eine spezielle Abteilung für diese - zugegeben ein Henne-Ei-Problem, dass sich über die Zeit sicher geben wird.

Gewöhnungsbedürftige Software

Verbesserungen könnte auch das Betriebssystem Android 3.0 (Codename Honeycomb) vertragen, mit dem das Motorola Xoom als eines von wenigen Tablets bereits (offiziell) ausgeliefert wird. Honeycomb bricht mit der gewohnten Benutzerführung von Android und stellt damit selbst für eingefleischte Android-Nutzer eine Herausforderung dar - zumindest anfänglich, denn das System entbehrt nicht einer klaren Logik: So befindet sich etwa auf der rechten unteren Seite eine Statusanzeige, die über Benachrichtigungen, eingegangene Mails, Uhrzeit, Netzverbindung oder Akku-Zustand Auskunft gibt. Einfaches Tippen auf das Feld öffnet eine größere Ansicht, nach einem erneuten Druck kann man bequem verschiedene Einstellungen vornehmen.

Links unten wiederum befindet sich der Home-Button, zusätzlich kann man über einen Pfeil zum zuletzt genutzten Fenster gehen oder sich alle offenen Anwendungen anzeigen lassen. Um die Verwirrung komplett zu machen, kann man im rechten oberen Fenster die Liste an installierten Apps aufrufen oder - über das Plus-Symbol - den Desktop konfigurieren. Auf diese Weise lassen sich Widgets, Apps oder Verknüpfungen auf die insgesamt fünf Homescreens ziehen - eine Funktion, die die Usability des Systems deutlich erhöht.

Groß und gut: die Bildschirmtastatur des Xoom.

Die virtuelle Tastatur des Xoom ist über die meiste Kritik erhaben, insbesondere im Querformat sind die Tasten selbst für große Finger geeignet, eine nennenswerte Verzögerung bei der Eingabe war nicht zu bemerken. Einziger Wermutstropfen ist, dass man bei der Auswahl der Schreibmethode eingeschränkt ist: Das Zehnfingersystem - sofern beherrscht - scheitert an der fehlenden Auflage für die Handballen. Wer es hingegen gewöhnt ist, das Tablet mit den Händen zu halten und mit den beiden Daumen zu bedienen wird, stößt auf andere Schwierigkeiten: Zumindest im Querformat erreicht er die innen liegenden Tasten nur mit Mühe, auch das Halten erschöpft sehr schnell.

Einen grundsätzlich positiven Eindruck macht auch der native und via Update Flash-fähige Browser. Er unterstützt die Nutzung mehrerer Tabs und anonymes Surfen, die Inhalte auf einer Website lassen sich zudem in gewohnter Manier hoch- und runterzoomen, Auch das Scrollen auf den Seiten geht schnell vonstatten - wenn auch mitunter zu schnell oder mit einem spürbaren Ruckeln. Hier könnte aber möglicherweise das für die nächsten Wochen angekündigte System-Update auf Android-Version 3.1 Abhilfe schaffen, das in den USA schon ausgeliefert wurde.

Fazit: Aller Anfang ist schwer

Bei seinem Marktstart in Deutschland hat das Motorola Xoom mit einem großen Handicap zu kämpfen: Es muss sich bei allen Kriterien mit dem Apple iPad 2 vergleichen lassen und idealerweise sogar überlegen sein. Dies gelingt jedoch nur teilweise, da Apple - ähnlich wie im Smartphone-Segment - seine Modellpflege ernst nimmt. Dank der hohen Stückzahlen und den zahlreichen Apple Shops und der Infrastruktur ist die Jobs-Company dabei zudem in der Lage, sehr wettbewerbsfähige Preise für sein Tablet aufzurufen, ohne die erhebliche Gewinnmarge zu gefährden. Im Gegensatz dazu schätzen Marktbeobachter, dass die Konkurrenz, Motorola eingeschlossen, ihre Tablets nur mit Mühe auf das Preisniveau des iPad 2 bringt.

CES-Tablets
Motorola Xoom
Das erste Motorola-Tablet läuft mit Android 3.0, besitzt ein 10,1 Zoll großes Display und verfügt über eine Dual-Core-CPU mit 1 GHz Taktfrequenz.
Blackberry Playbook
Das Blackberry Playbook mit Blackberry Tablet OS soll im ersten Quartal in den USA und im darauffolgenden Quartal dann weltweit auf den Markt kommen.
IdeaPad U1
Das Ideapad ist ein Notebook mit abnehmbaren Tablet-PC und läuft - je nach Modus mit Windows 7 oder Linux.
Samsung Sliding PC
Der Samsung Sliding PC ist ein Hybrid-Rechner auf Windows-7-Basis.
Acer Iconia Touchbook
Das Acer Iconia Touchbook besitzt zwei 14 Zoll große Touchscreens, aber keine physische Tastatur.
Cisco Cius
Das Cisco-Tablet mit Android-Betriebssystem kann sowohl im Office wie auch unterwegs eingesetzt werden.
Motion CL900
Das 10,1-Zoll-Tablet Motion CL900 ist mit einem Intel-Atom-Prozessor ausgestattet und läuft mit Windwos 7.
Asus EeePad Transformer
Der Asus Eee Transformer ist eigentlich ein Netbook, lässt sich aber dank des abnehmbaren Keyboards in ein Tablet verwandeln.
Asus EeeSlate EP121
Für Anwender, die Windows einsetzen (müssen), hat Asus den EeeSlate EP121 neu im Programm. Das Gerät hat ein 12,1 Zoll großes Multitouch-Display, lässt sich statt mit den Fingern aber auch mit einem Stift bedienen.
Dell Streak 7H
Das Dell Streak 7 ist der große Brunder des Streak 5 und funkt mit HSDPA+
Motorola Atrix 4G
Interessantes Konzept: Besonderheit des Motorola Atrix 4G ist eine optional erhältliche Docking-Station, bestehend aus einem klappbaren Display und Tastatur, die das Smartphone zu einem vollständigen Notebook-Ersatz machen soll.

Dennoch gibt es natürlich auch eine Reihe von Argumenten, die für das Xoom sprechen. Dazu gehören hardwareseitig etwa das größere und hochauflösendere Display oder die beiden Kameras. Auch bei den Schnittstellen hat das Motorola-Gerät mit HDMI, USB-Host und microSD die Nase vorn. Insgesamt macht das Tablet etwas den Eindruck, unfertig zu sein. Das Honeycomb-Update 3.1, das einige Kinderkrankheiten beheben soll, war zum Testzeitraum leider noch nicht verfügbar.