Controlling in der Lieferkette: Supply Chain Performance Management

08.09.2006
Firmenübergreifende Kennzahlen liefern die Grundlage, um steuernd in Supply Chains einzugreifen. Was in der Theorie überzeugend klingt, birgt in der Praxis noch Probleme.

Unternehmen verfügen schon lange über Controlling-Mechanismen für ihre Finanzen. Kennzahlengestützte Steuerungsmethoden für Lieferketten (Supply Chains) entstehen dagegen erst. Geschäftsverflechtungen zwischen Kunden, Zulieferern und Logistikdienstleistern lassen sich über geeignete Leistungsindikatoren steuern, Fachleute nennen das dann "Supply Chain Performance Management" (SCPM).

Noch sind es vor allem Wissenschafter, die sich mit Thema auseinandersetzen, doch das Interesse von Anwenderfirmen steigt. Und das nicht ohne Grund. "Mit SCPM lassen sich strategische Steuerungslücken schließen", sagte Wolfgang Stölzle in seiner Eröffnungsrede zu einer Fachtagung des Kühne-Instituts für Logistik der Universität St. Gallen, dem er vorsteht. Mitveranstalter waren das International Performance Research Institute aus Stuttgart sowie die Beratungs- und Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Deloitte.

SCPM könne Universitätsprofessor Stölzle zufolge diese Steuerungslücke schließen, indem es eine Brücke zwischen den operativen Leistungs- und den Führungssystemen schlägt. Diese Verbindung bestehe jedoch oft nicht, da Leistungsparameter aus den Logistiksystemen nicht gemeinsam mit den Kennzahlen aus dem Unternehmens-Controlling ausgewertet und auf ihre Wechselwirkung hin betrachtet werden. Führungssysteme sind durch Finanzkennzahlen geprägt, Leistungssysteme hingegen von Istwerten wie Menge, Durchlaufzeit, Qualität und Fehlerrate.

Erschwerend kommt hinzu, dass die Brücke über die Grenzen eines Unternehmens hinausreichen muss: Es genüge Stölzle zufolge nicht, nur die auf die eigene Firma bezogenen Leistungsindikatoren (Key Performance Indicators, kurz KPIs) heranzuziehen: Die Idee des SCPM lasse sich nur umsetzen, wenn die Glieder der Lieferkette (Lieferanten, Kunden und Dienstleister) sich auf gemeinsame und firmenübergreifende KPIs einigten.

Manche Unternehmen wie etwa Adidas und der Knabbergebäckhersteller Intersnack setzen diese Konzepte bereits um. Weitere Kandidaten für SCPM sind Firmen, die über Jahre gewachsene und somit stabile Lieferketten betreiben, wie sie in der Automobil- und der Konsumgüterindustrie zu finden sind.

Bei der Realisierung helfen will Deloitte mit dem Dienstleistungsansatz "Integriertes Supply Chain Performance Management". Er stützt sich auf ein Phasenmodell aus Prozessanalyse, Konzeption und Umsetzung in einer SAP-Umgebung. Eine Implementierung bringt die Komponenten R/3, APO und SAP BW zusammen. Die Hauptarbeit an einem SCPM-Projekt sei jedoch nicht etwa das Aufsetzen der Software, sondern die Definition geeigneter KPIs. Und hier gibt es - wie schon von der Wissenschaft angemerkt - noch so manche Schwierigkeit. "Problematisch ist diese Phase deshalb, weil selbst innerhalb eines Unternehmens teilweise kein einheitliches Verständnis von Kennzahlen herrscht", erläutert Andreas Umbach, SCM-Spezialist bei Deloitte. Er stützt sich dabei auf Ergebnisse einer weltweiten Studie des Beratungshauses aus dem Jahr 2005. Allzu oft konzentrieren sich Firmen bei den Kennzahlen auf finanzielle Größen, lassen also die operative Sichtweise unberücksichtigt. Und die für SCPM wichtigen unternehmensübergreifenden Leistungsindikatoren lassen sich unter anderem deshalb nicht ohne weiteres finden, weil manche Unternehmen externe Benchmarks ablehnen. (fn)