Smartphone mit Notebook-Ambitionen

Das Motorola Atrix im Praxistest

01.12.2011 von Moritz Jäger
Das Motorola Atrix soll in Verbindung mit entsprechendem Zubehör auch als Notebook oder Multimedia-Zentrale fungieren. Reicht die zugrundeliegende Smartphone-Hardware dafür aus?

Das Konzept des Motorola Atrix ist bestechend und zukunftsweisend zugleich: Mit Hilfe von Zubehör bildet das Android-Smartphone verschiedene Nutzungsszenarien ab und ersetzt somit gleich mehrere Geräte. Das Atrix fungiert dabei als portable Rechen- und Connectivity-Einheit, während über Zusatz-Hardware verschiedene Sonderfunktionen zur Verfügung gestellt werden. So gibt es beispielsweise ein Multimedia-Dock, mit dem sich das Smartphone in ein Media-Center verwandeln kann.

Interessant vor allem für Business-Nutzer ist die Verknüpfung mit dem sogenannten Lapdock. Es handelt sich dabei um eine Notebook-ähnliche Dockingstation mit 11,6-Zoll-Bildschirm und großer Volltastatur. Das Atrix läßt sich auf der Rückseite in das Lapdock einklinken und stellt dann seine Rechen-Power und andere Computerfunktionen via USB und HDMI-Anschluss zur Verfügung.

Auf der Softwareseite stellt Motorola den sogenannten Webtop zur Verfügung, eine abgespeckte Linux-Umgebung, auf der Firefox und ein Zugriff auf das Smartphone vorinsatalliert sind. Motorola hält das Webtop-System allerdings relativ geschlossen, da Nutzer primär Web-Anwendugnen im Browser ausführen sollen. Praktischerweise arbeitet der Konzern aber mit Citrix zusammen, so dass man vom Webtop aus auf Citrix-Anwendungen zugreifen kann.

Motorola Lapdock
Motorola ATRIX Lapdock
Einmal an das Lapdock angesteckt, lässt sich die Rechenleistung des Smartphones am Netbook-Ersatz nutzen.
Motorola ATRIX Lapdock
Hier erhält man die volle Kontrolle über eine QWERTZ-Tastatur und kann Android über selbige steuern.
Motorola ATRIX Lapdock
TecChannel im Lapdock-Browser
Motorola ATRIX Lapdock
Rechts oben lassen sich rudimentäre Einstellungen treffen.
Motorola ATRIX Lapdock
Das Lapdock bietet direkten Zugriff auf das Android-Smartphone und alle installierten Apps.
Motorola ATRIX Lapdock
Quickoffice im Vollbildmodus....
Motorola ATRIX Lapdock
...damit lässt es sich überraschend gut arbeiten.
Motorola ATRIX Lapdock
Die Multimedia-App.
Motorola ATRIX Lapdock
Die Ansicht der Musikdateien im Mediamanager.

Software: Das Lapdock in der Praxis

In der Praxis funktioniert die Motorola-Lösung gut. Steckt man das Smartphone an, dauert es ein bis zwei Minuten, bis das System gestartet ist. Vor allem mit dem Browser lässt es sich gut surfen, zumindest solange es bei Texten und einfachen Webseiten bleibt. Sobald man allerdings auf Seiten mit Flash-Videos oder HTML5 kommt, stößt das Gerät schnell an seine Grenzen. Vor allem im Vollbild sind Audio- und Videospur deutlich versetzt. Deutlich besser wird es allerdings, wenn man Erweiterungen wie AdBlock installiert und somit möglichst viel Rechenpower für die Videoberechnung abstellt. Auch sollte man in jedem Fall HTML5 statt Flash verwenden. Zudem ist Firefox offensichtlich nicht für das Display optimiert. Durch Menüleisten und Tab-Zeile verschenkt der Browser fast ein Drittel des kompletten zur Verfügung stehenden Bildschirms. Wahrscheinlich wäre ein Browser wie Chrome oder die Open-Source-Variante Chromium die bessere Wahl gewesen. Wer beispielsweise den Internet Explorer benötigt, muss auf Citrix zugreifen.

Wer nicht mit Web-Applikationen arbeiten will, der kann auch auf die installierten Android-Apps zugreifen. Diese lassen sich auf Wunsch auch im Vollbildmodus ausführen. So kann man auch mit Office-Anwendungen überraschend gut arbeiten. Motorola liefert die Vollversion von Quickoffice mit, diese kommt mit den aktuellen Versionen von Microsoft-Dokumenten und PDFs zurecht. Die Software kann Verknüpfungen zu häufig genutzten Web-Diensten direkt in der Startleiste anlegen.

Für die Wiedergabe von Multimedia-Daten hat Motorola einen kompletten Videoplayer, das Entertainment Center integriert. Dieses leistet im Test gute Arbeit, die Inhalte kann die Software aus angeschlossenen Datenspeichern oder Micro-SD-Karten auslesen.

Entfernt man das Atrix aus dem Lapdock, so übernimmt das Smartphone alle zuletzt geöffneten URLs. Damit hat lassen sich die vorher besuchten Seiten direkt auf dem Atrix aufrufen.

Hardware: Das treibt Atrix und Lapdock an

Die Hardware des Motorola Atrix kann sich durchaus sehen lassen: Im Inneren des Smartphones steckt eine Dual-Core-CPU die mit ein GHz getaktet ist. Dazu verfügt das Atrix über ein GByte an Arbeitsspeicher, deutlich mehr als die meisten anderen Smartphones. Auch die Komponenten für den Zugriff auf Netzwerke entsprechen dem aktuellen Standard. Aufs WLAN kann das Smartphone per 802.11 b/g/n zugreifen. Dabei unterstützt das Atrix sowohl Netze mit 2,4 GHz wie auch mit 5 GHz. Für den Zugriff aufs mobile Internet steht UMTS und HSDPA zur Verfügung. Im Download schafft das Smartphone bis zu 14,4 MByte/s, im Upload stehen bis zu 5,76 MByte/s zur Verfügung - allerdings abhängig vom Netzausbau.

Motorola stellt 16 GByte internen Speicher zur Verfügung. Dieser unterteilt sich in ein GByte für interne Anwendungen und das Android-OS sowie knapp 10 GByte für andere Daten. Den Rest belegen das Betriebssystem und die Anwendungen von Motorola. Sowohl das Atrix wie das Lapdock besitzen einen eigenen Akku. Das ist ein cleverer Schachzug, schließlich bedient sich das Lapdock mit der 11,5 Zoll großen Displaydiagonale nicht bei der Smartphone-Batterie. Das Display selbst glänzt stark. Dies sorgt zwar innen und bei Filmen für gute Bilder, sobald man aber das Licht im Rücken hat, sieht man deutliche Reflexionen. Leider gibt es keine entspiegelte Variante.

Die Tastatur nutzt den so genannten Chicklet-Style, das Tastendesign ähnelt dem des Macbooks von Apple. Damit kann man angenehm tippen, auch wenn sie beispielsweise nicht an Notebooks wie das Lenovo Thinkpad herankommen. Die Return-Taste ist allerdings deutlich kleiner als bei den meisten anderen Geräten.

Auf der Rückseite finden sich zwei USB-Anschlüsse. Daran lassen sich Eingabegeräte wie Mäuse und Tastaturen anschließen. Im Test standen beiden Eingabegeräte sofort zur Verfügung. Außerdem kann man hier Speicher-Geräte wie USB-Sticks einstöpseln. Im Test kam das Lapdock mit verschiedenen USB-Sticks gut zurecht, bei einer USB-3.0-Festplatte verweigerte es allerdings die Zusammenarbeit.

Fazit: Gutes Konzept mit kleinen Tücken

Motorola liefert mit dem Atrix und dem Lapdock ein solides Konzept ab. Viele alltägliche Aufgaben, etwa die Bearbeitung einer E-Mail oder Surfen im Web klappen so gut, dass man tatsächlich das Notebook in der Tasche lassen kann. Die Webtop-Umgebung startet schnell und dank dem separaten Akku wird die Batterie des Atrix nicht übermäßig belastet.

Die komplette Intelligenz steckt im Smartphone, das Lapdock selbst erlaubt keinerlei Konfiguration. Das bringt Vorteile, etwa sind keine Daten auf dem Lapdock gespeichert. Allerdings kann man es ohne Atrix auch nicht nutzen. Geht das Smartphone verloren oder ist es defekt, ist auch das Lapdock nutzlos. Allerdings ist man bei der Auswahl der Applikationen eingeschränkt, dafür lassen sich Android-Apps im Vollbildmodus gut nutzen.

Das Motorola Atrix 2 bringt nur wenig Neues.
Foto: Motorola

Allerdings muss man Abstriche bei der Rechenleistung hinnehmen. Das ist vor allem bei Flash-Videos nervig, im Test lief kaum eines ruckelfrei ab. Ob das ein reines CPU-Problem ist oder sich durch Update der Firmware eine aktuellere Android-Version beheben lässt, ließ sich nicht feststellen. In Europa liefert Motorola die Geräte mit Froyo (Android 2.2) aus, inzwischen steht aber auch das Upgrade auf Gingerbread (Android 2.3.4) bereit. Ob auch ein Update auf die nächste Android-Version 4.0 (Ice Cream Sandwich) kommt, ist fraglich - zumal Motorola inzwischen in den USA das Nachfolgermodell Atrix 2 vorgestellt hat.

Ein weiterer Kritikpunkt ist der relativ hohe Preis. Die Kombination der beiden Geräte ist alles andere als billig. Im Internet ist die Kombination aus Atrix und Lapdock für etwa 800 Euro ohne Vertrag erhältlich. Vodafone bietet das Atrix als einziger Mobilfunkprovider direkt an, Business-Kunden erhalten sogar ein Paket mit Google Apps. Dem Lapdock muss man aber zugutehalten, dass die Auflösung mit 1366 x 768 deutlich höher ist als beim Durchschnitts-Netbook. Dafür erhält man aber auch eine Lösung, die sich deutlich wertiger anfühlt als die meisten echten Netbooks.

Wer also in seiner täglichen Arbeit vor allem Präsentationen hält, E-Mails schreibt oder Dokumente bearbeitet, dem kann das Lapdock ein Netbook durchaus ersetzen. Wer dagegen spezielle Applikationen benötigt oder mit aufwändigen Webseiten arbeitet, der stößt beim Lapdock und dem Atrix schnell an die Grenze. (mb)

Dieser Artikel basiert auf einem Beitrag der CW-Schwesterpublikation "Tecchannel.de".