Studie

Das können Cloud-Anbieter von Autoverkäufern lernen

22.10.2014 von Georg Rainer Hofmann
Nicht erst seit der Ausspähaffäre müssen Cloud-Anbieter viel Überzeugungsarbeit leisten. Statt das Rad neu zu erfinden, lohnt sich ein Blick auf die Kfz-Branche.
Bevor ein technisches Produkt letztendlich auf den Markt kommt, hat es noch einige gesetzliche Richtlinien zu durchlaufen. Doch für eine sichere Cloud gibt es solche Vorgaben momentan noch nicht.
Foto: 3dreams, Shutterstock.com

Die Vorteile der Cloud-Computing-Technologie liegen eigentlich klar auf der Hand, aber oft sind die Bedenken potenzieller Nutzer zu groß, sich in einem unsicheren Rechtsraum zu bewegen und etwa die Kontrolle über die unternehmenseigenen Daten zu verlieren. Es mangelt an Vertrauen sowie Akzeptanz und verunsicherte Kunden werden ein Produkt trotz in Aussicht gestellter technischer oder finanzieller Vorteile meiden. Dies wird natürlich noch erschwert, wenn schon im Vorfeld negative und warnende Informationen in den Medien und der öffentlichen Wahrnehmung kursieren - wie dies im Fall des Cloud Computing teilweise geschehen ist.

Um Vertrauen zu gewinnen, konzentrieren sich viele Cloud-Anbieter darauf, durch die ausführliche Beschreibung technischer Features die Akzeptanz zu erhöhen. Im Wesentlichen argumentieren sie mit drei Vorzügen ihrer Services: Flexibilität, Nachhaltigkeit und Kostenersparnis. Doch ist das der richtige Weg für die Kommunikation mit dem Kunden?

Vier Typen von Cloud-Workern
Vier Typen von Cloud-Workern
IBM gilt als Vorreiter: Im Rahmen des Programms "Liquid" fallen die Grenzen zwischen eigenen und angeheuerten Spezialisten. Auch anderswo haben "Cloud-Arbeiter" Konjunktur.
Cloud-Nomade
Die extremste Form des Arbeitens in der Cloud praktiziert der umtriebige "Cloud-Nomade". Er hat keine ausgeprägten Kernkompetenzen, ist vollkommen flexibel und in vielfältiger Form einsetzbar. Seine Arbeitsleistung bietet er fast wie ein mittelalterlicher Tagelöhner an und muss letztlich "nehmen, was kommt". Beispiele für diese Variante findet man bei einfachen Programmiertätigkeiten oder einzelfallspezifischen Rechercheaufgaben.
Cloud-Unternehmer
Eine stärkere Position hat dagegen der "Cloud-Unternehmer". Er verfügt über ganz spezifische Kernkompetenzen, für die er - Nachfrage einmal vorausgesetzt - auch einen guten, im Fall von gefragtem Spezialwissen sogar sehr guten Preis erzielen kann. Wegen der Transparenz in der Wolke agiert er als Unternehmer in eigener Sache, der zwar für Abnehmer "gläsern" ist, aber trotzdem gesucht wird. Typischerweise arbeiten Cloud-Unternehmer an komplexeren Computerprogrammen, erfüllen Unteraufträge bei umfangreicheren Tätigkeiten und leisten auftragsgetriebene Entwicklungsarbeit.
Cloud-Ameise
Während die bisher genannten Arbeitsweisen von Einzelkämpfern praktiziert werden, gibt es beim Arbeiten in der Wolke auch Verbundlösungen. Unter den niedrig qualifizierten Akteuren findet sich die emsige "Cloud-Ameise". Sie ist Teil eines großen Ganzen, zu dem sie etwas beisteuert. Die Cloud-Ameise weiß weder, wer die anderen Ameisen sind, noch was diese machen. Sie ist aber Teil des Kollektivs und vergibt zum Beispiel Tags zu Artikeln oder sucht Adressen und Personen im Internet.
Cloud-Kader
Schließlich gibt es die Zugehörigkeit zum "Cloud-Kader". Auch diese Akteure arbeiten in der Gruppe. Allerdings haben sie zwei Vorteile. Zum einen zeichnen sie sich durch hohe Qualifikationen aus. Zum anderen gehören sie zum definierten Lieferantenkreis renommierter Unternehmen, sind also "im Kader". Aufgaben, die hier anfallen, betreffen umfangreiche Updates von Computerprogrammen, laufende Aktualisierungen von Social-Media-Auftritten, Betreuung von klar definierten Kundengruppen sowie generell den User-Support.

Akzeptanz des Produktes trotz mangelnden technischen Verständnisses

Nehmen wir der Deutschen "liebstes Kind": das Auto. Innerhalb des letzten Jahrhunderts ist das Automobil zu einem in hohen Stückzahlen produzierten Massengut geworden und kann sich einer fast uneingeschränkten Beliebtheit erfreuen. In der täglichen Nutzung wird jedoch vollkommen vergessen, welche komplexen Systeme mittlerweile unter der Karosserie verborgen sind.

Die technischen Details durchschaut der Käufer kaum - sie werden ihm aber auch nicht ausführlich erläutert. Erreicht der Verkäufer das Ziel, den Kunden für ein bestimmtes Auto zu "begeistern", sind technische Details, und auch der Preis, eher eine Nebensache. Im Verkaufsgespräch spielen die Reputation der Marke, Design und Komfortausstattung die wichtigere Rolle. Gewerbliche Kunden indes richten ihr Augenmerk verstärkt auf einen adäquaten Service wie Mobilitätsgarantie, Hol- und Bring-Service oder das Abwickeln von Finanzierungs- und Leasingverträgen.

Georg Rainer Hofmann: "Damit der Kunde einen ersten Überblick über die Funktionalitäten des Cloud Services erhält und sich selbst einen Eindruck vom Funktionieren und von den Vorteilen verschaffen kann, ist die Einführung einer kostenlosen Nutzungsphase empfehlenswert."
Foto: Georg Rainer Hofmann

Auf die Funktion und Wirksamkeit der Sicherheitsgurte, von ESP und Turbolader hingegen verlässt sich der Käufer einfach - ohne weitere Einfluss-, Kontroll- oder Modifikationsmöglichkeiten zu haben. Er muss die komplizierten Abläufe im Fahrzeug nicht verstehen, sondern es lediglich bedienen können. Er akzeptiert juristische Rahmenbedingungen, wie etwa das Vorliegen einer Allgemeinen Betriebserlaubnis, und weiß, wenn er Verkehrsregeln nicht einhält, wird er bestraft. Hinzu kommt das potenzielle Risiko, dass es bei jeder Fahrt durch eigenes oder fremdes Verschulden zu einem Unfall kommen kann. Doch verzichtet irgendjemand deshalb auf die Nutzung eines Autos?

Wie lässt sich diese "eigenartige Akzeptanz" auf das Cloud Computing übertragen? Eine Studie des Information Management Instituts (IMI) der Hochschule Aschaffenburg in Kooperation mit dem Verband EuroCloud Deutschland_eco e. V. analysierte ausführlich die Vertrauensfaktoren und entwickelte Handlungsempfehlungen für Cloud-Anbieter. Auf die vertrauensbildenden Maßnahmen im Automobilsegment wurde dabei besonders hohes Augenmerk gelegt.

Begeisterung für das Produkt

Nicht nur für den Automobilbereich, sondern im Grunde für alle auf dem Markt neu eingeführten Produkte und Dienstleistungen, gilt: Wichtig ist, dass sich der Kunde beim Kauf wohlfühlt. Mit Begeisterung für das Produkt lässt sich der Erfolg des Verkaufsprozesses deutlich beeinflussen und die Diskussion der bloßen Preise und der technischen Details gerät eher in den Hintergrund. Die Studie des IMI und des EuroCloud e. V. zeigte, dass die Preisgestaltung der Produkte und damit eventuell verbundene Einsparungen auf der Kundenseite eher zweitrangig sind. Vielmehr ist das technisch exzellente und renommierte Produkt durchaus im höheren preislichen Segment positionierbar.

In der Cloud-Computing-Branche ist es nicht immer einfach, Emotionen beim Kunden zu wecken. Eine Cloud ist für den potenziellen Nutzer, im Gegensatz zum Auto, nicht physisch greifbar. Umso entscheidender ist es, den Kunden nicht über mögliche Risiken zu verunsichern, sondern den Nutzen der Cloud-Lösung in den Vordergrund zu stellen. Zur Argumentation anbieten würde sich dabei zum Beispiel die Abgabe der Systemwartung an einen professionellen Dienstleister mit der Übernahme der Update- und Versionspflege, das automatische Anfertigen von Sicherungskopien, die Berücksichtigung von Hardwarevoraussetzungen sowie das Anbieten von IT-Ressourcen.

Damit der Kunde einen ersten Überblick über die Funktionalitäten des Cloud Services erhält und sich selbst einen Eindruck vom Funktionieren und von den Vorteilen verschaffen kann, ist die Einführung einer kostenlosen Nutzungsphase empfehlenswert. Ist der Kunde erst einmal von den Vorzügen eines solchen Produktes überzeugt, wird er mit hoher Wahrscheinlichkeit dem Cloud-Anbieter treu bleiben. Besteht allerdings für den Kunden nicht die Möglichkeit, das Produkt auszuprobieren, wird es schwierig, Vertrauen und Akzeptanz zu gewinnen.

Empfehlungen für den Anbieter

- Konkrete und belastbare Funktion belegen, zum Beispiel durch einen Probebetrieb mit dem Kunden - analog zu den Probefahrten im Automobilbereich

- Überprüfung der technischen Machbarkeit evtl. durch eine neutrale gutachterliche Stellungnahme

- Positive Äußerungen von Referenzkunden

Tests und gesetzliche Richtlinien

Auch wenn in letzter Zeit häufig Rückrufaktionen der Automobilhersteller für Aufsehen sorgten, ist klar: Vor dem Launch eines neuen Automodells finden zahlreiche Tests und Simulationen statt, um ein möglichst technisch einwandfreies Produkt auf den Markt zu bringen. Keinesfalls würde man dem Kunden im Automobilbereich den Gebrauch eines fehleranfälligen Prototyps zumuten. Der Ansatz im Cloud Computing wäre, ebenfalls vor jeder Einführung umfangreiche Testszenarien anhand von Alpha- und Betatests einzuführen. Dies mindert nicht nur die Fehleranfälligkeit und senkt Folgekosten, sondern steigert auch die Benutzerfreundlichkeit. Auftretende Komplikationen könnten im Voraus überprüft und anschließend beseitigt werden.

Bevor ein technisches Produkt letztendlich auf den Markt kommt, hat es noch einige gesetzliche Richtlinien zu durchlaufen. Doch für eine sichere Cloud gibt es solche Vorgaben momentan noch nicht. Der Vorteil für den Kunden wäre, dass er ein durch Standards festgelegtes und überprüftes Produkt erhält. Solche Richtlinien könnten dann unter anderem bescheinigen, dass die Daten sicher gespeichert werden. Ein weiterer Vorteil durch Festlegung von Standards wäre auch, dass der Kunde den Cloud-Anbieter mitsamt seiner Daten unproblematisch wechseln kann, sei es beispielsweise bei einer Insolvenz oder bloßer Unzufriedenheit. Die Einhaltung dieser gesetzlichen Richtlinien müsste eine neutrale Institution in regelmäßigen Zeitabständen überwachen und bei erfolgreicher Prüfung ein Zertifikat aushändigen.

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Haftungsverschiebung an Dritte

Sollten nach dem Verkauf eines Automobils Probleme mit diesem auftreten, kann der Kunde sich sofort beim Verkäufer beziehungsweise Hersteller melden, um diese beheben zu lassen. Der Kunde bleibt also im Schadensfall, wenn er diesen nicht selbst herbeigeführt hat, nicht auf den Kosten sitzen. Der Hersteller und der Verkäufer tragen damit eine gewisse Mitverantwortung für das Funktionieren des Autos. Hinzu kommt die gesetzlich vorgeschriebene Kfz-Haftpflichtversicherung. Im Schadensfall haftet der Verursacher - bekanntermaßen - nicht privat, sondern die Versicherung tritt ein.

Diese so genannte Haftungsverschiebung an Dritte spielt auch in der Cloud-Branche eine wichtige Rolle: Was passiert wenn Probleme auftreten, zum Beispiel vertrauliche Daten verloren gehen oder veröffentlicht werden? Wer übernimmt die Kosten des verursachten Schadens? Durch die vollkommene Abhängigkeit vom Betrieb des Rechenzentrums wird bei einem Ausfall des Cloud-Computing-Rechenzentrums beziehungsweise einer Insolvenz des Anbieters der Kunde ebenfalls massiv in seinem Betriebsablauf eingeschränkt. Für diese Fälle müssten Mechanismen greifen, welche für die Kosten unproduktiver Zeit und Schadensersatzforderungen beim Kunden aufkommen. Dadurch ergibt sich letztendlich sogar ein Verkaufsargument gegenüber dem Kunden: Ihm nämlich ein Risiko abzunehmen, welches sich bisher für ihn durch den Betrieb eines eigenen Rechenzentrums ergibt.

Über einen Versicherungsfonds, in den die Anbieter einzahlen und gemeinsam das Risiko absichern, könnte dem Kunden zusätzlich Sicherheit bei der Cloud-Nutzung vermittelt werden. Die Haftung würde sich somit in Richtung Dienstleister verschieben und dem Kunden die Entscheidung für eine Cloud-Lösung erleichtern. Eine Haftungsübernahme, das Anbieten von Garantien und Möglichkeiten zum Abschluss von Versicherungen würden das "gefühlte Risiko" des Nutzers erheblich reduzieren. Für die Steigerung des Vertrauens und der Akzeptanz von Cloud Computing könnte dies ein wesentlicher Baustein sein. (bw)