CW Gehaltsstudie: Wo nichts ist, lässt sich nichts verteilen

25.10.2002 von Hans Königes
Softwareentwickler müssen nun schon im zweiten Jahr in Folge mit weniger Gehalt rechnen. Auch für IT-Manager wachsen die Bäume nicht mehr in den Himmel. Gut abgeschnitten haben dagegen die hoch qualifizierten Profis mit Promotion und MBA-Abschluss. Die von COMPUTERWOCHE und Professor Christian Scholz erstellte Studie förderte noch weitere interessante Ergebnisse zutage.

"Das waren noch Zeiten" - kaum einen Spruch hört man in diesen Tagen öfter, wenn man auf Gehälter und den Arbeitsmarkt für Computerexperten zu sprechen kommt. Dabei ist es erst zwei Jahre, teilweise sogar erst Monate her, dass die IT-Welt Kopf stand. Nichts war unmöglich: teurer Dienstwagen, Wahnsinnsgehalt, Workshops auf Mallorca. Und heute: Gehalt auf null, und vor allem wenig Aussicht auf eine neue Anstellung.

Die aktuelle CW-Vergütungsstudie, mittlerweile die vierte, spiegelt diese Entwicklung wider. Denn die Gehälter sind kaum gestiegen, im Gegenteil, einige Berufsgruppen müssen mit deutlichen Einbußen rechnen. Die Einkommensschere zwischen Quereinsteigern und den sehr gut Ausgebildeten geht immer weiter auseinander. Bestes Beispiel dafür sind die Einkünfte der IT-Spezialisten mit MBA-Abschluss und Doktortitel. In diesem Jahr erreichen Erstere ein Gehalt von rund 112000 Euro, was ein Plus von zehn Prozent gegenüber dem Vorjahr bedeutet. Die promovierten Computerfachleute machen einen noch spektakuläreren Einkommenssprung. Lagen sie im Vorjahr noch im Durchschnitt bei rund 80000 Euro Jahresgehalt, dürfen sie sich jetzt auf fast 100000 Euro freuen.

Von solchen Einkommenssteigerungen können IT-Experten mit anderen Abschlüssen nur träumen. Denn das Salär der Computerfachleute mit einem Universitäts-, Fachhochschul- und Berufsakademie-Abschluss, ist kaum gestiegen und bewegt sich im Durchschnitt zwischen 62000 und 68000 Euro im Jahr. Um gleich ein Missverständnis auszuräumen, das in den vergangenen Jahren zu Fehlinterpretationen und vielen Anfragen geführt hat: Wenn nicht ausdrücklich auf etwas anderes hingewiesen wird, handelt es sich bei diesen Zahlen um Durchschnittswerte aller Teilnehmer der Umfrage. Wenn also zum Beispiel von 100000-Euro-Einkommen die Rede ist, sind damit keine Einstiegsgehälter gemeint, sondern der Durchschnitt aller Teilnehmer beispielsweise mit einer Promotion.

Wer sich gut verkauft, bekommt mehr

Ein für die Gehaltsfindung wesentlicher Faktor ist die Selbsteinschätzung der Befragten. Zum dritten Mal fragten wir, ob sich die Teilnehmer als "Top"- oder als "Well-Performer" einstufen. Die Korrelation zwischen Selbsteinschätzung und Verdienst trat klar zutage: Wer sich gut verkauft, bekommt um einiges mehr. Damit können sich all jene bestätigt fühlen, die die Personaler schon immer im Verdacht hatten, dass diese nicht so sehr nach objektiven Kriterien einstellen, wie sie immer vorgeben, und dass sie sich von einem souveränen Auftreten schon mal blenden lassen. Dies beweist das Ergebnis der Studie: Selbst ernannte Top-Performer erreichen ein Jahresgehalt von 72910 Euro, Otto Normalbewerber gibt sich mit 57073 Euro zufrieden. Im Vorjahr betrug die Spanne zwischen den beiden Gruppen noch 10000 Euro, jetzt ist sie auf 15000 Euro gestiegen. Das bedeutet nicht, dass nun die Blender auf dem Vormarsch sind. Doch es wird immer wichtiger, sich überzeugend darzustellen. Ebenfalls in diese Kategorie passt ein weiteres Ergebnis: Da sich Frauen in der Regel bescheidener präsentieren als Männer, verdienen sie auch weniger. Immerhin zehn Prozent macht der Unterschied aus.

Auch Zusatzleistungen gehen zurück

Gegenüber dem Vorjahr und auch gegenüber anderen Branchen ist dies allerdings schon als Fortschritt zu werten: 2001 betrug der Unterschied 15 Prozent, und Ergebnisse anderer Studien sprechen von einer Gehaltsdifferenz von bis zu 30 Prozent zu Ungunsten des weiblichen Geschlechts. Gestoppt wurde eine Entwicklung der vergangenen beiden Jahre, von der man ursprünglich annahm, dass sie sich fortsetzen würde: der Anstieg der Zusatzleistungen. Diese stagnieren auf dem Niveau des Vorjahres. Die Arbeitgeber treten nicht nur bei den Grundgehältern, sondern auch bei den Nebenleistungen wie Projektprämien, Boni, Handys oder Dienstwagen auf die Kostenbremse. Verständlich: Wenn nichts da ist, gibt es auch nichts zu verteilen.

Bei Informatikern beträgt der leistungsbezogene Anteil rund 8000 Euro, bei den Betriebswirten 12500 Euro, während er bei den Wirtschaftsinformatikern rund 6000 Euro ausmacht. Eindeutig bestätigt hat sich allerdings eine andere Tendenz: Informatiker verdienen besser als Wirtschaftsinformatiker. Erstere bringen 65500 Euro im Jahr nach Hause, Letzere 55500 Euro. Für beide Gruppen bedeutet das ein leichtes Plus gegenüber dem Vorjahr. Am meisten dürfen sich die Betriebswirte und die Ingenieure freuen, die auf ein Salär von rund 68000 Euro kommen.

Zum dritten Mal hat die Studie auch die Gehälter der obersten Führungsebene ermittelt. Im Durchschnitt erreicht ein IT-Vorstand beziehungsweise ein Geschäftsführer etwa 83000 Euro per annum, was einem Rückgang von über 30 Prozent gegenüber dem Vorjahr entspricht. Immerhin dürfen sich die oberen fünf Prozent in dieser Gruppe über ein Durchschnittsgehalt von 214000 Euro freuen. So ein dramatischer Rückgang lässt sich unter anderem damit erklären, dass in diesem Jahr mehr Manager aus kleinen Unternehmen an der Befragung teilgenommen haben. Auf der zweiten und der dritten Ebene hat es immerhin einstellige Zuwächse gegeben. 2002 erreicht die zweite Ebene 74730 Euro und die dritte 69740 Euro. Führungsverantwortung wirkt sich besonders stark auf das Einkommen aus, "wenn nicht sogar am stärksten", wie der Saarbrücker Professor Scholz meint. Nach der aktuellen Berechnung kommt ein Manager mit bis zu fünf Jahren Führungserfahrung auf etwa 58000 Euro, für bis zu 15 Jahre darf er gar mit durchschnittlich 83000 Euro rechnen.

Weniger Gehalt für Einsteiger

Die Teilnehmer wurden außerdem gebeten, sich als Junior, Senior oder Leiter einzustufen. Der Junior musste Einbußen im einstelligen Prozentbereich hinnehmen und kommt auf 45000 Euro, der Senior darf sich über ein leichtes Plus freuen und erreicht 65000 Euro, und beim Leiter hat sich nichts verändert, er bleibt bei 76000 Euro. Branche und Ort beeinflussen das Salär ebenfalls. Keine Überraschung dürfte sein, dass in den Software- und Beratungshäusern gut gezahlt wird - allerdings nicht mehr am besten, wie das voriges Jahr der Fall war. Die Studie weist hier einen Durchschnitt von 70000 Euro aus, was etwa dem Wert des Vorjahres entspricht. Besser gezahlt wird in diesem Jahr bei den Finanzdienstleistern und in der Konsumgüterindustrie, wo die Gehälter die 80000-Euro-Marke überschreiten. Das Schlusslicht bildet der öffentliche Dienst mit 37500 Euro.

Allerdings dürfte gerade wegen der schwierigen Arbeitsmarktlage das Thema Sicherheit ein nicht zu unterschätzendes Argument sein, das für eine Beschäftigung bei Vater Staat spricht, weshalb selbst das niedrige Gehalt die Bewerber nicht abschrecken wird. Auch der Handel mit 48000 Euro zeigt sich im Vergleich zu den anderen Branchen eher knausrig. Wie auch im vergangenen Jahr gelten München und Frankfurt am Main als die Hochburgen der Programmierer. Die Einkommen in diesen Städten bewegen sich im Durchschnitt zwischen 66000 und 68000 Euro. Unter den Großstädten liegen die Regionen Berlin und Nürnberg aus Arbeitgebersicht mit 64000 Euro beziehungsweise 65000 Euro am günstigsten.

Laut Studie verdienen IT-Spezialisten in Großstädten mit mehr als 300000 Einwohnern rund 11000 Euro mehr als in Städten zwischen 30000 und 300000 Einwohnern. Unter den Berufsgruppen schneiden wie auch im Vorjahr die Berater am besten ab, und sie sind auch diejenigen, die sogar einen kleinen Gehaltszuwachs erzielten. Consultants erreichen im Durchschnitt fast 77000 Euro. Unter den technischen Spezialisten sind die Datenbankexperten auf der Siegerstraße. Sie konnten ihr Gehalt um fast zehn Prozent auf 71000 Euro steigern.

 Logistiker überholen Vertriebler

Die Netzwerk- und Systementwickler dagegen müssen ein kleines Minus in Kauf nehmen und verdienen um die 62000 Euro. Auch die Entwickler haben sich an schwierigere Zeiten zu gewöhnen: Nach 58000 Euro im Jahr 2000 und 55000 Euro im Vorjahr sind sie jetzt bei 53000 Euro angekommen. Vergleichsweise weniger gut bezahlt sind die Betreuer-Jobs - das ist schon immer so gewesen. Der Anwendungsbetreuer nimmt 48000 Euro mit nach Hause, und der Netzadministrator muss sich gar mit 44000 Euro begnügen. Sortiert nach Einsatzbereichen, verdienen IT-Spezialisten zum ersten Mal in der Logistik am meisten, erreichen aber mit fast 76000 Euro nur das Vorjahresniveau. Die Vertriebler, die bisher die Rangliste immer anführten und im Vorjahr fast 80000 Euro erreicht hatten, sind jetzt bei 74000 Euro gelandet. Die IT-Marketiers liegen bei 65500 Euro, womit sie sich unwesentlich verbessert haben.

Überstunden sind der Normalfall

Scholz hat auch eruiert, wie viel ein IT-Spezialist mit einem bestimmten Schwerpunkt-Know-how verdient. Dabei wird zunächst nicht berücksichtigt, welche weiteren Kenntnisse der Profi mitbringt. Bei den Programmiersprachen fällt beispielsweise auf, dass zurzeit Smalltalk-Kenner gut im Rennen liegen und durchschnittlich 80000 Euro verdienen. C++-Leute dagegen haben im Schnitt 60000 Euro in der Tasche. Bei den Datenbanken haben die Oracle- und DB2-Profis die Nase vorn: Sie dürfen sich über 67000 bis 70000 Euro freuen. Im Vergleich zu anderen Branchen und Berufsguppen verdienen die Computerfachleute noch immer gut. Entsprechend hoch ist auch ihr zeitliches Engagement. 57 Prozent der Studienteilnehmer arbeiten zwischen 41 und 50 Wochenstunden. Rund 60 Prozent kommen auf 125 Prozent der vertraglichen Arbeitsstunden, und 20 Prozent leisten sogar zwischen 125 und 150 Prozent der vertraglichen Arbeitszeit.

Gehaltsratgeber

Gehaltsverhandlungen gehören mit zu den schwierigsten Situationen im Berufsleben. Verdiene ich wirklich so viel, wie ich wert bin? Kann ich in schlechten Zeiten überhaupt mehr Lohn fordern? Diese und andere Fragen mag sich so mancher IT-Profi stellen. Ein Patentrezept für das richtige Vorgehen gibt es nicht. Dennoch will die CW ihren Lesern Hilfestellung geben. Unter www.computerwoche.de/rg findet sich vom 28. Oktober bis zum 10. November 2002 ein Gehaltsratgeber, den der Frankfurter Personalberater Michael Neumann von Nexecute betreut.

Neumann ist auf die IT-, Finanz- und Versicherungsbranche spezialisiert und wird alle Fragen rund um das Thema IT-Vergütung beantworten und dabei die Ergebnisse der aktuellen CW-Gehaltsstudie berücksichtigen.

 Die Studie

Im Frühjahr und Sommer 2002 organisierte die COMPUTERWOCHE gemeinsam mit Christian Scholz, Professor für Organisation, Personal- und Informations-Management an der Universität Saarbrücken, ihre vierte Vergütungs-Untersuchung. Der Fragebogen war in der COMPUTERWOCHE abgedruckt, konnte aber auch über das Internet ausgefüllt werden, wofür sich über 90 Prozent der Teilnehmer entschieden (vergangenes Jahr waren es noch 80 Prozent). An der Aktion beteiligten sich 920 Einzelpersonen und 45 Unternehmen. Damit es zu keinen statistischen Verzerrungen kommt, wurden Firmenfragebögen, die für mehrere Mitarbeiter der gleichen Gehaltslage galten, als nur einer gewertet. Wenn von Jahresgehältern die Rede ist, sind alle Zusatz- und Nebenleistungen von Urlaubs- und Weihnachtsgeld über Unfallversicherung bis zum Dienstwagen berücksichtigt.

Die Teilnehmer erhalten im Oktober die Ergebnisse. Interessenten, die den Fragebogen nicht ausgefüllt haben, können gegen eine Gebühr (50 Euro für Einzelpersonen, 500 Euro für Unternehmen) den Band bei Maria Scholz, Am Hüttenwald 10, 66894 Rosenkopf, Telefon 06372/61172, E-Mail: Maria. Scholz@internetbefragung.de, anfordern. Die Ergebnisse für Einzelpersonen sind auf deren Profil zugeschnitten, während die Studie für die Unternehmen alle Daten beinhaltet.