Social Media und Unternehmen

Das große Missverständnis

17.03.2014 von Christoph Lixenfeld
Unternehmen geben Geld für Social-Media-Marketing aus, obwohl die Wirkung schwach ist. Sinnvoller wäre, Facebook & Co. zur Marktforschung zu nutzen.

Facebook wirkt auf Unternehmen ungefähr so wie Berlin Mitte auf 20-Jährige: Jeder will dahin. Warum? Weil alle anderen auch da sind. Ein durchdachte Strategie ist das nicht, was im Falle der 20-Jährigen nicht weiter stört. Firmen allerdings sollten genau überlegen und detailliert planen, bevor sie sich hektisch ins unbekannte Gewässer stürzen.

Money for nothing: Mehr als vier Milliarden Dollar geben Unternehmen jährlich für Werbung bei Facebook aus. Grund genug für Marc Zuckerberg, sich artig zu bedanken.
Foto: CIO.com

Das tun die wenigsten. Entsprechend schlecht sind die erzielten Resultate, wie vor einigen Wochen eine Studie des IT-Services-Anbieters Tata Consultancy Services (TCS) ermittelte. Lediglich zehn Prozent der Unternehmen, die sich mit Social Media beschäftigen, erschließen dabei mögliche Nutzenpotentiale und verschaffen sich echte Vorteile, etwa durch die Akquise neuer Kunden oder bei After-Sales-Services. TCS hatte weltweit 655 Unternehmen befragt.

Am aktivsten in puncto Social Media zeigten sich dabei die Medien- und Unterhaltungsindustrie, am zurückhaltendsten die Versicherungswirtschaft. Durchschnittlich geben die Firmen jährlich 19 Millionen Dollar für Social Media-Aktivitäten aus und beschäftigen 56 Menschen damit. Nachhaltige Erfolge durch diesen Aufwand bleiben allerdings bislang aus, die anvisierten Zielgruppen werden kaum erreicht.

Diese Erkenntnis deckt sich mit dem Inhalt eines offenen Briefs vom Oktober diesen Jahres, in dem Nate Elliott, Vice President beim US-Marktforscher Forrester, Facebook ein vernichtendes Zeugnis in Bezug auf seine Qualität als Werbemedium ausstellt. Zwar verspreche Facebook seinen Unternehmenskunden Zugang zum "größten Publikum der Mediengeschichte", und es sei auch richtig, dass das Netzwerk erstaunlich viel über jeden einzelnen Nutzer wisse. Aber einen konkreten, messbaren Werbeerfolg beschere dieses Wissen den Kunden in aller Regel nicht.

Um seine These untermauern zu können, hatte Elliott knapp 400 Marketing-Entscheider in Nordamerika und Großbritannien gebeten, dreizehn verschiedene Online-Marketinginstrumente wie zum Beispiel Twitter, GooglePlus oder Youtube zu bewerten. Und natürlich Facebook. Das landete auf der Zufriedenheitsskala auf dem letzten Platz. Grund: die geringe Effizienz als Marketingtool. Dennoch geben Unternehmen rund um den Globus jährlich über vier Milliarden US-Dollar für Facebook-Werbung aus. Obwohl wenig von der erhofften Aufmerksamkeit bei den Nutzern ankommt.

Zwar können die durch das Klicken auf den Like-Button erklären, dass sie Werbebotschaften empfangen wollen. Doch als Folge verschiedener Filterfunktionen bekommen im Schnitt nur 16 Prozent derjenigen, die geliked haben, tatsächlich eine Werbebotschaft zu Gesicht, so das Ergebnis einer Untersuchung des Marktforschungsunternehmens BI Intelligence.

Viele verzichten mittlerweile aufs Messen

Daumen runter: Viele glauben, dass Facebook zwar viel Wind macht, als Marketingtool aber wenig bewirkt.
Foto: Faysal Farhan - Fotolia.com

Insgesamt lässt sich der Erfolg von Marketingaktivitäten im Social Media-Umfeld deutlich schlechter Messen als die Resultate klassischer Onlinewerbung oder zum Beispiel von Google-Anzeigen. Folgerichtig, auch das ein Ergebnis der erwähnten Untersuchung von BI Intelligence, verabschieden sich auch immer mehr Firmen davon, ihren Social-Media-Aktivitäten mit klassischer ROI-(Return-on-Investment) Berechnung zu Leibe zu rücken. Anders gesagt: Unternehmen verzichten zunehmend darauf, in diesem Zusammenhang eine Umsatz-pro-Kunde Berechnung anzustellen.

Gleichzeitig geben sie aber an, zukünftig noch mehr Geld für Social Media ausgeben zu wollen. Imagezuwachs, Sichtbarkeit und Kontakt zu neuen Talenten scheinen den meisten als Rechtfertigung ihrer Online-Budgets zu genügen. Oder geht es tatsächlich nur, wie in Berlin-Mitte, ums Dabeisein, warum auch immer?

Eine mögliche Begründung für den beschriebenen Misserfolg beim Social Media-Marketing liefert die zu Beginn zitierte TCS-Studie: Vielleicht, so die Autoren, verfolgen die Firmen einfach den falschen Ansatz, wenn sie versuchen, Facebook & Co. vorrangig im Business-to-Consumer-Marketing einzusetzen, also um neue Kunden zu gewinnen. Das riesige Potential, dass in Facebook und anderen sozialen Kanälen als Feedback-Maschine zur Verbesserung der eigenen Produkte schlummert, liegt dagegen weitgehend brach. Lediglich 27 Prozent der Forschungs- und Entwicklungsabteilungen von Unternehmen lesen regelmäßig Social-Media-Kommentare von Verbrauchern.

Für Marktforscher sind 1.000 Euro nicht viel

Sven-Olaf Peeck, Geschäftsführer der Hamburger Social Media-Beratung crowdmedia, kennt das Problem, macht allerdings die Erfahrung, dass sich der Fokus in jüngster Zeit verändert: "Das Business Intelligence-Thema gewinnt immer mehr an Bedeutung. Das heißt immer mehr Unternehmen versuchen über Facebook nicht unbedingt mehr zu verkaufen, sondern herauszufinden, was Menschen wollen, was sie interessiert, was sie vielleicht kaufen würden, wenn es denn auf dem Markt wäre."

Das spannende daran: Um solche Untersuchungen machen zu können, braucht man zwar viel Know-how, aber Unternehmen müssen dazu nicht unbedingt eine eigene Community mit einer halben Million Fans aufbauen. Außerdem ist es nicht teuer, jedenfalls nicht im Vergleich zu anderer Marktforschung. Sven-Olaf Peeck: "Wenn ich Marketingleuten sage, dieses Konzept kostet euch 1000 Euro im Monat, dann sagen sie: Oho, das sind ja 12000 im Jahr, dafür könnten wir ja auch an einer zusätzlichen Messe teilnehmen. Für Marktforscher dagegen sind 1000 Euro im Monat nicht viel." Focusgruppen bilden, Befragungen machen, extern eine Analyse beauftragen über irgendwelche Trends im Jahre 2015 - all das ist aufwändig und teuer. Und durch schlaue Social Media-Auswertungen deutlich billiger zu haben.

Dass bisher vergleichsweise wenige Unternehmen diese Möglichkeiten nutzen, liegt nach Ansicht des crowdmedia-Geschäftsführers vor allem daran, dass sich in den meisten Firmen verschiedene Abteilungen relativ unkoordiniert mit Sozialen Medien beschäftigen. "Ganz viel scheitert gerade in Großunternehmen noch immer am Silodenken. Social Media ist ein Crossfunktionales Thema, dessen Möglichkeiten sich nur nutzen lassen, wenn die Aktivitäten abteilungsübergreifend koordiniert werden." Ist das der Fall, davon ist Peeck überzeugt, können Unternehmen enorm von Sozialen Medien profitieren. Deshalb hält er auch nicht viel vom aktuellen Facebook-Bashing: "Natürlich ist vieles, was dort geschieht, schwer messbar. Aber die Wirkung von Zeitschriften- und TV-Werbung ist noch schlechter messbar. Und trotzdem geben Werbetreibende dafür noch immer Millionen aus."