Interview

"Das Collapsed Backbone steht vor dem Kollaps"

29.11.1996

CW: Um den Rücktritt des Bay-Networks-CEO Andy Ludwick gab es ein ziemliches Theater. Was waren die Gründe, aus denen Ludwick seinen Hut nahm?

George: Ludwick hatte schon immer vor, sich nach zehn Jahren an der Spitze von Synoptics und Bay Networks (nach dem Merger mit Wellfleet) zurückzuziehen. Nachdem es jetzt bereits elf Jahre waren, deutete er vor einem halben Jahr an, seinen Ausstieg als CEO vorzubereiten, um künftig nur noch als Mitglied des Aufsichtsrates für das Unternehmen tätig zu sein.

CW: Hätte Ludwick nicht wissen müssen, daß ein Ausstieg auf Raten der Company schadet?

George: Zugegeben, das gesamte Vorgehen ist sehr unglücklich gewesen. Leider sind durch seine Ankündigung Gerüchte entstanden, die unserem Geschäft nicht zuträglich waren.

CW: Ludwick hat aber doch sicher nicht nur aus freien Stücken seinen Hut genommen? Es ist kein Geheimnis, daß Bay Networks im Vergleich zu den Konkurrenten Cisco, 3Com und Cabletron nicht besonders gut abgeschnitten hat. Sie haben im letzten Quartal 5,6 Millionen Dollar weniger Gewinn gemacht als im Vorjahr.

George: Natürlich haben auch andere Gründe eine Rolle gespielt. Vor allem die Gerüchteküche und die damit verbundene Berichterstattung in der Presse zwangen uns zu handeln.

CW: Jetzt ist wieder die Presse an allem schuld?

George: Nein, nicht direkt, aber die Spekulationen um Bay Networks waren ein wesentlicher Grund, weshalb unsere Gewinnkurve abflachte.

CW: Ein weiterer war aber doch sicher auch die Fehleinschätzung des Switching-Marktes?

George: Ja, wir haben den Switching-Markt falsch kalkuliert und dadurch auch Schwierigkeiten in unserer Produktpolitik bekommen. Alle diese Faktoren haben unseren Umsatz negativ beeinflußt. Diese Probleme sind unterdessen gelöst, jetzt brauchen wir wieder bessere Schlagzeilen.

CW: Sie haben Fehler in der Produktpolitik eingeräumt. Einer war sicher, daß das High-end-System, der Hub 5000, keine Switching-Funktionalität aufwies. Sind diese Mängel wirklich beseitigt?

George: Ich glaube schon, daß wir das Problem durch die Übernahme von Centillion in den Griff bekommen haben. Die Centillion-Produkte, die wir durch die Akquisition erworben haben, sind mittlerweile im Hub 5000 integriert.

CW: Die Analysten sind der Meinung, Bay Networks benötige einen CEO mit technologischen Visionen. Wird Ihr neuer Chef, David House, der von Intel kam, dieser Anforderung gerecht?

George: Das nehme ich an, da seine Wurzeln im technologischen Bereich liegen. Viel wichtiger ist aus meiner Sicht aber, daß er sich als Führungsperson beweist. Er muß durch gezieltes Management die Weichen unbedingt schnell in Richtung Zukunft stellen.

CW: Anwender fordern, daß Bay Networks seine Router-Linie im Gleichschritt mit den Switching-Anstrengungen konsequent weiterentwickeln muß. Was geschieht in dieser Richtung?

George: Wir haben im Unternehmen speziell dafür eine Sy- nergy Group ins Leben gerufen. Deren Aufgabe ist es, alle Technologien wie Switching, Routing, Netzwerk-Management etc. dahingehend zu optimieren, daß sie auf einer Plattform laufen.

CW: Inwieweit beinflußt Bay Networks+ Ankündigung des "Personal Networking" diese Technologien?

George: Mit Personal Networking berücksichtigen wir die neuen Kommunikationsgewohnheiten, die durch das Internet und Multimedia-Anwendungen gefördert werden. Diese Art des Informationsaustausches erzeugt unvorhersehbaren und kaum zu kalkulierenden Verkehr im Netz. Mit anderen Worten: Personal Networking soll im Unternehmensnetz zu einem Produktivitätsfaktor werden und nicht zum Hindernis, wie es heute häufig der Fall ist.

CW: Steckt hinter Personal Networking die Intranet-Vision von Bay Networks?

George: Ja. Wir tragen damit der Situation Rechnung, daß das Internet in den Unternehmensnetzen Einzug hält. Wir können die Verschmelzung von Browser-Technologie mit klassischen Anwendungen nicht ignorieren. Das erfordert eine Modifikation der bestehenden Netzarchitekturen im Unternehmen. Das Vernetzungsprinzip des Collapsed Backbone steht vor dem Kollaps.