Fertigungsbetriebe suchen Kunden-Management-Software mit ERP-Kopplung

CRM - geliebt und gehasst

29.01.2008 von Frank Niemann
Fachabteilungen mit speziellen Wünschen fordern die IT heraus. Für die Softwareanbieter bedeutet das, neue Wege einzuschlagen.

Gute Vertriebsmitarbeiter haben viel Macht. Ihre herausragende Stellung erlaubt es ihnen, Software, die ihnen nicht zusagt, links liegen zu lassen. Oft genug ist das in der Vergangenheit geschehen,zahlreiche ambitionierte Customer-Relationship-Management-(CRM-)Projekte scheiterten. Nicht zuletzt deshalb war es einige Zeit still geworden um das Thema, doch nun nimmt das Interesse wieder zu. "CRM wird wieder strategisch gesehen", meint Nicholas Pöschl vom auf CRM-Projekte spezialisierten Unternehmen Sensix AG aus Wien. Die Firmen würden sich verstärkt mit effizienteren Vertriebsprozessen beschäftigen, statt nur auf die Kosten zu schauen. Über eine funktionierende ERP-Lösung verfügten sie meist schon, nun seien die kundennahen Prozesse an der Reihe.

Viele selbstgebaute CRM-Tools

Viele Unternehmen interessieren sich für CRM-Software, weil sie Vertrieb und Marketing mit professionellen Werkzeugen ausstatten wollen. Andere suchen händeringend nach Möglichkeiten, den Kundendienst und den Support effizienter abzuwickeln. Für beide Aufgabenbereiche nutzen sie schon heute vielfach Software, allerdings oftmals verschiedene Insellösungen oder selbstgeschriebene Programme. Etwa 70 Prozent der in Unternehmen verwendeten CRM-Systeme sind Eigengewächse, hat das Beratungshaus Gartner ermittelt. Einige Firmen wollen ihre Einzelsysteme ablösen und in ein zentrales Programm überführen. Besonders viel vorgenommen hat sich ein weltweit tätiger Konzern mit Hauptsitz in München: Dort soll für 33 000 Vertriebsprofis ein neues CRM-System eingeführt werden und dabei rund 500 Einzelprodukte ersetzen.

Noch dominiert die CRM-Komponente Vertriebsunterstützung.

Auf solche Anwenderunternehmen haben es die zahlreichen Spezialisten sowie ERP-Hersteller abgesehen, die CRM-Komponenten in ihren Suiten anbieten. Ihre Rechnung könnte aufgehen: Umfragen zufolge steht Software für CRM neben Werkzeugen für Business-Intelligence (BI) bei Anwenderunternehmen hoch im Kurs. Gartner-Prognosen zufolge wird der Umsatz mit CRM-Software und –Wartung in Deutschland in diesem Jahr um zehn Prozent zulegen - bei einem Gesamtwachstum bei Geschäftsapplikationen (Software und Wartung) von rund sechs Prozent. Weil das so ist, hat sich Oracle entschlossen, im Rahmen der "Fusion"-Strategie in diesem Jahr zuerst Bausteine für CRM auf den Markt zu bringen.

Mittelstand im Visier

Auf große Nachfrage hoffen die Hersteller aus dem Mittelstand. Während in den letzten Jahren Konzerne große CRM-Projekte aufgelegt und nicht selten in den Sand gesetzt haben, hielten sich viele mittelständisch geprägte Unternehmen zurück. Statt integrierter Software nutzt so mancher Betrieb im Verkauf einfache Office-Programme, so gut es eben geht. Solche Anwender, so die Erwartung der Anbieter, lassen sich leicht vom Nutzen integrierter Kunden-Management-Programme überzeugen. Oft geht es zunächst einfach nur darum, allen Vertrieblern eine gemeinsame und konsistente Datenbasis zur Verfügung zu stellen.

Zu den Kernbestandteilen einer CRM-Software zählen die Vertriebssteuerung (Sales Force Automation, kurz SFA), Marketing (etwa Kampagnen-Management) und Funktionen für den Service (etwa Helpdesk und Call-Center). Hinzu kommen Auswertungsfunktionen, um Kundendaten zu analysieren und zu messen, ob Marketing-Aktionen Wirkung zeigen. Funktionstiefe ist wichtig, ebenso aber eine einfache Bedienung sowie ansprechende Frontends. Aus diesem Grund hat beispielsweise SAP die Oberfläche von "SAP CRM" renoviert. Sie ähnelt nun eher einer Internet-Seite. Komplett neu geschrieben hat das Softwarehaus die Reporting-Funktionen. Jeder Benutzer soll nun selbst und ohne Unterstützung der IT Berichte erzeugen und weiterleiten können.

Oberflächen mit Homepage

Auch viele andere Hersteller haben ihre grafischen Oberflächen angepasst. Jeder Anwender – vor allem die kritischen Vertriebsspezialisten – soll seine eigene Arbeitsumgebung einrichten können, die Diagramme über das Verkaufsgebiet, die wichtigsten Kunden oder auch anstehende Aktionen anzeigt.

Moderne Oberflächen sollen kritische Vertriebsmitarbeiter überzeugen. Das Softwarehaus Sugar CRM lieferte unlängst ein Web-basierendes Frontend aus, das der Anwender nach eigenen Vorlieben gestalten kann.

CRM-Software dient aber nicht mehr nur zur Verkaufssteuerung. Zwar ist Sales Force Automation noch immer die meistgenutzte Funktion, doch dies gilt Pöschl zufolge nicht für alle Branchen. Beispielsweise habe die Pharmaindustrie bereits seit einigen Jahren SFA-Prozesse für den indirekten Vertrieb etabliert. Nunmehr gehe es den Anwendern dieses Industriezweigs darum, den Erfolg des Vertriebskanals zu messen. Auch für andere Branchen gibt es bereits zahlreiche vertikale CRM-Angebote, die auf die jeweiligen Anforderungen angepasst sind.

Viele Unternehmen bilden in ihren CRM-Systemen nicht nur ihre Vertriebssteuerung, sondern auch ihre Serviceprozesse ab. Der Grund dafür liegt nach Überzeugung von Christian Hestermann, Analyst bei Gartner, darin, dass sich manche Firmen in der Vergangenheit mit reinen Vertriebslösungen die Finger verbrannt haben. Unternehmen möchten zudem ihren Service auf Vordermann bringen, da sie hier eine Chance sehen, sich durch bessere Dienstleistungen vom Wettbewerb abzuheben und bei den meist personalintensiven Abläufen Geld zu sparen. Zunehmend denken auch Industriebetriebe in diese Richtung, weshalb die CRM-Softwarehäuser ihre Lösungen darauf vorbereiten. Der Wiener Anbieter Update Software beispielsweise überarbeitete gerade seine Software "update.seven”. Kundendienstmitarbeitern eines Anlagenbauers sollen neue Funktionen dabei helfen, Vertragsdaten und bisher gemeldete Störungen eines Klienten sofort parat zu haben, wenn dieser anruft. Das ist nicht trivial, da Anlagen oft aus zahlreichen unterschiedlichen Elementen bestehen, die jeweils eigene Wartungszyklen haben.

Da sich komplexe Maschinen und Anlagen nicht über einen Warenkatalog verkaufen lassen, benötigen einige Firmen Produktkonfiguratoren, mit denen der Verkäufer dem Kunden in kurzer Zeit ein auf ihn zugeschnittenes Angebot erstellen kann. Autokäufer kennen solche Systeme von den Websites der Fahrzeughersteller. Unlängst hatte zum Beispiel der auf den Mittelstand spezialisierte Anbieter CAS Software AG aus Karlsruhe eine verbesserte Version des "CAS Configurator Merlin” freigegeben, mit dem der Kundenberater im Innendienst sowie der mit Laptop bewaffnete Vertriebsaußendienst arbeiten sollen.

CRM-/ERP-Kopplung für Fertigungsunternehmen

Zunehmend greifen Firmen zu CRM-Programmen, die keine Konsumenten, sondern Unternehmen als Kunden haben (Business to Business, kurz B2B). Doch nicht alle Hersteller können die Nachfrage bedienen. "Schwer tun sich im B2B-Segment CRM-Anbieter, die bisher auf Konsumenten ausgerichtete Kampagnen-Werkzeuge verkauft haben", meint CRM-Spezialist Pöschl. Eine mangelnde B2B-Ausrichtung vieler CRM-Lösungen moniert auch Eric Scherer. Dem Geschäftsführer des Beratungshauses i2s Consulting aus Zürich zufolge weisen einige CRM-Systeme Defizite beispielsweise bei Prozessen für die Fertigungsindustrie auf. Nicht alle Produkte seien in der Lage, Daten mit einer ERP-Lösung abzugleichen. Auch um die Mobilität ist es Scherer zufolge nicht immer zum Besten bestellt. Während viele CRM-Programme schon lange über mobile Funktionen verfügten, seien diese bei ERP-Systemen noch nicht selbstverständlich. Um jedoch dem Kunden vor Ort einen Verfügbarkeitstermin von Artikeln für einen komplexen Kundenauftrag zu nennen, sei ein mobiler Zugriff auf ERP- und Produktdaten-Management-Prozesse erforderlich. "Mit solchen Anforderungen erwischt man die auf B2C-Abläufe ausgelegten mobilen CRM-Clients auf dem falschen Fuß."

Eine taugliche Lösung zu finden stellt für eine Reihe von Unternehmen jedoch nicht das Hauptproblem dar. "Abteilungsübergreifende CRM-Projekte sind hochkomplex, doch die Firmen wollen nicht viel in Beratung investieren”, meint Björn Eggstein, Geschäftsführer des CRM-Anbieters Combit aus Konstanz. Wenn CRM nicht nur als reines Werkzeug betrachtet wird, sondern Prozesse steuern soll, müssen sich Führungskräfte aus verschiedenen Firmenteilen an einen Tisch setzen. "Oft sitzen Manager der diversen Abteilungen erstmals in Sachen Kunden-Management zusammen und streiten sich über Grundsätzliches”, so Eggstein. Wie so oft gelingen solche Vorhaben nur, wenn die Chemie stimmt, CRM ernst genommen wird und auch das Management dahintersteht. Die Realität sieht mitunter anders aus. "Teilweise googeln sich die Anwender Pflichtenhefte zusammen, da tauchen dann Passagen auf, die man im Wortlaut schon anderswo gelesen hat”, berichtet der Combit-Chef. Ähnliche Erfahrungen hat Jürgen Topp gemacht, Vorstandsmitglied der Cursor Software AG aus Gießen: "Zum Teil schreiben Praktikanten oder Diplomanden das Pflichtenheft.” Softwarehäuser kritisieren allerdings nicht nur dies, sondern auch das Fehlen einer mittelstandstauglichen CRM-Beratung.

Software zur Miete

Doch nicht alle Firmen wollen umfangreiche CRM-Projekte auflegen. Sie suchen schlicht nach einer Lösung, die sich rasch aufsetzen lässt. Dies ist ein Grund für den Erfolg von Anwendungsvermietern wie Salesforce.com aus Kalifornien. Das Konzept verheißt Nutzern, sich schnell und ohne Beteiligung der IT-Organisation Funktionen zur Vertriebsunterstützung mieten zu können. Andere Hersteller springen ebenfalls auf den Software-as-a-Service-Zug auf, wieder andere zögern noch. Sage Software aus Frankfurt am Main bringt dieses Jahr ein Miet-CRM auf den deutschen Markt. Microsoft bietet zwar mit "Dynamics CRM Live” eine SaaS-Lösung in den USA an, hat aber bisher nicht die Absicht, diese auch in Deutschland auszurollen. Der Konzern setzt stattdessen auf das klassische Lizenzgeschäft. SAP hatte im Frühjahr 2006 mit "CRM On-Demand” ein eigenes Angebot präsentiert, um das es inzwischen jedoch still geworden ist. Offenbar konzentriert sich der Konzern in Sachen SaaS auf die ERP-Komplettlösung "Business ByDesign". Sugar CRM, ein kalifornischer Anbieter von Open-Source-Software und kommerziellen Programmen, will seine Aktivitäten in Deutschland verstärken. Dazu zählen auch Mietangebote vom Hersteller selbst sowie von Partnerunternehmen (siehe auch Sugar CRM kommt das Deutschland).

Foto: Experton Group

SaaS-Angebote stellen in der Regel Standardfunktionen bereit, die sich nicht so anpassen lassen wie lokal installierte Software. Doch in Zukunft dürfte gerade die Individualisierung von CRM-Software eine noch größere Rolle spielen. Für die Anwenderunternehmen wird es in Folge des zunehmenden Wettbewerbsdrucks immer wichtiger, nicht nur die eigenen Produkte und Services weiterzuentwickeln, sondern auch die Interaktion und Beziehung zum Kunden, meinen Experten von Gartner. Dies mache neue CRM-Produkte erforderlich: Je näher der einzelne Mitarbeiter am Kunden ist, desto spezifischer müsse sich die Software auf dessen individuelle Anforderungen zuschneiden lassen.

Hinzu kommt, dass sich die Kundeninteraktion vermehrt auf das Internet verlagert. Auf Portalen eines Herstellers geben die Surfer ihre Interessen preis. Analysieren lässt sich, welche Web-Seiten ein Kunde besucht und wie lange er dort verweilt. "Das geht über das bloße Auslesen von Log-Dateien weit hinaus”, so Michael Sauter, Chef der Münchner Dependance von Sapient, einem international tätigen, auf interaktives Marketing spezialisiertes Beratungshaus. "Wir können heute sagen, wie Frauen in einem bestimmten Alter auf Web-Seiten reagiert haben.” Teil des elektronischen oder Web-gestützten CRM (eCRM) sei es, immer kleinere Zielgruppen ausfindig zu machen und diese ganz gezielt mit Produktangeboten anzusprechen. Oft handelt es sich um enorme Datenmengen, weshalb die Unternehmen für das Marketing nicht nur CRM-Tools, sondern auch ausgefeilte Business-Intelligence-Lösungen benötigten. Daten aus Online-Kanälen lassen sich - entsprechend aufbereitet - in bestehende CRM-Software einbinden. Die nächste große Herausforderung bestehe darin, im Web erworbene Informationen zum Kundenverhalten gezielt für andere Kommunikationskanäle zu verwenden. Ein Beispiel liefert die Autoindustrie: Ein Fahrzeuginteressent informiert sich auf der Hersteller-Website über ein Produkt, das er dann aber in der Regel beim Händler bestellt und abholt.

Bei Kundenkontakt Angebot

Firmen aus dem Finanzwesen und der Telekommunikation suchen nach Wegen, die Kundenansprache zu verbessern. Dazu zählt, dem Nutzer eines Dienstes oder Kontoinhabers ein auf seine Situation zugeschnittenes Angebot zu unterbreiten, und zwar nicht nur, indem man ihm einen Brief oder eine E-Mail schickt, sondern dann, wenn er seinerseits Kontakt zum jeweiligen Unternehmen aufnimmt. Softwarelösungen ermitteln, welche Offerte sich zum Beispiel für einen Kunden eignet, der gerade am Geldautomaten steht oder im Kundenportal seinen Finanzstatus überprüft. Dies macht spezielle Software erforderlich, die in der Lage ist, sofort maßgeschneiderte Angebote herauszusuchen. Geschäftsregeln, Prognosemodelle und die Daten aus der aktuellen Sitzung (etwa der Geldtransaktion oder der Web-Dialog) entscheiden über die Art der Offerte, unter Berücksichtigung der finanziellen Situation, der bisherigen Kundenkontakte sowie der Geschäftsstrategie der Bank. Nach Angaben des Softwarehauses Chordiant, einem Hersteller solcher Systeme, lassen sich durch derartige Maßnahmen mitunter deutlich mehr Abschlüsse erzielen als durch klassische Kampagnen.

Bei der Auswahl der passenden CRM-Lösung hilft auch der "CRM-Matchmaker", den die Trovarit AG gemeinsam mit der COMPUTERWOCHE präsentiert.