Das Handy als Fahrkartenautomat

06.06.2006 von Dorothea Friedrich
In sieben deutschen Großstädten und einer Reihe kleinerer Kommunen in ganz Deutschland gibt es von Oktober an Fahrkarten für Bus und Bahn via Handy.

Möglich macht das eine auf dem Mobiltelefon installierte Software, die Siemens Business Services (SBS) entwickelt hat und zwei Jahre lang in einem groß angelegten Versuch testet. Zu den Einsatzorten gehören unter anderem Essen, Dresden, Düsseldorf, Hamburg, Nürnberg, Ulm, Wuppertal sowie das Vogtland.

Da in allen Städten die gleiche Software verwendet wird, kann nach SBS-Angaben beispielsweise ein Nürnberger mit seinem Handy auch beim Besuch in Hamburg sein Busticket kaufen. Koordiniert wird das gesamte Projekt vom VDV (Verband Deutscher Verkehrsunternehmen). Bei der Entwicklung kooperiert SBS mit dem Fraunhofer Institut Dresden. Teilnehmer sind die Verkehrsverbünde Hamburg, Rhein-Ruhr, Oberelbe und der Großraum Nürnberg, die Donau-Iller Nahverkehrsgesellschaft und der Zweckverband Öffentlicher Personennahverkehr Vogtland.

Die Fahrgäste melden sich einmal im Internet an. Anschließend installiert sich auf dem Mobiltelefon des registrierten Nutzers eine Java-Software, über die eine Fahrkarte bestellt werden kann. Im Softwaremenü gibt man die Art und Anzahl der Fahrscheine und gegebenenfalls die gewünschte Fahrstrecke an – vom Einzelfahrschein bis zur Tageskarte ist alles möglich. Die Bestellung wird per GPRS an einen zentralen Server übermittelt. Wer häufiger die gleiche Strecke fährt, kann sie als Favoriten speichern und entsprechend schneller seinen Fahrschein ordern. Nach der Bestellung erscheint die Bestätigung für den Ticketkauf. Das Ticket wird auf dem Handy gespeichert. Die Abrechnung erfolgt entweder per Prepaid-Verfahren, Lastschrift oder Kreditkarte. Zusätzlich können alle interessierten Kunden in den Verkehrsverbünden Rhein-Ruhr und Oberelbe ihr Ticket per SMS ordern.

Während des zweijährigen Tests untersuchen Marktforscher laufend die Zufriedenheit der Nutzer. Die Erkenntnisse fließen in die Lösung ein. Außerdem soll ermittelt werden, wie wichtig das SMS-Angebot für die Kunden ist. Eine Vorreiterrolle haben die Vogtländer beim Handy-Ticket: Sie nutzen den Vorläufer des aktuellen Siemens-Systems bereits seit Anfang 2004.

Das Marktpotenzial für Lösungen dieser Art ist enorm. Die Unternehmensberatung Arthur D. Little schätzt, dass der weltweite Umsatz mit mobilen Bezahlsystemen von 3,2 Milliarden US-Dollar 2003 auf 37 Milliarden US-Dollar 2008 steigen wird. Allein in Deutschland gibt es rund 400 Unternehmen im Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV), darunter 75 mittlere bis große Verkehrsverbünde. Der Jahresumsatz im ÖPNV in Deutschland beträgt mehr als 20 Mrd. EUR im Jahr.