Social CRM - Authentizität gefragt

Das gesamte Unternehmen als Schnittstelle

02.02.2011 von Elke Senger-Wiechers
Steigender Wettbewerbsdruck und ein sich wandelndes Selbstverständnis der Kunden bewegen immer mehr Unternehmen dazu, ihre Social CRM-Aktivitäten auszubauen. Noch herrscht zu oft statt einer überlegten Social-Media-Strategie Aktionismus vor.

eMagazin SPOT zum Thema Social CRM

Foto: Rika Beisenherz

Facebook, Twitter, Youtube und Co gehört für viele Mitarbeiter zur Tagesroutine. Ein bisschen privat, manchmal nur beruflich: Der Du und Ich nutzt soziale Netzwerke so wie er Lust hat. Unternehmen hingegen kommen ohne eine durchdachte Social-Media-Strategie nicht weit.

Soziale Medien verzeichnen weiterhin ein dynamisches Wachstum: Laut Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien BIT KOM sind bereits zwei Drittel aller deutschen Internetnutzer Mitglied eines sozialen Netzwerks, schreiben Blogs oder tauschen sich über Foren oder Wikis aus. Tendenz weiter steigend: Alleine das Netzwerk Facebook verzeichnet monatlich einen Zuwachs von einer Million neuer Mitglieder. Auch für Unternehmen entwickelt sich Social Media mehr und mehr zu einem wichtigen Service- und Absatzkanal, der die Kommunikation zwischen Unternehmen und Kunden nachhaltig verändert.

Experten erwarten bedeutende Rolle für Social Media

Kundenservice-Trends
Facebook-Blitzumfrage
Social Media auf der Arbeit
Kontaktkanäle


Einer aktuellen Studie der Management-Beratung Detecon in Kooperation mit der Munich Business School zufolge wird es bereits in wenigen Jahren selbstverständlich sein, Kundenanfragen zum großen Teil über Social Media zu beantworten. 70 Prozent der insgesamt 78 befragten Experten aus den Bereichen Customer Relationship Management (CRM), Kundenservice und Marketing glauben, dass Social Media in Zukunft eine bedeutende Rolle im Kundenservice spielen wird.

Ein Drittel geht davon aus, dass die Entwicklung bereits in den nächsten ein bis zwei Jahren für das eigene Unternehmen relevant sein wird. Neben dem sich wandelnden Kommunikationsverhalten der Kunden machen die Autoren der Studie den verschärften Wettbewerb als Ursache für diese Veränderung verantwortlich. "Hier haben Unternehmen die Möglichkeit sich produktunabhängig vom Wettbewerb abzuheben und eine Art Alleinstellungsmerkmal zu etablieren", erläutert Andreas Penkert. Der Mitautor der Studie führt als weiteren Vorteil an, dass Firmen mithilfe von Social Media- und Self-Service-Tools dem steigenden Kostendruck mit weniger Ressourcen begegnen könnten.

Kundenservice ist nicht mehr Nadelöhr

Steht der Kunde beim klassischen CRM vor allem im Fokus von Vertrieb, Marketing und Service, profitieren beim Social CRM (SCRM) auch Abteilungen wie Einkauf, Produkt- oder Innovationsmanagement vom direkten Kontakt zu den Kunden. "Früher war der Kundenservice das Nadelöhr zwischen Kunden und Unternehmen. Heute ist das ganze Unternehmen die Schnittstelle", veranschaulicht SCRM-Experte Penkert.

Hierbei rücken die Kunden und die Beziehung zu ihnen zunehmend in den Mittelpunkt, im Idealfall partizipieren sie selbst am Serviceprozess. Gleichzeitig fällt es ihnen umso leichter Fehler und Probleme zu erkennen und diese über Social Media weiterzutragen, je mehr sie in die Prozesse eingebunden werden. Eine Rolle, die oft noch unterschätzt oder übersehen wird. Dennoch fürchten viele Unternehmen die Tatsache, dass sich Kunden über sie - im schlechtesten Fall auch negativ - äußern oder austauschen. Das Paradoxe daran: Sie tun es ohnehin. Korrigierend, zumindest aber moderierend an diesem Diskurs teilzunehmen, ist in jedem Fall die bessere Alternative. So sieht Andreas Penkert auch die große Herausforderung für Unternehmen darin, die Kunden im Internet aufzuspüren, anzusprechen und aktiv abzuholen.

Das unterstreicht eine aktuelle Studie der Yankee Group, für die 750 Kunden und Mitarbeiter online befragt wurden. 81 Prozent der Teilnehmer halten es für wichtig, Social Media-Sites zu beobachten, damit die Unternehmen wissen, was über sie gesagt und geschrieben wird. "Es geht nicht nur darum präsent, sondern auch aktiv zu sein", betont Berater Penkert. "Wer nicht handelt, muss sich dem Vorwurf aussetzen, sich nicht für die Meinung der Kunden zu interessieren." Oder um es mit den Worten der Internetnutzer auszudrücken: Das Unternehmen versteht die neuen Medien nicht und lebt hinter dem Mond.

Interne Richtlinien müssen her

Eine authentische und transparente Kommunikation hält er daher für unerlässlich. Wird SCRM lediglich als Vertriebs- und Marketingkanal gesehen, droht der interne und externe Kontrollverlust. Ein Szenario, das Marketingverantwortlichen den Schweiß auf die Stirn treibt. Die Gefahr besteht vor allem auch dann, wenn innerhalb eines Unternehmens keine Richtlinien definiert wurden, die festlegen, wie und welche Inhalte welche Mitarbeiter im Auftrag des Unternehmens kommunizieren sollen und dürfen. Laut Yankee Group nutzen immer mehr Mitarbeiter die sozialen Medien, die Grenze zwischen persönlicher und beruflicher Nutzung sind fließend. Schnell kann eine private Äußerung als offizielle Unternehmensposition interpretiert werden. Um solche für Mitarbeiter und Firmen unangenehmen Fehltritte zu vermeiden, empfiehlt die BIT KOM, dass Unternehmen Regeln zur Nutzung von sozialen Medien aufstellen sollten - unabhängig davon, ob sie diese in ihre Kommunikationsstrategie einbinden oder nicht.

"Die Richtlinien sollten definieren, welche Ziele damit verfolgt werden, in welchen Kanälen welche Inhalte kommuniziert werden sollen bzw. dürfen und welche Zielgruppen addressiert werden", rät BIT KOM. Nach Einschätzung von SCRM-Experte Penkert bewegt sich bereits jedes zweite Unternehmen, mindestens aber ein Drittel im Social-Media-Umfeld. Für ihn ist unbestritten, dass in nahezu allen Firmen darüber diskutiert wird, ob und wie sich an der Entwicklung teilhaben lässt. "Allen ist bekannt, dass es einen Impact hat, aber der praktische Zugang und die Vorstellung wie sich Social CRM in die Strategie einbauen lässt, fehlt noch", so Penkert.

Nur wenige Unternehmen arbeiten bereits mit einer übergeordneten SCRM-Strategie, die Ziele, Zielgruppen, Instrumente und Ressourcen ebenso wie eine Risikoabschätzung festlegt. Egal, ob das Ziel Imageförderung, Recruiting, Marktforschung oder Service heißt - entscheidend ist letztlich die Umsetzung. Diese gelingt nur erfolgreich, wenn bekannt ist, wer die Zielgruppen sind, wie sie kommunizieren und welche davon Social Media nutzen. Erst dann lässt sich entscheiden, welcher Inhalt wo abgebildet werden soll.

Brief und Fax verliert Stellenwert

Den Ergebnissen der Detecon-Studie zufolge wird dabei die Bedeutung von Self-Services und Social Media in Zukunft deutlich zunehmen, ebenso der E-Mail-Verkehr. Bis 2015 rechnen die Autoren der Studie für den deutschsprachigen Raum damit, dass die Unternehmen branchenübergreifend durchschnittlich ein Viertel ihrer Kontakte online abbilden. Während Brief und Fax nach Einschätzung der Teilnehmer ihren heutigen Stellenwert verlieren, wird das Telefon sich weiter behaupten. Denn auch langfristig, glaubt Mitautor Penkert, werde der Kundenservice nicht ohne persönliche Beratung auskommen.

Vielmehr sieht er den Servicemitarbeiter in einer Rolle als Moderator oder Concierge, der hilft sich in der künftigen Servicelandschaft zurechtzufinden, damit jeder Kunde den Service erhält, den er verdient. "Wir werden in Zukunft ein Multi-Channel-Management vorfinden mit einem Mix an Beratungsleistungen, der alle Kunden zufriedenstellt", prognostiziert der Detecon-Berater. Dafür sind Mitarbeiter nötig, die entsprechendes Expertenwissen besitzen und sowohl das Monitoring als auch die Moderation beherrschen und im Idealfall Spaß am Netzwerken haben. Stehen keine erfahrenen Ressourcen zur Verfügung, müssen die Unternehmen ihre Mitarbeiter auf entsprechende Technologien und Kommunikationsformen schulen.

Dies gilt besonders für die Social-Media-Kanäle, die eine spezielle Form der Ansprache und Betreuung erfordern. Statt dem großen Rollout sollten Unternehmen, die erst am Anfang ihrer SCRM-Aktivitäten stehen, zunächst kleine Schritte wagen: Nicht alle Plattformen auf einmal nutzen, sondern nach dem Laborprinzip kleine Testgruppen starten. Ist ein Service angekündigt, müssen dafür auch entsprechende Ressourcen bereitstehen. In sozialen Medien wird in Echtzeit kommuniziert, die Kunden erwarten eine prompte Reaktion. Auch die Organisationskultur sollte kritisch überprüft und falls nötig angepasst werden. Wer nach außen SCRM-Vorreiter sein will, aber nach innen keine entsprechende Plattform dafür bietet, wird keinen Erfolg haben. Der stellt sich nur ein, wenn Social Media top-down gelebt und als grundlegende Strategie gesehen wird, von der möglichst viele Unternehmensbereiche profitieren.

Social Media - top-down gelebt

Dies gelingt jedoch nur, wenn die gewonnenen Informationen in einer einheitlichen Systemlandschaft allen relevanten Business-Units zur Verfügung gestellt werden. Bei aller "sozialer Kompetenz", die das CRM in Zukunft von den Unternehmen abverlangen wird: Kundenbeziehungsmanagement bleibt ein Konzept, das Kundenbeziehungen analysiert, verwaltet und gewinnbringend einsetzt - mit dem Kunden im Mittelpunkt.